Wenn alte Männer mit Humankapital Monopoly spielen und dabei Kätzchen sterben [Adventskalender]

Man soll ja mit seinen Wünschen vorsichtig sein: bekanntermaßen könnten diese in Erfüllung gehen. Zudem – was soll man dieser Branche denn wünschen? Mehr Innovation? Den einen wird es immer zu wenig sein, den anderen zu viel. Mehr Offenheit? Da gilt dasselbe wie bei „Innovation“. Mehr Mut? Nochmals siehe „Innovation“. Also was dann?

Vor kurzem schwirrte auf Facebook eines dieser Bonmots herum, von denen die meisten eher dröge, manche wenige aber sehr treffend sind. Es ging dabei um folgenden Dialog:

CFO asks CEO: "What happens if we invest in developing our people and then they leave us?" CEO: "What happens if we don't and they stay?"

Vielleicht könnte man dies vor allem den Verlagen wünschen: den richtigen, vernünftigen, zukunftsgewandten Umgang mit dem, was man heutzutage so brutal „humanes Kapital“ nennt.

Bei Licht betrachtet: mehr haben wir nicht. Wir Verlage produzieren nichts. Das machen, im handwerklichen Sinne, andere: Setzer, Drucker, Buchbinder. Wir vertreiben nicht einmal etwas, das machen auch andere. Verlage tun nur eines: eine Auswahl treffen, das geistige Produkt anderer veredeln, die Werbetrommel dafür rühren. Da sitzt niemand an einer Werkbank, da liegt kein Kapital in Maschinen, nur in Köpfen.

Aber was für Köpfe haben wir denn? Hört man auf Konferenzen, die sich mit dem Thema Personalentwicklung auseinandersetzen, zwischen den Zeilen zu, dann scheint die Branche nur aus älteren, veränderungsunwilligen Nesthockern oder jungen, aufmüpfigen, auch nicht besonders innovativen Berufsanfängern zu bestehen, die auch noch völlig weltfremde Vorstellungen in Sachen Entlohnung haben.

„Es gibt keine schlechten Mitarbeiter. Es gibt nur schlechte Arbeitsumgebungen“. Der Satz stammt von einem Personalleiter eines großen deutschen Verlagsunternehmens und ist mithin über 20 Jahre alt. Was er damit meinte: es liegt enormes Potenzial in Mitarbeitern, aber dieses Potenzial muss eben auch fortwährend entwickelt und unterstützt werden.
Es reicht nicht, Lippenbekenntnisse über moderne Arbeitsformen, die etwa ein halbwegs normales Familienleben erlauben (zeitlich wie finanziell) zu postulieren – am Ende des Tages aber nur die vermeintlich hohen Personalkosten im Auge zu haben.
Von sich selbst organisierenden, vernetzten, aber in der Zusammensetzung heterogenen Teams zu reden, aber mit strengem Auge auf Anwesenheitszeiten zu schielen und die Menge an abgesessenen Arbeitsstunden als qualitativen Faktor zu werten.
Von Familienfreundlichkeit zu lamentieren, aber hinter vorgehaltener Hand über die Probleme zu klagen, die durch permanente Schwangerschaften entstehen – in einer Branche, die weiblicher ist als die meisten anderen.
Es reicht nicht, vom geeigneten, dringend benötigten Nachwuchs zu träumen (jedesmal, wenn jemand „Digital native“ sagt, stirbt irgendwo ein Kätzchen!), diesem aber keinen Raum und keine angemessene Vergütung zu bieten nach dem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – und sich dabei auch noch als unattraktive, rückwärtsgewandte Branche zu präsentieren.
Und es ist eine pure Verschwendung von Lebens- wie Arbeitserfahrung, wenn Mitarbeiter ab Mitte 50 wie Ballast behandelt werden, weil sie angeblich „innovationsunwillig“ (und abgesehen davon auch viel zu teuer) seien.

Natürlich: schlimmer geht immer. Aber das Schielen auf andere Branchen kann hier nicht als Entschuldigung dienen. Nicht, wenn die Menschen, die jeden Tag in dieser Branche arbeiten, das eigentliche Kern-„Asset“ (noch so ein Managersprech) sind, nichts anderes.

