Unspektakulär. Ganz nett, aber trotz vieler junger Leute auf einem Fleck fast gänzlich ohne Visionen. Ein Fazit des Jahrestreffens der Jungen Verlagsmenschen in Berlin.
Das war mein erstes Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen (JVM). Trotz drei Jahren Mitgliedschaft (oder schon länger?) habe ich es bis dato noch nie auf ein Jahrestreffen geschafft. Zum einen, weil ich relativ lange kein Interesse wegen nicht vorhandener Wahrnehmung der überregionalen Vereinsarbeit hatte, zum anderen, weil ich mich immer gefragt habe, ob sich eine längere Fahrt für einen Tag Jahrestreffen lohnt. (Zum Hintergrund: Mein „Heimatverein“ Amnesty International diskutiert bei seiner Jahresversammlung zwei bis drei Tage intensiv und basisdemokratisch alle wichtigen Themen durch. Daher fand ich einen Tag – zur Hälfte sowieso Workshop – inhaltlich einfach extrem knapp bemessen. Und nur zum Netzwerken brauche ich kein Jahrestreffen.) Wie dem auch sei: Die Neugier hat gesiegt.
Um kurz mal chronologisch zu berichten:
- Los ging es mit der Satzungsänderung. Hier muss man die unterhaltsame und trotzdem informative Einführung von Schatzmeisterin Lena Augustin in die Funktionsweisen eines Vereins lobend hervorherben. Coole Neuerung in der Satzung: Es können Ehrenmitglieder ernannt werden. Neben Michael Hammerer, der dafür bereits im Gespräch ist, möchte ich an dieser Stelle auch Sascha Lobo vorschlagen.
- Dann gab es Wahlen – leider ziemlich chaotisch, zum Glück sind fürs nächste Jahr geheime Wahlen geplant. Besonderes „Schmankerl“: Dennis Schmolk, die andere Hälfte dieses netten Blogs, ist zum 2. Vorstand gewählt worden.
- Da heutzutage keine Konferenz mehr ohne Key-Note auskommt, hatten wir natürlich auch eine. Markus Kühn von FluxFM erzählte uns von Markenkraft. Mitgenommen habe ich: Einfach sein. Treu bleiben. Nachhaltigkeit im Sinne von Werteversprechen ernst nehmen. Und ansonsten nonkonform, ehrlich, konsistent sein und auf keinen Fall etwas auf Marktforschung geben.
- Anschließend gab es eine Reihe von Workshops; ich war mit meinem zum Thema Crowdfunding nicht ganz zufrieden, aber das lag zum Teil auch daran, dass es einen kurzfristigen Referentenwechsel gab und ich schon relativ viel Vorwissen zu diesem Thema hatte.
- Unterhaltungsprogramm gab’s auch, und zwar in Person des Poetry-Slammers Paul Gilius. Leider schlugen da dann auch bei mir, die relativ lange durchgehalten hatte, die Auswirkungen der fehlenden Klima-Anlage zu, so dass ich zu diesem Punkt eher wenig sagen kann.
- Zum Abschluss gab’s Gegrilltes (an dieser Stelle großes Lob ans Orga-Team, das einen extrem guten Caterer gefunden und auch sonst ziemlich gute Arbeit geleistet hat) und wer wollte, konnte noch weitergehen in Richtung Kneipe.
Leider hat sich meine Skepsis in einigen Punkten bewahrheitet: Die Zeit, um reine JVM-Themen zu besprechen, war viel zu gering kalkuliert. Zwar nahm die Änderung der Satzung (zurecht!) relativ viel Raum in Anspruch, was nicht jedes Jahr der Fall ist, doch dadurch wurde an allen anderen wichtigen Themen geknappt: den Berichten aus den Städtegruppen, dem Ausblick und den Wünschen, Fragen und Anregungen der Teilnehmer. Was vom Zeitplan her verständlich ist, aber eigentlich nicht sein darf.
Denn 1.: Wie soll ein Vorstand vernünftig arbeiten, wenn er die Wünsche der anderen Vereinsmitglieder nur aus lockeren Gesprächen in der Kaffeepause oder in der Kneipe kennt? Und 2. hat sich damit ein großer Mehrwert, den ich mir durch die Teilnahme erhofft hatte – nämlich überregionalen Einblick in die JVM-Arbeit und Infos, was in den anderen Städten läuft – in Luft aufgelöst. Netzwerken kann ich in München quasi jederzeit und Workshops besuchen auch, dafür brauche ich kein Jahrestreffen mit 6-stündiger Anfahrt.
Ich finde es wichtig, dass sich eine Organisation hinterfragt. Dass sie regelmäßig zurückblickt und resümiert, aber natürlich auch überlegt, wie sie sich in Zukunft verhalten soll. Ein Jahrestreffen ist eine gute Gelegenheit, um sich in einer großen Runde darüber auszutauschen, wer man als Verein ist und was sich die Mitglieder wünschen und erhoffen. Das stärkt außerdem das Gruppengefühl und die Verbundenheit mit dem Verein selbst. Die Veranstaltung hätte meinem Gefühl nach auch jede andere x-beliebige Branchenveranstaltung sein können: Nette Menschen, größtenteils weiblich, man plaudert ein bisschen und tauscht sich aus.
Dadurch, dass dieser besagte JVM-Teil gestrichen wurde, kam mein Gesamtbild „Unspektakulär“ zustande. Ich bin sicher, dass bei einer Ausblick- und Wünsche-Diskussion herausgekommen wäre, was die jungen Verlagsmenschen beschäftigt: Ob wir uns zum Beispiel in Junge Publishingmenschen umbenennen sollten, weil ein immer größerer Teil unserer Mitglieder gar nicht mehr in klassischen Verlagen arbeitet, ob wir zum Thema Mindestlohn bei Volontariaten Stellung nehmen wollen und sollen (ich finde: ja!), oder ob es Themen gibt, die bislang noch niemand auf dem Schirm hatte. Ob Löhne, Weiterbildungen, Arbeitszeitmodelle oder was auch immer – ein Jahrestreffen muss der Ort sein, wo man sich für die Zukunft aufstellt. Und damit auch ein Ort für Visionen. Die haben hier gefehlt.