Wohin auf der Leipziger Buchmesse?

Die Leipziger Buchmesse steht schon fast wieder vor der Tür und es gibt ein paar Veranstaltungen aus dem Fachprogramm, die man sich unbedingt in den Kalender eintragen sollte. Mich trefft ihr leider nicht auf allen an, da ich voraussichtlich nur am Freitag auf der Messe bin.

Fehlt was? Ergänzt gern in den Kommentaren, wenn es spannende Veranstaltungen gibt, die mir durchgerutscht sind! (Sind wahrscheinlich jede Menge …)

Event-Marathon in München – ein Rückblick

Ein ereignisreiches Wochenende liegt hinter uns! Die Lange Nacht des eBooks, das eBook-Camp und der Recruiting Day – letztere fanden leider zeitgleich statt. Wir möchten kurz von einem Teil der Veranstaltungen berichten:

Lange Nacht des eBooks

Freitag, 17 Uhr, Hanser Box (Dennis)

Jo Lendle präsentierte sympathisch offen und ehrlich die ersten Erfahrungen des Verlags mit der HanserBox. Die Key facts: Bislang ist das Projekt, wie seit ehedem geplant, ein Plus-Minus-Null-Geschäft. Die Auflagen entsprechen eher denen eines Lyrikverlags – während die ersten „großen“ eBooks sechsstellige Auflagen erreichen. Lendle verbucht das Projekt unter „Research & Development“ – und ist in diesem Sinne ganz zufrieden. Mein Fazit, auch danach: Eine spannende Idee, um Autoren kleine Formate anzubieten, aber sicher keine heilsbringende Geschäftsidee. Die hat Hanser vielleicht auch gar nicht nötig.

Freitag, 19 Uhr, Chance eBook! (Hanna)

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Der Zuschauerraum füllte sich stetig

Die Autoren Tanja Kinkel und Albrecht Mangler sprachen mit zwei dotbooks-Vertretern über die Möglichkeiten des digitalen Publizierens. Viele Aussagen der Autoren waren vorhersehbar bzw. entsprachen dem Klischee, das man von den beiden hatte. Auf der einen Seite Tanja Kinkel als „klassische“ Autorin, die ihre Bücher in ihrer Anfangszeit noch handschriftlich verfasst hat und jetzt am Computer schreibt, auf der anderen Seite Newcomer Albrecht Mangler, der nicht nur beruflich die technischen Möglichkeiten ausreizt, sondern seiner „Schreibtätigkeit“ per Sprachapp in der U-Bahn nachgeht.  So ging es dann mit einigen ähnlichen Themen mäßig spannend weiter und als keine Fragen mehr zu klären waren, hat der gute alte Content  mal wieder gesiegt: Es gab Kurz-Lesungen der beiden Autoren. Vielleicht würde ich die Veranstaltung etwas positiver beschreiben, wenn ich mehr verstanden hätte: Die Akustikverhältnisse waren sehr ausbaufähig, was ich insbesondere deswegen grenzwertig finde, weil das anscheinend im Vorjahr auch schon der Fall war.

Freitag, 20:30 Uhr, Von Leseflatrates & Selfpublishern – Die Zukunft des digitalen Lesens (Hanna)

Weil die Akustiverhältnisse aufgrund der gestiegenen Besucherzahl noch grauenvoller waren als bei der vorigen Veranstaltung, habe ich meine Begleiter in eine andere Location geschleppt – unter ihnen auch Dennis, so dass auch er nichts berichten kann. Aber wir haben viele Leute gesehen, die wir kannten ;-).