Natürlich gelten diese Punkte auch nicht im eigenen Unternehmen, Gott bewahre! Man ist ja modern, offen, innovativ und praktiziere dies auch an den eigenen Mitarbeitern.

Foto von Steffen MeierLieber Weihnachtsmann, wenn denn einen Wunsch, dann diesen: lass im nächsten Jahr den wohlfeilen Lippenbekenntnissen auch mal die eine oder andere Tat folgen. Danke!

Steffen Meier ist Leiter des Verlagsbereichs Online im Verlag Eugen Ulmer, Sprecher des AKEP und (Branchen)Blogger unter meier-meint.de. Seine Hashtags sind #ebooks # socialmedia #kaffeetrinken und #weltherrschaft. [Facebook], [Twitter]

Miteinander reden! [Adventskalender]

Foto von Johannes Kambylis
Fotograf: Otto Danwerth

„Die Grundlage ist das Fundament der Basis.“ Die schöne und gleich dreifache Tautologie wirkt wie eine wohltuende Bremse im Alltag: sie lässt den Zuhörer innehalten und überlegen, was eigentlich der Unterschied zwischen den Dreien sein mag, die doch das Gleiche meinen? Und ob der Satz auch andersherum funktioniert? Und was soll das?

Seit ich diesen (dem Architekten Le Corbusier zugeschriebenen) Satz zum ersten Mal hörte, warte ich auf die Gelegenheit, ihn in einer Gesprächsrunde anzubringen. Auf die Reaktionen freue ich mich schon! Wahrscheinlich herrscht dann für einen kurzen Moment Stille. Als nächstes würden die Anwesenden den Sprecher durch intensiven Blickkontakt prüfen, ob er den Verstand verloren habe. Und mit diesen beiden Momenten wäre schon das Wichtigste gewonnen: eine kurze Schleife, die uns aus der den Alltag bestimmenden Kausalkette(n) herauskatapultiert – und erst nach einem meditativen Moment wieder einreihen lässt. „I am still confused, but on a higher level!“ ließe sich dann (den Physiker Enrico Fermi zitierend) erfreut ausrufen.

Die Buchbranche handelt mit Texten, die sehr viel länger sind als bloß wenige Worte. Ein Roman wie beispielsweise „Die Liebeshandlung“ von Jeffrey Eugenides besteht aus etwa zweihunderttausend Wörtern. Umso bedeutsamer ist, dass schon ein einziger Satz so viel bewirken kann. Das sagt sehr viel über die unendlichen Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks.

In noch viel größerem Maß gilt dies für gesprochene Sprache, denn sie übermittelt weitaus mehr Informationen als „lediglich“ den Gehalt des Textes. Untersuchungen haben ergeben, dass Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Modulation, Pausen, Gestik und Mimik – um nur einige wenige Aspekte von Gesprächssituationen zu nennen – in Einzelfällen deutlich stärker über die Wirkung des Gesprochenen entscheiden als sein Inhalt. Eine sehr erhellende Lektüre zu der Art und Weise, wie Kommunikation funktioniert, liegt in den drei Taschenbüchern „Miteinander reden“ von Friedemann Schulz von Thun und – nicht zu vergessen – in der „Anleitung zum Unglücklichsein“ des legendären Paul Watzlawick.

Wenn ich mir etwas wünschen darf für die Buchbranche: Nach erholsamen Feiertagen im Kreise der Lieben (und nach inspirierender Lektüre!) starten wir ins neue Jahr mit einem frischen Blick für das Wesentliche, schauen unter die Oberfläche und interessieren uns noch etwas mehr für einander und die Motive des Anderen. Mit Missverständnissen können wir dank gewachsener Kenntnisse über die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikation gelassener umgehen und den Wert unseres eigenen Lebens (wie auch das unserer Mitmenschen) noch besser schätzen – weil wir uns über die wirklich wichtigen Dinge austauschen.

„Life is short, Break the rules, Forgive quickly, Kiss slowly, Love truly, Laugh uncontrollably, And never regret anything that made you smile!” sagt Mark Twain und im Film „The Best Exotic Marigold Hotel“ beruhigt ein Junghotelier seine wegen der täglichen Kalamitäten verzweifelnden Gäste mit dem Satz „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende!”.

