Wie geht’s dem Nachwuchs? – Hintergründe zur neuen JVM-Umfrage

Bereits vor zwei Jahren gab es eine Umfrage, die herausfinden wollte, wie es um die Arbeitsbedingungen des Buchbranchen-Nachwuchses bestellt ist. Dennis und ich waren damals mit-verantwortlich und haben hier darüber berichtet. Da es jetzt eine neue Umfrage gibt, haben wir Tobias Mohr, der als Mitglied der AG Nachwuchsrechte im Verein Junge Verlagsmenschen die aktuelle Umfrage koordiniert, zu den Details und Hintergründen befragt.

Alles fließt: Hallo Tobias. Richtet sich die aktuelle Umfrage nur an die Brancheneinsteiger, die seit der Einführung des Mindestlohns am 1.1.2015 ihr Volo und/oder Praktikum absolviert haben?

Foto von Tobias Mohr (Fotograf: Thomas Hartmann)
Tobias Mohr (© Thomas Hartmann)

Tobias Mohr: Der Schwerpunkt liegt tatsächlich auf den Brancheneinsteigern, die seit der Einführung des Mindestlohns ihr Volontariat und/oder Praktikum absolviert haben. Wir wollen in erster Linie wissen, was der Mindestlohn verändert hat und damit eine Vergleichbarkeit zur ersten Nachwuchsumfrage von 2014/2015 herstellen. „Wie geht’s dem Nachwuchs? – Hintergründe zur neuen JVM-Umfrage“ weiterlesen

Kleiner Pressespiegel zum Themenkomplex Nachwuchsrechte

Update 17.12.2016: Es gibt nun eine Neuauflage der Umfrage (Blogartikel dazu). Bis zum 15.1. werden Daten gesammelt, wie die Situation nach dem Mindestlohngesetz ist. Ergebnisse dann in Leipzig.

Das Thema ist ja nicht ganz neu: Frustrierte Volontäre, Praktikanten und andere sind seit Jahren immer wieder kurz präsent, dann wieder weg. Schon 2013 hatten wir mal eine Blogparade gemacht. (Mein Lieblingsbeitrag kam von Steffen.)

Um dem Thema etwas mehr Nachhaltigkeit zu verleihen und es vor allem unabhängig von lauten Einzelfällen empirisch zu untersuchen, haben wir mit den Jungen Verlagsmenschen im Dezember und Januar 14/15 eine Umfrage unter dem Branchennachwuchs durchgeführt. Deren Ergebnisse wurden auf der Leipziger Buchmesse präsentiert und fanden einiges Echo. Hier ein kurzer Überblick:

Noch 10 Tage teilnehmen! JVM-Umfrage zum Nachwuchs

Wer es vor lauter Weihnachtsstress übersehen oder noch nicht geschafft hat, hat noch bis zum 31. Januar die Gelegenheit, an der Umfrage der Jungen Verlagsmenschen zu den Arbeitsbedingungen der Brancheneinsteiger teilzunehmen.

bit.ly/jvm7agn

Wenn ihr in der Buchbranche arbeitet oder gearbeitet habt, nehmt bitte teil und verbreitet die Umfrage weiter! Es ist wichtig, dass wir bei den ganzen Diskussionen um Bedingungen, Mindestlohn etc. endlich mal mit belastbaren Zahlen argumentieren können.

Sobald Ergebnisse vorliegen, berichten wir natürlich auch hier darüber.

 

photo credit: Threat to Democracy via photopin cc

Zur Situation des Branchennachwuchses: Survey der JVM

Wir hatten das Thema „Faire Behandlung des Nachwuchses“ hier ja schon öfter. Generation Praktikum, Digital-Native-Werkstudenten, unterbezahlte Volontariate. Alles nichts Neues.

Bei den Jungen Verlagsmenschen haben wir vor einiger Zeit eine kleine AG zum Thema Fairness, Brancheneinstieg und Co. gegründet. Damit wir wissen, ob wir die einzigen sind, die sich aufregen, oder ob es im Buchbranchennachwuchs allgemeinen Unmut gibt (wovon wir ausgehen), haben wir eine Umfrage gebastelt:

bit.ly/jvm7agn

Ziel der Umfrage ist, zu klären, unter welchen Bedingungen Brancheneinsteiger arbeiten. Unser Schwerpunkt liegt dabei – auch aufgrund der aktuellen Mindestlohndiskussion – auf der Situation gegenwärtiger oder ehemaliger Volontäre. Aber auch alle anderen Nachwuchskräfte sind herzlich eingeladen, ihre Erfahrungen zu schildern!