Recruiting Day

Erstes Mal (Hanna)

Dennis Blick von der Bühne
Dennis‘ Blick von der Bühne

Ich war dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Recruiting Day – und fand es eigentlich ganz okay, dafür dass ich kein großer Fan von Jobmessen bin. Das unangefochtene Buzzword der Veranstaltung war „Leidenschaft“, so dass sich eine Allrounderin schon zu der Nachfrage genötigt sah, was man denn macht, wenn man, typisch Allrounder, keine spezifische Leidenschaft hat, sondern alles ein bisschen macht. Allgemein fand ich schade, dass nur so wenige Verlage vertreten waren – das erklärt auch, warum sich nach der Hälfte der Veranstaltung das Publikum halbiert hatte. Aber es waren nichtsdestotrotz viele interessante Menschen dort, so dass man tolles Networking betreiben konnte. Nur eines hat sich komisch angefühlt: Anders als beim gestrigen eBook-Camp hatten fast alle Leute bei den Workshops ihre Handys komplett in der Tasche. Das Gefühl von „jeder checkt gerade seine Nachrichten oder twittert noch“ hat gefehlt und alles war ein Stück konservativer. Aber das ist angesichts des Veranstaltungsformats auch nicht verwunderlich.

Viele, viele Gespräche (Dennis)

(c) JVM/Presse
(c) JVM/Presse

Als Vorstandsmitglied der JVM und Mitreferent eines Workshops waren für mich die Vorzeichen gesetzt: Ich habe vor allem unglaublich viel geredet, von der Orga am Morgen über die Begrüßung auf der Bühne und Rekrutierungsgespräche am Stand bis zur Verabschiedung all der netten Menschen, die viel gearbeitet haben, um den Recruiting Day möglich zu machen. Die unterschiedlichsten Leute aus dem Publishing waren an den Ergebnissen unserer Nachwuchsumfrage interessiert, die wir auf der #LBM15 präsentieren werden.

Ich habe viele (größtenteils interessante) Menschen getroffen, aber leider vom Programm (außer unserem eigenen Workshop, in dem wir mit den Teilnehmern über Bewerbungsgespräche redeten) nichts mitbekommen. Daher kann ich nur mein „Ausstellerfazit“ ziehen: Es hat sich gelohnt, hat viel Spaß gemacht – und mich zuhause den Schlaf der Gerechten schlafen lassen!

Fazit

Sehr praktisch, dass wenigstens alle Veranstaltungen in München stattgefunden haben (zumindest, wenn man dort wohnt). Trotz einiger Schwächen hat sich alles irgendwie gelohnt, und sei es nur wegen der anderen Leute, die man treffen konnte.

In näherer Zukunft gibt es übrigens folgende Veranstaltungen in München, die in eine ähnliche Richtung gehen:

Wo bleibt Facebook Reloaded?

Wir warten … zumindest fühlt es sich so an. Immer öfter beschleicht mich das Gefühl, dass es jetzt mal wieder Zeit für etwas Neues wäre. Facebook hat seinen Zenit überschritten, aber welches Netzwerk auch immer die Nachfolge antreten wird, es hat sich noch nicht in den Vordergrund gedrängt. Gemeinsam mit Dennis analysiere ich mal kurz die bestehenden:

  • Facebook: Der Algorithmus wird immer schlechter und dadurch Facebook für den Nutzer immer langweiliger. Als Unternehmen kann man diese Änderungen als Herausforderung sehen, die sich aber lohnt – denn: Facebook kennt mittlerweile jeder. (Hanna) Die Timeline wird immer schlechter und viele eigene Inhalte gehen unter. FB selbst nutze ich nur noch sporadisch; allerdings ist der Messenger, den FB als App ja auch konsequent ausgelagert hat, meine Go-To-Chatlösung. Außerdem nutze ich FB beruflich viel, weil die ganze Zielgruppe von LYX Storyboard dort am besten erreichbar ist. (Dennis)
  • Twitter: Twitter nutze ich selten, wenn, dann um direkt mit Leuten dort zu interagieren. Meine Timeline ist mir viel zu überfrachtet; Listen sind mir viel zu frickelig. Ab und an nett, um mit Leuten zu quatschen, aber mehr auch nicht. (Dennis)
  • Pinterest: Pinterest nutze ich eigentlich nur für einen Zweck: Um cthuloide Bilder zu sammeln. (Dennis)
  • Instagram: Mag ich. Es sehr nett und heimelig dort und als Hobbyfotografin kann ich mit den vielen Bildern dort viel anfangen. Allerdings gibt es keine Möglichkeit zur direkten Interaktion und ich sehe auch zu wenig Dynamik, als dass das Netzwerk noch die Kurve kriegt und Facebook ablöst. (Hanna)
    Ich habe die App, ich gucke ab und zu rein (und freue mich über Katzen oder Essen), aber insgesamt passiert mir da zu wenig. Klar, dann müsste ich mehr Leuten folgen, aber der Zweck ist mir noch nicht ganz klar … (Dennis)
  • Ello: Ich glaube, ich mag einfach keine Bildnetzwerke, und dazu mutiert Ello gerade. Ello hatte mal Werbefreiheit und Datensicherheit für sich stehen, aber wie weit es damit her ist, kann ich auch nicht sagen. Bislang gibt es aber ohnehin noch keine App, über eine eventuelle tiefere Nutzung denke ich nach, sobald ich Ello auch mobil sinnvoll einsetzen kann. (Dennis)
  • Google +: Seit gefühlt zwei Jahren wieder tot. War zeitweise ganz spannend und ist für Fachdiskussionen auch immer noch ein guter Ort, allerdings fehlt jeglicher Klatsch- und Tratsch-Charakter, der für mich zu einem sozialen Netzwerk dazu gehört. (Hanna) Stimmt, das gab’s ja auch mal … (Dennis)