Johannes Kambylis [Facebook, Xing] ist in den Wissenschaftsverlagen Meiner und Buske (Philosophie bzw. Sprachen) für Marketing, PR, Rechte und Lizenzen verantwortlich und Vorsitzender des AVP (Arbeitskreis Verlags-Pressesprecherinnen und -Pressesprecher e.V.).

Lasst die eBooks ankommen! [Adventskalender]

Theoretisch sind eBooks inzwischen in der Branche angekommen. Jetzt gilt es, dieser Publikationsform auch in der Praxis den Platz einzuräumen, den sie braucht.

Maximilian Schönherr @ Wikimedia Commons

eBooks sind in den letzten Jahren sukzessive Teil der Branchendiskussion geworden, inzwischen kann man das Thema als „angekommen“ bezeichnen. Wo man sich etliche Jahre auf den Messen noch eher partiell und vor allem visionär mit dem digitalen Lesestoff und den dazugehörigen Lesegeräten beschäftigt hat (obwohl mit ersten eBooks schon lange vorher experimentiert wurde, ich sage nur Perry Rhodan und „Rocket-eBooks“) – ist die Auseinandersetzung inzwischen alltäglich geworden. Zumindest in der Theorie. Bei den kleinen Details des Alltags sieht das aber oft noch anders aus. Dort rutschen eBooks noch täglich „unten durch“. Z.B. beim Anmeldeprozedere für Ausstellungen und Preisverleihungen. Im Anmeldeformular für die Münchner Bücherschau gibt es zwar die Teilgruppe 8, mit der auch eBooks abgedeckt werden, unter 2.2 der Ausstellungsbedingungen heißt es aber gleichzeitig, dass „bei Anmeldung eigener Standeinheiten […] mind. 10 unterschiedliche Titel auszustellen“ sind. Als potentieller Aussteller digitaler Bücher kommt man hier ins Grübeln. Muss man mindestens 10 eBooks auf einem Reader mit dabei haben? Oder muss man mindestens 10 Reader am Stand anbringen, vielleicht mit jeweils nur einem aufgespielten eBook?

Ähnlich sieht es bei den Teilnahmebedingungen vieler Preise aus, der Fokus liegt auf dem „gedruckten“ Wort, wo es doch eigentlich um den Inhalt geht:

„Verlage können sich mit bis zu zwei deutschsprachigen Romanen aus dem jeweils aktuellen oder geplanten Programm um die Auszeichnung bewerben. Es können auch Titel gemeldet werden, die zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht vorliegen. In diesem Fall wird zunächst das Manuskript eingereicht. Die Bücher müssen nachgereicht werden, sobald sie in gedruckter Form vorliegen.“

heißt es z.B. beim Deutschen Buchpreis. Von digitalen Originalausgaben keine Spur. Muss man eine solche, zumindest um sie einreichen zu können, pro Forma einmal drucken lassen?

Ich will aus solchen Teilnahmebedingungen keinen Boykottversuch von eBooks herauslesen, bewahre. Aber in den schlichten Details liegt offen, dass eBooks im Moment noch häufig lediglich als Zweit- oder Drittverwertung wahrgenommen werden. Nicht anders bei der Wikipedia. Unter den Literaturangaben ist es nicht erwünscht, eBooks anzuführen. Sie seien nicht zitierfähig. Dann doch bitte das gedruckte Buch. (Einmal ganz davon abgesehen, dass es inzwischen gerade im wissenschaftlichen Bereich genügend digitale Publikationen gibt, die technisch zitierfähig sind …).

Fakt ist, dass ein eBook natürlich eine Form der Zweitverwertung sein, aber genauso einen Text als Originalausgabe transportieren kann. Ich wünsche mir, dass eBooks im nächsten Schritt als genau das anerkannt werden: als eigenständige Publikationsform für Originalausgaben. Und wenn sich dieses Verständnis heimlich, still und leise im Kleingedruckten eingenistet hat, dann ist es angekommen, das eBook.

Sabine Hafner ist Geschichtenliebhaberin und arbeitet bei hey! publishing täglich an der Etablierung digitaler Bücher. Facebook, Xing

Mein Wunsch: Ein Jahr der buchhändlerischen Innovationen [Adventskalender]

Foto von René KohlWir Buchhändler handeln mit einem der schönsten und anspruchsvollsten Produkte, die es gibt. Die Erscheinungsformen sind vielfältig, neben den neuen Digitalisaten und den Hörbüchern, die in jüngerer Zeit dazukamen, werden auch im Printbereich von liebevollen Herstellern, innovativen Marketing-Profis und hochspezialisierten Buchdruckern und -bindern die Grenzen der Buchproduktion kontinuierlich weiter gesteckt.