Wir freuen uns über zahlreiche Teilnahmen und Verbreitung in euren Netzwerken!

Der erste Tropfen? Nachlese einer Debatte über die Bezahlung von Volontariaten

Na sowas – da gibt’s einen (Mini-)Shitstorm in der Buchbranche und keiner kriegt’s mit. Jedenfalls nicht in der Branche – außerhalb davon gab’s Meldungen bei n-tv, Stern, 3sat, der Welt, der Berliner Morgenpost und sogar beim Spiegel. Aber keines der großen Branchenorgane greift das Thema auf und stößt eine Diskussion an. Zu einem Thema, das bekanntermaßen schon lange schwelt.

Wohlbehütete ausgebrütet? Der Nachwuchs hat Probleme. Bildquelle: grendelkhan via Wikimedia Commons

Worum geht’s?

Um das Thema Volontariatsgehalt. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hatte mit einem Gehaltsvorschlag von 500 € pro Monat für Unmut gesorgt; in der Folge gab es einen wütenden Blogbeitrag und diverse wütende Facebook-Posts, woraufhin sich die KiWi-Geschäftsleitung zu einer Erklärung gezwungen sah und das Gehalt auf „immerhin“ 1.000 € erhöhte. Dennis hat den Verlauf der Diskussion in diesem Beitrag ausführlich beschrieben.

Fazit auf den ersten Blick

Bei allen jungen Leuten, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, schlug deutlich die Begeisterung durch. Zum einen war das in Richtung „Juhu, jetzt gibt’s auch bei uns mal einen Shitstorm“ und zum anderen „Juhu, der bewirkt sogar noch was“. Das klingt im ersten Moment ziemlich sensationsgeil, ist aber für viele ein Hoffnungsschimmer, dass sich auch hier etwas tun kann. Dass es möglich ist, Leute dazu zu bewegen, ihre Meinung offen zu vertreten und zu behaupten. Und dass darauf eine angemessene Reaktion folgt, die davon zeugt, dass man ernst genommen wird. KiWi hat sich angesichts des zunehmenden Protests geradezu mustergültig verhalten, indem schnell reagiert und gehandelt wurde.

Fazit auf den zweiten Blick

Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack. 1.000 € sind immer noch alles andere als ein angemessenes Gehalt für einen Hochschulabsolventen, Ausbildung und Einarbeitung hin oder her. Wie Dennis schon richtig angemerkt hat, sollte man eher dafür Sorge tragen, Absolventen auf reguläre Stellen  zu besetzen – die verdienen nämlich genug. Es geht hier allgemein um die Wertschätzung von Mitarbeitern. Natürlich sagt das niemand offen, sondern redet lieber von hohen Kosten und der grandiosen Chance, in einem so renommierten Verlag … *gähn*. Und weil das alle so machen, wird’s auch von den Branchenmedien lieber totgeschwiegen als thematisiert.

Es wird Zeit, dass sich der Nachwuchs auf die Hinterfüße stellt und seine Rechte einfordert – vielleicht ist das, was wir erlebt haben, schon der Anfang davon.

KiWi macht sich beliebt: Volontariatsanzeige sorgt für Unmut [Update]

Auf Facebook macht seit einigen Tagen ein Blogpost vom 11.9. die Runde. Darin schildert Max Pahl, über den ich bei einer raschen Recherche leider nicht viel mehr fand, als dass er Philosophie und Germanistik studiert habe, wie es ihm bei einem Telefonat mit Kiwi erging. Er hatte dort wegen einer Stellenanzeige angerufen, die 500 Euro brutto (damit handelt es sich also um eine nicht sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle) sowie eine „Verpflegungspauschale“ anbot. Die stellte sich allerdings eher als Lachnummer heraus:

Es gebe kein Gehalt, sondern Essensmarken aus Papier, die man in umliegenden Geschäften eintauschen könne. […] Im zweiten Moment erfuhr ich den Wert der Marken: 1 Euro pro Marke und Tag! Macht nach Aussage der Dame in der Summe – warum auch immer – 22 Euro pro Monat.
Ungläubig fragte ich nach: “Der Verpflegungszuschuss beträgt 22 Euro im Monat?” – “Ja”, sagte die Dame, das sei eine freiwillige Leistung von Kiepenheuer & Witsch.