Und wohin geht man nun?

Was wirklich fehlt, ist ein Netzwerk, das richtig Spaß macht. Und zumindest nicht 50% irrelevante Inhalte zeigt. Vielleicht macht langfristig eine Alternative mit gutem Datenschutz das Rennen, weil damit auch das Hauptargument der jetzigen Facebook-Verweigerer entkräftet wäre.

Und ihr so? Wo seid ihr, warum – und sollten wir da auch hin?

photo credit: Steve Koukoulas via Flickr cc

Noch 10 Tage teilnehmen! JVM-Umfrage zum Nachwuchs

Wer es vor lauter Weihnachtsstress übersehen oder noch nicht geschafft hat, hat noch bis zum 31. Januar die Gelegenheit, an der Umfrage der Jungen Verlagsmenschen zu den Arbeitsbedingungen der Brancheneinsteiger teilzunehmen.

bit.ly/jvm7agn

Wenn ihr in der Buchbranche arbeitet oder gearbeitet habt, nehmt bitte teil und verbreitet die Umfrage weiter! Es ist wichtig, dass wir bei den ganzen Diskussionen um Bedingungen, Mindestlohn etc. endlich mal mit belastbaren Zahlen argumentieren können.

Sobald Ergebnisse vorliegen, berichten wir natürlich auch hier darüber.

 

photo credit: Threat to Democracy via photopin cc

Nachdenklich, frustriert und voller Träume – ein Adventskalender wie das richtige Leben

Wir freuen uns sehr, dass wir auch in diesem Jahr wieder einige kluge Menschen für einen Gastartikel im Rahmen unseres Adventskalenders gewinnen konnten. Das Thema lautete: „Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen Probleme sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?”

Dies waren die Beiträge im Einzelnen:

Ein herzliches Dankeschön an alle, die mitgemacht haben und uns an ihren spannenden Gedanken teilhaben ließen!

Außerdem wünschen wir all unseren-Lesern ein fröhliches Weihnachtsfest, ruhige Tage, um auch selbst die Zeit zu finden, über unser Adventskalenderthema nochmal nachzudenken und alle Probleme der Branche zu lösen, und natürlich einen guten Start ins Jahr 2015!

Die Weihnachtsgeschichte der Buchbranche [Adventskalender]

Kein Weihnachten ohne Weihnachtsgeschichte! Daher danken wir Norsin Tancik herzlich, dass sie uns für unseren Adventskalender eine waschechte Weihnachtsgeschichte geliefert hat.