Dabei üben sich die KollegInnen in den Buchverlagen traditionell an der Erweiterung ihrer Spielräume, gehen immer neue Allianzen und Kooperationen mit technischen und konzeptionellen Dienstleistern ein und kooperieren auch miteinander, tauschen ihr Wissen aus und profitieren sicherlich auch von einer höheren Fluktuation seitens der Mitarbeiter und zunehmend auch der „Quereinsteiger“ aus verwandten Medienberufen.

Bedauerlicherweise geht viel Innovationsleistung der Verlage (einschließlich der neuen Unternehmen am Markt) auf dem Weg von der Erfindung und Herstellung in den Buchhandel verloren. Es mangelt nach wie vor auf allen Ebenen an adäquaten Konzepten, Werkzeugen und an der Infrastruktur, um die neuen hochkarätigen Produkte adäquat an die Frau und den Mann zu bringen.

Es fehlt an geeigneten Beschreibungen (Metadaten), an Standards, diese schlank durch die digitalen Kommunikationskanäle zu schicken, an Möglichkeiten seitens der Buchhändler, diese Informationen käufergerecht zur Verfügung zu stellen.

Es fehlt an geeigneter multimedialer Infrastruktur in den Buchhandlungen und Webshops, um die diversen neuen Präsentations- und Empfehlungsmöglichkeiten (Volltextsuchen, Videotrailer, semantische Verschlagwortung, verwandte Titel, digitale Empfehlungen – um ein paar Stichworte zu nennen) effektiv einzusetzen.

Es fehlt an konzeptionellen, technischen und kooperativen Lösungen, um neue Produktarten (etwa Bundles oder den Verkauf digitaler Titel durch physische Repräsentanz im Laden) adäquat anbieten zu können.

Und es fehlt auch im ganz klassischen physischen Geschäft an zeitgemäßen neuen Präsentationstools, etwa Möbeln, Multimediageräten, Beleuchtung, digitalen Displays, um der fortschreitenden Entwicklung der Online-Präsentation etwas entgegenzusetzen.

Mein Wunsch für das nächste Jahr ist ein Wunsch an den Buchhandel: Lassen Sie uns das nächste Jahr zum Jahr der buchhändlerischen Innovationen erklären! Die Verlage haben vorgelegt – jetzt sind wir am Zug.

René Kohl ist gelernter Buchhändler, vertreibt in seiner Online-Buchhandlung Kohlibri gute Bücher in alle Kontinente und denkt auf www.renekohl.com über das Buchhandeln im Zeitalter der Digitalisierung nach. Er ist zu erreichen unter kohl@kohlibri.de, koh@renekohl.com[Facebook] und [Twitter].

Wie lesen Kinder Geschichten über Milchmänner? [Adventskalender]

Seit der ersten PISA-Studie (2000) herrscht in Deutschland ein hohes Bewusstsein für die Notwendigkeit, Kinder, Jugendliche und deren Eltern für das Lesen von Büchern zu begeistern und ihnen den richtigen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Bundesweite Kampagnen, in die viel Zeit und Geld investiert werden, schaffen dafür ein breites öffentliches Bewusstsein, bewirken oftmals aber nur zeitweiligen Erfolg. Ob damit tatsächlich die „Lese- und Buchfernen“ erreicht werden und sich nachhaltig begeistern lassen, bleibt ungewiss.

Mehr Chancen verspricht aus unserer Erfahrung daher eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen lokalem Buchhandel, Bibliotheken und nahe gelegenen Kindertagesstätten und Schulen, zumal in den Bildungseinrichtungen mit Gewissheit auch die „Lese- und Buchfernen“ erreicht werden. Wir erhoffen uns von der Buchbranche daher in der Zukunft langfristige, innovative und nachhaltige Projekte, die auf die lokale und regionale Infrastruktur des Buchhandels und der Bibliotheken zurückgreifen und Hand in Hand mit den örtlichen Bildungseinrichtungen sowie gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet werden.