[…]

Ich bedankte mich und legte auf – FASSUNGSLOS! Fassungslos, dass andere – man selbst, die Eltern, Kreditgeber und damit wieder man selbst – die Arbeit bei Kiepenheuer & Witsch subventionieren sollen, denn nichts anderes passiert, wenn man Kiepenheuer & Witsch Vollzeit zur Verfügung steht, aber dazu noch die Differenz von Lebenskosten und Lohn aufbringen muss. Man trägt 40 Stunden zum wirtschaftlichen Erfolg von Kiepenheuer & Witsch bei, erhält aber selbst nicht so viele Stunden von ihnen ausbezahlt – es sei denn, man beziffert den Netto-Stundenlohn mit 3,26 Euro. Damit vergüten andere die Arbeit für Kiepenheuer & Witsch – so einfach ist das. (Und keiner soll mir kommen, dass man “ja was lerne und nicht richtig arbeite”!)

So ist das. Und irgendwie ist es traurig, dass man sich kaum mehr darüber aufregt, sondern einfach akzeptiert hat, dass man als Branchennachwuchs im Verlagsbereich zu den working poor gehört. Kiwi bietet in der Presse und der Online-Abteilung generell nicht mehr Geld, wie man diesen beiden Ausschreibungen entnehmen kann – nur im Lektorat bezahlt man den „inoffiziellen Branchentarif“ von 1000.-. (Im Zeitungs-Pressebereich liegt der Tarif deutlich höher.)

Unbenannt

Ebenfalls traurig, dass Kiwi ausgerechnet der Verlag ist, in dem Günter Wallraff seine Enthüllungen über Arbeitsbedingungen schildert. Spannend dagegen, welche Resonanz Max Pahls Blogpost ausgelöst hat (siehe die Kommentare dort).

 

[Update, 27.09., 17 Uhr:] Kiwi hat reagiert und eine Stellungnahme veröffentlicht, die eine gewisse Verbesserung für die untersten Lohnriegen verspricht. Auf meine Rückfrage bie Facebook wurde leider noch nicht reagiert:

Stellt ihr jemanden auch richtig ein, der kein Volontariat absolviert hat? Das wäre nämlich die logische Konsequenz. Wenn es um „reinschnuppern“ geht, dann ist ein Volo keine Ausbildung, sondern ein Orientierungsangebot; wer bereits studiert hat, braucht keine Ausbildung mehr, sondern eine Einarbeitung im Rahmen einer richtigen Stelle. Folgerichtig dürftet ihr Volos nur an Studenten vergeben, am besten in Kooperation mit den Hochschulen. Und wer einen Abschluss hat, sollte eine richtige Stelle bekommen, die zur „tragfähigen Vollexistenz“ befähigt. Oder sehe ich das falsch?

Insgesamt hat die Stellungnahme nur bedingt die Wogen geglättet. Eie erste Kommentarlese (meist von Facebook, bei Kiwi selbst kann man natürlich nicht kommentieren):

  • „- sollte man nach einem abgeschlossenem Studium nicht zumindest seinen Lebensunterhalt bestreiten können?“ (Julia Streit)
  • „Sie können nicht mehr zahlen? Es ist nicht möglich? Dann ist es mir auch nicht möglich, ihre Bücher zu kaufen. Die Ausbeutung in der Medienbranche muss aufhören! Es kann nicht sein dass man mit bei McDonalds mehr verdient als in einem renomierten Verlag.“ (Paul Wehpunkt)
  • „Paraphrasiert heißt das: „Unser Volontariat war eigentlich ein Praktikum und daher auch schlecht vergütet.“ Amüsant Erklärung. Letztendlich natürlich aber auch egal, denn rächen wird sich diese Praxis am Ende nur für KiWi selbst, wenn die wirklich fähigen Absolventen zu anderen Verlagen gehen, weil sie für €800 netto im Monat in einer Stadt wie Kön kaum über die Runden kommen.“ (Patrick Lohmeier)
  • „Und abschließend noch ein Satz dazu, dass angeblich kein Geld da wäre. KiWi gehört der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG- 2,145 Mrd€ Umsatz in 2011….“  (Malte)
  • „Hier steht nun also explizit, dass Bewerber mit abgeschlossenem Studium dem Verlag nicht mehr wert als 1000 € im Monat sind. Dafür hilft man ihnen dann, im Anschluss eine Stelle bei ANDEREN Verlagen zu finden, weil bei KiWi sowieso keine Übernahmechance besteht. Ah ja.“ (Daniel Seebacher, mein Ko-Autor und Mitgründer bei Quo Vadis Buch)
  • „Nach heftiger Kritik will der Kölner Verlag Kiepenheuer und Witsch (KiWi) das Gehalt für Volontäre in der Presse- und Online-Abteilung erhöhen. Das ursprüngliche Bruttogehalt von monatlich 500 Euro solle auf 1000 Euro verdoppelt werden.“ (3SAT)