Norsin Tancik
Norsin Tancik

Es gibt eine Zeit im Jahr, auf die ich mich ganz besonders freue. Dieses Mal fing sie am Wochenende vor der Frankfurter Buchmesse an, als ich das erste Blech Vanillekipferl backte – nach einem Rezept, das ich in den letzten Jahren verfeinert habe. Ende Oktober beschwerte sich mein Lebensgefährte zum ersten Mal über meine weihnachtliche Playlist, die laut durch die Wohnung schalte, um Helene Fischer vom Nachbarn zu übertönen, während ich das inzwischen dritte Blech Vanillekipferl aus dem Ofen holte.

Es ist aber nicht nur die Zeit der stillen Freuden, des ersten Schnees und der Nächstenliebe, sondern auch der Mails, die mich über verschiedene Wege erreichen – adressiert an BuchKarriere, der Karriereplattform, die ich seit über drei Jahren gemeinsam mit Rebekka Kirsch betreibe. Es sind Geschichten, die mich wütend machen, verunsicherte Anfragen, die ich einfach nicht glauben möchte – doch sie sind da, und sie sind schrecklich real.

Deshalb nutze ich die Möglichkeit, selbst eine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte der Buchbranche. Sie war zu einem hartherzigen, alten Geizkragen geworden, schmückte sich aber gerne in glanzvollen Großstädten mit großen, ehrwürdigen Namen. Ihre Mitarbeiter waren unterbezahlte Angestellte mit befristeten Verträgen.

In der Weihnachtsnacht erhielt die Buchbranche unerwarteten Besuch: Es war der Geist der vergangenen Zeit, der um ein Uhr morgens in ihren Träumen auftauchte. Er führte sie in ihre eigene Vergangenheit zurück – hin zu wichtigen Entwicklungen und Strömungen, glanzvollen Verlegerpersönlichkeiten und großen Autoren. Die Vor- und Frühformen des Buches auf Papyrusrollen und Pergamentkodex zur Wissensspeicherung, der Handschriftenhandel in den Klöstern und Bibliotheken, Johannes Gutenberg, der den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, den Auf- und Niedergang der buchhändlerischen Handelszentren im 17. Jahrhundert, die Einflüsse der Aufklärung und der Entwicklung des Übersetzermarktes, die Zäsuren durch die Weltkriege, Peter Suhrkamp, der seinen Verlag gegen die Nationalsozialisten und für seine Autoren verteidigte und dies mit seiner Gesundheit bezahlte, die Bücherverbrennungen, Gottfried Bermann Fischer, der aus dem Exil heraus noch seine Autoren publizierte, der Rowohlt-Verlag, der nach dem Krieg bei Papierknappheit mit Hilfe des Rotationsverfahrens Taschenbücher für den Massenmarkt öffnete, das erste Buch auf CD-ROM, die Entstehung des Online-Handels, das erste E-Book. Der Geist der Vergangenheit zeigt der Buchbranche alles, jede Entwicklung, mag sie noch so schön oder schmerzlich gewesen sein.

Die Buchbranche ist gerührt und verwirrt und fällt in einen unruhigen Schlaf. Eine Stunde später erhält sie wieder Besuch: Der Geist der gegenwärtigen Zeit spukt in ihren Träumen umher. Er führt ihr den eigenen Hochmut, ihre Arroganz und das Anspruchsdenken vor. Sie sieht die Menschen, die für sie arbeiten, oft nur für den Namen – und mit einer Aufstockung des Gehalts vom Amt. Im Elendsviertel lernt sie die ärmsten Volontäre kennen, denen es sogar am Nötigsten fehlt (außer an Büchern). Als sie den Geist verwundert fragt, ob es für Berufseinsteiger heute keine andere Lösung gebe, hört sie nur ihre eigenen Worte: „Dann wechsle halt die Branche. Falls nicht: Wir bieten dir gerne ein Folge-Volontariat an.“

Der Geist der Gegenwart verschwand, und in der Dunkelheit tauchte der Geist der zukünftigen Zeit auf. Die düstere Erscheinung führte sie über ein leeres Buchmesse-Gelände, auf denen Google, Apple und Amazon Ball spielten, und hin zu einem Grab. Sie blinzelte – und muss erkennen, dass sie die einsame, ungeliebte Tote war.