Der Besuch einer Buchhandlung und einer Bibliothek beispielsweise kann in der engen Zusammenarbeit von Pädagoginnen/Pädagogen und Buchhändlerinnen/Buchhändlern zu einem Erlebnis werden, das nicht auf den Besuchstag begrenzt ist, sondern weit darüber hinaus Verknüpfungen schafft und Wirkung entfaltet. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten die Bedürfnisse und Möglichkeiten des jeweils anderen kennen.

Die Klassenlektüre „Ein Pferd namens Milchmann“ findet man auch in der Bibliothek/Buchhandlung. Wo könnte sie wohl stehen? Und warum steht sie dort? Gibt es dazu auch einen Film? Oder ein Hörbuch? Dürfen die Kinder diese Medien ausleihen oder kaufen? Schon wird aus dem Bibliotheks- oder Buchhandlungsbesuch eine erlebnisreiche und aktive Führung, die sich in den Kontext der Schullektüre einbettet und deutlich länger in Erinnerung bleibt – die Bibliothekarin/der Bibliothekar bzw. die Buchhändlerin/der Buchhändler muss jedoch um diesen Anknüpfungspunkt wissen, wie auch die pädagogische Fachkraft wissen muss, auf welche Fragen sie mit den Kindern zusammen mit der oder dem Buchexperten eine Antwort suchen kann.

Diese Idee ist sicherlich nicht neu und wird gewiss auch schon so praktiziert, doch dürfte dies bisher noch die Ausnahme sein. Denn ein solcher Besuch muss sowohl seitens der pädagogischen Fachkräfte als auch seitens der Buchhandlungen und Bibliotheken sorgfältig vorbereitet werden. Dazu fehlen bis heute entsprechend aufbereitete Materialien und der konkrete Austausch untereinander. Wir wünschen uns daher von der Buchbranche ein stärkeres Zugehen auf die lokalen und regionalen Bildungseinrichtungen und – das darf man an dieser Stelle natürlich nicht vergessen: auch andersherum die Bereitschaft der Bildungsinstitutionen, bei der Lese- und Medienförderung enger mit der Buchbranche vor Ort zusammenzuarbeiten. Gemeinsam und für die Bedingungen vor Ort maßgeschneidert können so lokale und regionale Lese- und Medienförderung erfolgreich verankert und die Kinder und jungen Leute für das Abenteuer Buch und Medien nachhaltig begeistert werden.

Normann Stricker engagiert sich bereits seit seinem Studium zusammen mit Stefan Salamonsberger mit der Initiative „Abenteuer Buch“ für die Lese- und Medienförderung und kann inzwischen auf über ein halbes Jahrzehnt Erfahrung mit Kinder- und Jugendprojekten rund um das Medium Buch und dem Thema (Vor-)Lesen zurückblicken, u.a. als Projektmanager bei der Stiftung Lesen. Ab 2014 wird er zusammen mit Stefan Salamonsberger und einem Team von Experten freiberuflich Projektberatung, -konzeption und -management für die Buch-, Medien- und Bildungsbranche anbieten. Zu erreichen ist das Team schon jetzt per Mail unter mail[at]abenteuerbuch.com, über Xing unter normann.stricker oder über Facebook.

Schützt die Artenvielfalt! [Adventskalender]

Vom Christkind wünsche ich mir für die Buchbranche, dass es ihr auch in Zukunft gelingt, ihre einzigartige Vielfältigkeit zu bewahren. Denn so sehr die Kinderaugen beim Anblick des neuen Fahrrads unterm Weihnachtsbaum leuchten, spätestens ab dem fünften Rad, das aus dem Geschenkpapier gepellt wird, ist die Freude nicht mehr ganz so groß. Gleiches trifft auf Bücher zu: die immer gleichen Autoren, die immer gleichen Schreibstile, die immer gleichen Themen – kurz, der hundertste Vampirroman – wären öde. Eine solche Langeweile zu verhindern, ist nur möglich, wenn es neben etablierten und Konzernverlagen auch Independents gibt, welche nicht die großen Namen verlegen, sondern Nachwuchsschriftstellern eine Chance bieten. Oder wenn Verlage nicht nur Titel zu aktuellen und leicht verkäuflichen Themen verlegen, sondern sich stattdessen oder zusätzlich Nischenthemen widmen – von der Vogelfederbestimmung bis zur Lyrik des Spätmittelalters. Diese Vielfalt lässt sich aber nur gewährleisten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört ein kompetenter und engagierter Buchhandel ebenso wie ein gerechtes und zukunftsfähiges Urheberrecht, der Fortbestand des verminderten Mehrwertsteuersatzes und der Buchpreisbindung.

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Dominique Conrad wünscht sich viel – vor allem Vielfalt

Aber der Wunsch nach einer vielfältigen Buchbranche erschöpft sich nicht in der Anzahl oder Unterschiedlichkeit der Inhalte. Viel mehr bedingt die Vielfältigkeit der Inhalte ebenfalls eine Vielzahl von Formaten, in denen sie dargestellt werden. Schließlich bekommt Opa zu Weihnachten andere Geschenke als seine 14-jährige Enkelin, weil er andere Interessen und Bedürfnisse hat. So werden diejenigen, die das Buch als Objekt schätzen, eher zu einer illustrierten Lederausgabe mit Goldschnitt greifen, während Studenten ihre Fachliteratur lieber auf einem E-Book-Reader lesen. Ganz klar ist auch, dass die Verpackung für das Fahrrad anders beschaffen sein muss als die für Opas Cognacflasche. Einen Kunstband auf dem Smartphone anzusehen, ist kein Vergnügen. Umso praktischer ist jedoch der Reiseführer als E-Book oder App. Für jedes Buch gibt es das passende Format und für manche Bücher sogar mehrere.

Also fort mit den entweder-oder-Argumenten. Vielfältig ist eine Bereicherung, unterm Weihnachtsbaum ebenso wie für die Buchbranche.

Dominique Conrad ist Redaktions- und Lektoratsmitarbeiterin, findet Social Media und die Digitalisierung spannend, liest aber gedruckte Bücher.
Twitter, XING 

Frau Mi wünscht sich ein Pony [Adventskalender]

Liebes Christkind,
ich wünsche mir zu Weihnachten…
TJA! Was kommt jetzt, fragste Dich.
Friede auf Erden? Ein Pony? Ein iPad? Oder am Ende sogar noch ein BUCH AUS PAPIER?

Mal ehrlich: Ist es so außergewöhnlich, sich das heute zu wünschen? Bücher sind offensichtlich immer noch beliebt. Es gibt schließlich nicht umsonst Seitenumblättergeräusch-Apps oder Parfums mit Bücherduft. In Wirklichkeit stehen die Menschen nämlich auf Retro-Zeug. Sieht man ja auch daran, dass alles wieder kommt. Schlaghosen, Schallplatten, und Twix heißt plötzlich wieder Raider.
In meinem Herzen bin ich eine „analoge“ Buchhändlerin und werde es immer bleiben. Da gab es Weihnachtsgeschäfte – gerade mal vier Jahre her – in denen der Teppich unserer Buchhandlung nicht mehr zu sehen war. So viele Kunden strömten herein, kauften und kauften… im Elektrofachgeschäft gegenüber herrschte längst gähnende Leere, da standen sie bei uns noch Schlange an der Kasse und ließen sich Bücher als Geschenk verpacken.

Natürlich fragten die Leute zunehmend nach eReadern und wie das „funktioniert mit diesem eBooks online kaufen und runterladen“. Große Erfahrung hatten wir damals noch nicht, aber wir waren interessiert und haben gerne dazugelernt, um unsere Kunden kompetent beraten zu können. An einigen Kollegen ist das „kleine e“ sofort hängen geblieben. An anderen nicht. Ich gehörte wohl zur zweiten Gruppe.

Und obwohl ich mittlerweile im Vertrieb eines Fachbuchverlags tätig bin, steht für mich immer noch das gedruckte Buch im Mittelpunkt.

Aber stell Dir vor, Christkind: Ich wünsche mir kein Buch. Denn Bücher gehörten schon immer zu den Dingen, die ich nicht geschenkt haben, sondern mir selbst kaufen möchte.

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Frau Mi mag Bücher.

Ich wünsche mir, dass im Zeitalter des Web… ähm, des wievielten mittlerweile? Web 5.0? Also, dass Print und e trotz fortschreitender Digitalisierung noch ein paar Jahre friedlich weiter nebeneinander existieren können und dürfen, und dass es noch ein ganzes Weilchen dauert, bis A****n die Weltherrschaft übernommen hat.