Wie endet diese Geschichte? Bei Charles Dickens Weihnachtsgeschichte wird Ebenezer Scrooge zum Gönner, verdoppelt das Gehalt seines Dieners, wird nett zu allen Menschen, spendet sein Geld für wohltätige Zwecke und versöhnt sich mit Familien und Freunden. Und in der Buchbranche? Das wird die Zukunft zeigen – und vor allem das nächste Jahr mit der Einführung des Mindestlohns und damit der erzwungenen Auseinandersetzung mit den Berufseinsteigern der Buchbranche. Es wird die nächste Herausforderung sein, die die Buchbranche anpacken und bezwingen soll. Denn nur attraktive Arbeitgeber ziehen talentierte Nachwuchskräfte an, die die Hürden der Digitalisierung und der Online-Konkurrenz mit frischen Ideen meistern.

Norsin Tancik (28) hat ihren Magister in Buchwissenschaft und Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gemacht. Während ihres Studiums arbeitete sie als freiberufliche Journalistin, absolvierte Praktika in der Buchbranche und gründete die Karriereplattform „BuchKarriere – Dein Platz in der Buchbranche“. Heute arbeitet sie als Sales & Marketing Managerin bei der Agentur Bilandia in München.

[Adventskalender] Eine Zukunft für den Buchhandel!

Foto: Eva Hehemann
Foto: Eva Hehemann

Vielen Dank an Frauke Ehlers, die den Auftakt für unseren Adventskalender 2014 macht. Die Frage:  “Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen Probleme sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?” 

Als Hanna Hartberger mich um einen Beitrag für den Adventskalender für ihr Blog „Alles Fliesst“ bat, waren gerade eine Vielzahl von Ereignissen vermeldet worden, die mich mit Ratschlägen vorsichtig werden lassen.

Ein Blick zurück macht deutlich, wie schnell sich Gewissheiten auflösen können: Vor 7 Jahren habe ich innerhalb des MBA Studiums an der Steinbeis Hochschule für die Schiller Buchhandlung, deren Gesellschafterin ich seit 1995 bin, eine Standortbestimmung gemacht und Überlegungen angestellt, wie der Aufbau eines Firmenkundengeschäfts die Buchhandlung stärken könnte. Gesetzt war damals, dass die Filialisierung weiter voranschreitet: Hugendubel/Weltbild hatten damals gerade mittlere Buchhandelsketten wie Weiland, Habel und Wohltat’sche in ihren Verbund aufgenommen, Thalia schien im Bereich Online die Themen, die durch die Digitalisierung auf die Agenda kamen, einigermaßen zu besetzen.

Und heute? Ist Weltbild am Ende. Hugendubel in Stuttgart, wo seit 2008 die zweitgrößte Fläche betrieben wurde, zieht sich im Frühjahr aus der Innenstadt zurück. Thalia putzt sich für einen weiteren Investor heraus, unter dem Dach von Advent soll die Buchhandelssparte verkauft werden.

Susanne Martin (www.schiller-buch.de) und Petra Hartlieb (www.harliebs.at) Foto: Frauke Ehlers
Susanne Martin und Petra Hartlieb
Foto: Frauke Ehlers

Da fällt es schwer, Petra Hartliebs Statement in ihrem Buch, „Meine wunderbare Buchhandlung“ in dem es auf S. 149 heißt:  „…..die Inhaber der kleinen Buchläden hätten ihnen allesamt von Anfang an vorrechnen können, dass man mit Büchern nicht reich werden kann“- nicht zu unterschreiben. Natürlich kann man über Petra Hartliebs vielerorts zitiertes Guerilla Marketing, was die Direktansprache von potentiellen Kunden, die bei Amazon bestellen angeht, streiten. Aber den teilweise fragwürdigen Geschäftspraktiken des allumfassenden Onlinehändlers bringt sie meiner Meinung nach in ihrem Quartier das entgegen, was in ihrem Wirkungskreis möglich ist.

Sich mit dem großen „A“ auf technologischem Gebiet zu messen, kann auch nicht die richtige Lösung für den kleinen Buchhandel sein. Die Insolvenz von ocelot, not just another bookstore zeigt, dass die ersten zwei Jahre einer Gründung zu überstehen, schon Herausforderung genug ist. Das Konzept mit großen Partnern anzugehen, nach denen Fritjof Klepp jetzt auf der Suche ist, hätte vielleicht vor Start schon umgesetzt werden sollen. Aber im Nachhinein ist man immer klüger. (vgl. auch „Berliner Buchhandlung Ocelot ist insolvent„.)

Als Susanne Martin, die im 20. Jahr ihrer Selbstständigkeit steht, die Lesung von Petra Hartlieb einführt, erzählt sie dass das Kreditinstitut, wo sie 20 Jahre zuvor einen Kredit beantragte mittlerweile nicht mehr existiert.

All diese Beobachtungen lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Ich wünsche mir natürlich, daß mit der Wahrnehmung der gesellschaftspolitischen Herausforderungen, vor die uns die amerikanischen Internet Unternehmen stellen, eine Renaissance der kleinen Buchhandlung um die Ecke möglich ist. Und die ist in meiner Wahrnehmung dann modern, wenn sie ein kultureller Kommunikationsort ist, aber auch digital unterwegs. Sie ist nur denkbar mit sehr viel leidenschaftlichen Einsatz – auch wenn der allein nicht reicht.

Und so glaube ich, dass sich das Sortiment mit allen drei Themen Digitalisierung, Online Konkurrenz und dem Nachwuchs beschäftigen muss.

Frauke Ehlers ist seit rund 20 Jahren bei den BücherFrauen aktiv und seit 1995 Gesellschafterin der Schiller Buchhandlung. Sie ist Teamleiterin Controlling bei BB Promotion, einem der Marktführer des gehobenen Live-Entertainments in Europa. Großgeworden ist Frauke Ehlers mit und in der Buchbranche. Nach der kaufmännischen Ausbildung zur Buchhändlerin hat sie englische und amerikanische Literaturwissenschaften in Tübingen studiert.

In eigener Sache: Wir leben noch!

photo credit: galo/* via photopin cc
photo credit: galo/* via photopin cc

Liebe Freunde, Fans, Stammleser und alle, die hier irgendwie gelandet sind: Dennis und mir tut es sehr Leid, dass wir im Moment so wenig schreiben. Wir haben gerade viel um die Ohren, zum Beispiel mit diesem netten Fotoblog (Hanna) oder mit einem Projekt zu einem längst überfälligen Thema (beide), über das wir hier in Kürze berichten werden. Außerdem planen wir einen Adventskalender.

Es wird also wieder was kommen! Wenn ihr in der Zwischenzeit Ideen für Artikel oder Wünsche für böse Kommentare habt, dann immer her damit 🙂

Der Wettbewerbs-Sommer

Foto eines Sommerloch-Stadtschilds
Klaus Graf @ Wikimedia Commons

Ein Wettbewerb jagt den nächsten. Die Teilnahmefrist für den Börsenblatt Young Excellence Award ist bereits vorbei – in meinen Augen allerdings nicht so schlimm ist, da dieser Wettbewerb bislang v.a. aus schönen Worthülsen besteht. Ich hatte überlegt, Dennis einfach aus dem Grund vorzuschlagen, damit den Preis zumindest jemand Vernünftiges gewinnt, aber wir waren uns dann doch einig, dass niemand einen Preis will, bei dem niemand anderes versteht, worum es eigentlich geht.

Aus einem ähnlichen Grund halte ich mich auch vom zweiten großen Wettbewerb des Sommers fern: Arena for Books vom Forum Zukunft. Es geht irgendwie darum, die Haptik des Digitalen sichtbar zu machen. Ich interpretiere es so, dass der Börsenverein in hehrer Absicht versucht, irgendwas Tolles für die Buchhandlungen zu entwickeln, damit die an dem ganzen E-Book-Geschäft besser teilnehmen können. An sich keine schlechte Idee, nur frage ich mich, wieso nach mehreren Jahren, in denen sich hier wenig getan hat, plötzlich DIE zündende Idee kommen sollte. Vor allem muss diese Idee sowohl E-Book-Käufern als auch Buchhändlern gefallen und allein das ist schwierig. Wer trotzdem sein Glück versuchen möchte, kann noch bis 25. August mitmachen.