Damit wir alle noch einen Grund haben, unsere Augen von Bildschirmen und Displays abzuwenden, uns in dieses „Draußen“ aufzumachen, eine echte Buchhandlung von innen zu sehen, echten Bücherduft zu schnuppern.

eBooks gehören längst zum Alltag. Doch bringt so ein wohlbestücktes Bücherregal nicht auch ein Quäntchen Behaglichkeit in unser Zuhause?
Da fällt mir ein, ich bräuchte dringend ein neues Bücherregal, die anderen sind alle voll. Kannst Du das bitte noch mit erledigen, Christkind? Danke!

Und außerdem wünsche ich mir: EIN PONY!!!!!

Deine Frau Mi

Frau Mi ist Hobbyprokrastinant, equiphil. Trägt manchmal Katzenohren.
Papiermögender Verlagsmensch, trotzdem auch ab und zu in digitalen Welten
unterwegs:
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Traditionell, digitalisiert, transmedial? Ein halber Advent und seine Erkenntnisse [Halbadventskalender]

Obwohl wir „nur“ einen halben Adventskalender hatten, ist dieser bei unseren Lesern gut angekommen. Wir möchten ganz herzlich allen danken, die sich (teils sehr kurzfristig) die Zeit genommen haben, eine Antwort auf unsere Frage, wie wir 2022 Weihnachten feiern, zu verfassen – der Facettenreichtum der Beiträge dürfte für sich sprechen.

Interessant war, dass ein Teil unserer Gast-Autoren grundlegende Änderungen vorausgesagt, während sich der andere Teil von möglichen technischen Entwicklungen eher unbeeindruckt gezeigt hat. Außerdem stellen wir fest, dass eigentlich niemand Weihnachten in irgendeiner Form abschaffen wollte – überall standen Familie und Freunde im Vordergrund.

Wir wünschen in diesem Sinne ein frohes Weihnachtsfest!

Hanna und Dennis

Weihnachten 2022 – die überleben wollen! [Halbadventskalender]

Vielen Dank an Steffen Meier, Leitung Verlagsbereich Online beim Ulmer Verlag, für die Antwort auf unsere Halbadventskalenderfrage!

Die feine Ironie des Titels erschließt sich vermutlich eher den Senioren unter den Lesern dieses Blogbeitrags. Für die Nachgeborenen: es handelt sich um eine Anspielung auf den Film „Soylent Green“, auf deutsch eben „Jahr 2022 … die überleben wollen„. Eher eine Dystopie von Regisseur Richard Fleischer mit dem damals omnipotenten Charlton Heston in der Hauptrolle.

Quelle: Wikipedia

Aus der Sicht des Jahres 1973, in dem der Film gedreht wurde, eine potentiell durchaus denkbare Zukunft, in der industrieller Kannibalismus betrieben wird, um Hungersnöte zu vermeiden. Wir Gegenwärtigen, die wir viel näher an diesem Datum leben, empfinden eher amüsiertes Gruseln – undenkbar, dass so etwas in einem zivilisierten Staat in 10 Jahren passieren könnte. Und da kommen wir eben auch zu den prognostischen Problemen, auf die schon Matthias Horx, seines Zeichens Trendforscher, hingewiesen hat: „Wir können uns die Zukunft immer nur als Apokalypse, Konsumhölle oder absurden Comic-Strip vorstellen. Wenn wir aber einmal dort sind, wird sie sich als ganz normaler Ort zum Lieben, Heiraten, Autofahren und Kinderkriegen erweisen.“

Jetzt stellt sich der Schreiber dieser Zeilen natürlich kopfkratzend die Frage, wie er denn elegant den Bogen vom Kannibalismus zum Weihnachtsfest hinbekomme? Am besten durch Ignoranz des vorher Geschriebenen („Was gehen mich meine dummen Worte zwei Absätze weiter oben an?“) und den direkten Sprung zu Horx: Auch Weihnachten 2022 wird ein ganz normaler Ort zum Feiern, Trinken, Beschenken und Familienstreiten sein. Das liegt aber immanent in solchen traditionsbeladenen Festivitäten verankert – wir wollen ja gar nicht Veränderung im Ruheraum Weihnachten, wir brauchen diesen Fixpunkt mit Bezug meist zur eigenen Kindheit.