Den Betreibern von Buchkarriere möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür danken, dass sie mit Meine Buchbranche rockt einen Wettbewerb ins Leben gerufen haben, den ich sofort beim Lesen verstanden habe! Hier geht’s darum, Ideen zu posten, warum die Buchbranche rockt. Man kann zwar jetzt darüber streiten, ob sie das tut, aber alle, die das nicht tun, können per Tumblr, Facebook etc. bis zum 30. August teilnehmen.

Es gibt außerdem noch einen Wiederkehrer, den Virenschleuder-Preis. Den gibt’s seit mehreren Jahren und er erfreut sich zumindest im Online-Teil der Buchwelt großer Bekanntheit. Kurz gesagt geht’s um virale Marketingkampagnen – und zwar um keine Idee, sondern um die erfolgreiche Umsetzung davon. Nominierungen dafür kann man bis 26. September einreichen.

Der Wettbewerbs-Sommer nimmt also seinen Lauf … und kurz vor oder auf der Buchmesse gibt es dann viele viele Preisverleihungen.

P.S.: Wir würden an dieser Stelle ja gern einen Preis für den lustigsten, intelligentesten oder verschwurbeltsten Kommentar zu diesem Artikel ausschreiben, aber dann würdet ihr ja gar nicht mehr zu euren Messe-Vorbereitungen kommen ;).

Netzwerk-Einerlei statt Visionen-Schmiede

Unspektakulär. Ganz nett, aber trotz vieler junger Leute auf einem Fleck fast gänzlich ohne Visionen. Ein Fazit des Jahrestreffens der Jungen Verlagsmenschen in Berlin.

Das war mein erstes Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen (JVM). Trotz drei Jahren Mitgliedschaft (oder schon länger?) habe ich es bis dato noch nie auf ein Jahrestreffen geschafft. Zum einen, weil ich relativ lange kein Interesse wegen nicht vorhandener Wahrnehmung der überregionalen Vereinsarbeit hatte, zum anderen, weil ich mich immer gefragt habe, ob sich eine längere Fahrt für einen Tag Jahrestreffen lohnt. (Zum Hintergrund: Mein „Heimatverein“ Amnesty International diskutiert bei seiner Jahresversammlung zwei bis drei Tage intensiv und basisdemokratisch alle wichtigen Themen durch. Daher fand ich einen Tag – zur Hälfte sowieso Workshop – inhaltlich einfach extrem knapp bemessen. Und nur zum Netzwerken brauche ich kein Jahrestreffen.) Wie dem auch sei: Die Neugier hat gesiegt.

Bild einer der Folien der Präsentation
Schatzmeisterin Lena Augustin erklärt anhand von Strichmännchen, wie ein Verein funktioniert

Um kurz mal chronologisch zu berichten:

  • Los ging es mit der Satzungsänderung. Hier muss man die unterhaltsame und trotzdem informative Einführung von Schatzmeisterin Lena Augustin in die Funktionsweisen eines Vereins lobend hervorherben. Coole Neuerung in der Satzung: Es können Ehrenmitglieder ernannt werden. Neben Michael Hammerer, der dafür bereits im Gespräch ist, möchte ich an dieser Stelle auch Sascha Lobo vorschlagen.
  • Dann gab es Wahlen – leider ziemlich chaotisch, zum Glück sind fürs nächste Jahr geheime Wahlen geplant. Besonderes „Schmankerl“: Dennis Schmolk, die andere Hälfte dieses netten Blogs, ist zum 2. Vorstand gewählt worden.
  • Da heutzutage keine Konferenz mehr ohne Key-Note auskommt, hatten wir natürlich auch eine. Markus Kühn von FluxFM erzählte uns von Markenkraft. Mitgenommen habe ich: Einfach sein. Treu bleiben. Nachhaltigkeit im Sinne von Werteversprechen ernst nehmen. Und ansonsten nonkonform, ehrlich, konsistent sein und auf keinen Fall etwas auf Marktforschung geben.
  • Anschließend gab es eine Reihe von Workshops; ich war mit meinem zum Thema Crowdfunding nicht ganz zufrieden, aber das lag zum Teil auch daran, dass es einen kurzfristigen Referentenwechsel gab und ich schon relativ viel Vorwissen zu diesem Thema hatte.
  • Unterhaltungsprogramm gab’s auch, und zwar in Person des Poetry-Slammers Paul Gilius. Leider schlugen da dann auch bei mir, die relativ lange durchgehalten hatte, die Auswirkungen der fehlenden Klima-Anlage zu, so dass ich zu diesem Punkt eher wenig sagen kann.
Gemütliches Draußen-sitzen
Es gab tolle Sponsoren-Liegestühle 🙂
  • Zum Abschluss gab’s Gegrilltes (an dieser Stelle großes Lob ans Orga-Team, das einen extrem guten Caterer gefunden und auch sonst ziemlich gute Arbeit geleistet hat) und wer wollte, konnte noch weitergehen in Richtung Kneipe.

Leider hat sich meine Skepsis in einigen Punkten bewahrheitet: Die Zeit, um reine JVM-Themen zu besprechen, war viel zu gering kalkuliert. Zwar nahm die Änderung der Satzung (zurecht!) relativ viel Raum in Anspruch, was nicht jedes Jahr der Fall ist, doch dadurch wurde an allen anderen wichtigen Themen geknappt: den Berichten aus den Städtegruppen, dem Ausblick und den Wünschen, Fragen und Anregungen der Teilnehmer. Was vom Zeitplan her verständlich ist, aber eigentlich nicht sein darf.

Denn 1.: Wie soll ein Vorstand vernünftig arbeiten, wenn er die Wünsche der anderen Vereinsmitglieder nur aus lockeren Gesprächen in der Kaffeepause oder in der Kneipe kennt? Und 2. hat sich damit ein großer Mehrwert, den ich mir durch die Teilnahme erhofft hatte – nämlich überregionalen Einblick in die JVM-Arbeit und Infos, was in den anderen Städten läuft – in Luft aufgelöst. Netzwerken kann ich in München quasi jederzeit und Workshops besuchen auch, dafür brauche ich kein Jahrestreffen mit 6-stündiger Anfahrt.

Ich finde es wichtig, dass sich eine Organisation hinterfragt. Dass sie regelmäßig zurückblickt und resümiert, aber natürlich auch überlegt, wie sie sich in Zukunft verhalten soll. Ein Jahrestreffen ist eine gute Gelegenheit, um sich in einer großen Runde darüber auszutauschen, wer man als Verein ist und was sich die Mitglieder wünschen und erhoffen. Das stärkt außerdem das Gruppengefühl und die Verbundenheit mit dem Verein selbst. Die Veranstaltung hätte meinem Gefühl nach auch jede andere x-beliebige Branchenveranstaltung sein können: Nette Menschen, größtenteils weiblich, man plaudert ein bisschen und tauscht sich aus.

Dadurch, dass dieser besagte JVM-Teil gestrichen wurde, kam mein Gesamtbild „Unspektakulär“ zustande. Ich bin sicher, dass bei einer Ausblick- und Wünsche-Diskussion herausgekommen wäre, was die jungen Verlagsmenschen beschäftigt: Ob wir uns zum Beispiel in Junge Publishingmenschen umbenennen sollten, weil ein immer größerer Teil unserer Mitglieder gar nicht mehr in klassischen Verlagen arbeitet, ob wir zum Thema Mindestlohn bei Volontariaten Stellung nehmen wollen und sollen (ich finde: ja!), oder ob es Themen gibt, die bislang noch niemand auf dem Schirm hatte. Ob Löhne, Weiterbildungen, Arbeitszeitmodelle oder was auch immer – ein Jahrestreffen muss der Ort sein, wo man sich für die Zukunft aufstellt. Und damit auch ein Ort für Visionen. Die haben hier gefehlt.