Ob wir entfernte Verwandte per Fernsehvideofonie belämmern, den einen oder anderen E-Book-Gutschein verschenken oder gar eines der neuen, rollbaren Smartphones, ob wir inzwischen erste Geschenke dem hauseigenen 3D-Drucker entlocken – es wird am Kern des Weihnachtsfestes wenig ändern, es vielleicht in der medial durchdrungenen Alltagshektik zum überlebensnotwendigen Panic Room der Ruhe machen.

Abseits des Weihnachtsfestes wird es aber mit Sicherheit zu Veränderungen kommen, die fortschreitende Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt wird alltäglich sein, Datenbrillen und Digitale Identitäten werden uns beschäftigen, der Schutz unseres digitalen Selbst versus durch Post Privacy erreichbare Mehrwerte bestimmt die Diskussionen. Die Welt wird weitgehend endgültig zum digitalen Dorf – mit allen Nachteilen, die eine Dorfkultur so mit sich bringt. Unsere Loyalitäten verschieben sich hin zu globalen Tribes, weniger zum regionalen Raum, in den wir hineingeboren wurden. Mit Sicherheit wird aber die Wissenschaft weder die Mechanik eines Warpantriebs noch das Geheimnis der sockenfressenden Waschmaschinen geklärt haben (das geschieht erst zehn Jahre später und hat mit schwarzen Miniatur-Löchern und der Entdeckung eines von intelligenten Socken bewohnten Paralleluniversums zu tun).

Insofern wird zumindest Weihnachten 2022 so bleiben wie wir es gewohnt sind – außer, uns fällt doch noch der Himmel auf den Kopf. Oder die Vogonen bauen ihre Umgehungsstraße …

Ich wünsche mir seit Jahren, wenn meine Mutter mich nach meinen Weihnachtswünschen fragt, immer dasselbe: „Ruhe und Frieden“. Das wünsche ich den Lesern dieser Zeilen natürlich auch.

Heiligabend im Jahr 2022 [Halbadventskalender]

Wir danken Charlotte Reimann, Lektorin bei KOSMOS, herzlich für ihre Teilnahme an unserem halben Adventskalender.

Der Weihnachtsbaum erstrahlt im Licht der roten Wachskerzen. Kleine Engelchen schaukeln an den Tannenzweigen, dazwischen glänzt Lametta. Die Kinder stürzen sich auf die Geschenke. Jasper packt eine besonders schön gestaltete Ausgabe von Jim Knopf aus und freut sich über die dicke Emma, die so laute Lokomotivgeräusche von sich gibt, dass sie mühelos meine alte Weihnachtsplatte übertönt. Mia ist in den neuen Kinderbuchbestseller vertieft, in dem sie selbst die Hauptrolle spielt. Als Avatar hat sie sich – wie ihre beste Freundin – ein Einhorn ausgesucht. „Super!“, freut sie sich. „Jetzt können Anna und ich endlich zusammen in die Einhornschule gehen!“

Zufrieden betrachte ich die spielenden und lesenden Kinder. Die Tage vor Weihnachten waren wie immer megastressig. Die tollsten Geschenke entdeckt man einfach bei den Special Sales in der Innenstadt. Aber kurz vor Heiligabend sind natürlich ALLE unterwegs, um sich für individuelle Überraschungen inspirieren zu lassen. Von den Kindern bekomme ich eine selbsterfundene Geschichte, mit Zeichnungen von Jasper und lustigen Fotos von Mia. Mein Mann überreicht mir eine Riesenschachtel Pralinen – mit einem Abo für die neue E-Book-Staffel meiner Lieblingskrimiserie „Bittersweet“. Jetzt ist Weihnachten perfekt!

So oder ähnlich könnte es 2022 unterm Weihnachtsbaum aussehen. Dem aufmerksamen Leser dürfte es nicht entgangen sein, dass ich mich elegant um die genaue Medienbeschreibung herumgeschummelt habe. Tatsächlich denke ich, dass sich an den Inhalten nicht so viel ändern wird wie an der Form. Und selbst hier werden wir an liebgewonnen Bräuchen festhalten, denn mal ehrlich: Was ist unsinniger als ein echter Tannenbaum im Zimmer (und das schon seit mehr als zehn Jahren)?