Miteinander reden! [Adventskalender]

Foto von Johannes Kambylis
Fotograf: Otto Danwerth

„Die Grundlage ist das Fundament der Basis.“ Die schöne und gleich dreifache Tautologie wirkt wie eine wohltuende Bremse im Alltag: sie lässt den Zuhörer innehalten und überlegen, was eigentlich der Unterschied zwischen den Dreien sein mag, die doch das Gleiche meinen? Und ob der Satz auch andersherum funktioniert? Und was soll das?

Seit ich diesen (dem Architekten Le Corbusier zugeschriebenen) Satz zum ersten Mal hörte, warte ich auf die Gelegenheit, ihn in einer Gesprächsrunde anzubringen. Auf die Reaktionen freue ich mich schon! Wahrscheinlich herrscht dann für einen kurzen Moment Stille. Als nächstes würden die Anwesenden den Sprecher durch intensiven Blickkontakt prüfen, ob er den Verstand verloren habe. Und mit diesen beiden Momenten wäre schon das Wichtigste gewonnen: eine kurze Schleife, die uns aus der den Alltag bestimmenden Kausalkette(n) herauskatapultiert – und erst nach einem meditativen Moment wieder einreihen lässt. „I am still confused, but on a higher level!“ ließe sich dann (den Physiker Enrico Fermi zitierend) erfreut ausrufen.

Die Buchbranche handelt mit Texten, die sehr viel länger sind als bloß wenige Worte. Ein Roman wie beispielsweise „Die Liebeshandlung“ von Jeffrey Eugenides besteht aus etwa zweihunderttausend Wörtern. Umso bedeutsamer ist, dass schon ein einziger Satz so viel bewirken kann. Das sagt sehr viel über die unendlichen Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks.

In noch viel größerem Maß gilt dies für gesprochene Sprache, denn sie übermittelt weitaus mehr Informationen als „lediglich“ den Gehalt des Textes. Untersuchungen haben ergeben, dass Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Modulation, Pausen, Gestik und Mimik – um nur einige wenige Aspekte von Gesprächssituationen zu nennen – in Einzelfällen deutlich stärker über die Wirkung des Gesprochenen entscheiden als sein Inhalt. Eine sehr erhellende Lektüre zu der Art und Weise, wie Kommunikation funktioniert, liegt in den drei Taschenbüchern „Miteinander reden“ von Friedemann Schulz von Thun und – nicht zu vergessen – in der „Anleitung zum Unglücklichsein“ des legendären Paul Watzlawick.

Wenn ich mir etwas wünschen darf für die Buchbranche: Nach erholsamen Feiertagen im Kreise der Lieben (und nach inspirierender Lektüre!) starten wir ins neue Jahr mit einem frischen Blick für das Wesentliche, schauen unter die Oberfläche und interessieren uns noch etwas mehr für einander und die Motive des Anderen. Mit Missverständnissen können wir dank gewachsener Kenntnisse über die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikation gelassener umgehen und den Wert unseres eigenen Lebens (wie auch das unserer Mitmenschen) noch besser schätzen – weil wir uns über die wirklich wichtigen Dinge austauschen.

„Life is short, Break the rules, Forgive quickly, Kiss slowly, Love truly, Laugh uncontrollably, And never regret anything that made you smile!” sagt Mark Twain und im Film „The Best Exotic Marigold Hotel“ beruhigt ein Junghotelier seine wegen der täglichen Kalamitäten verzweifelnden Gäste mit dem Satz „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende!”.

Johannes Kambylis [Facebook, Xing] ist in den Wissenschaftsverlagen Meiner und Buske (Philosophie bzw. Sprachen) für Marketing, PR, Rechte und Lizenzen verantwortlich und Vorsitzender des AVP (Arbeitskreis Verlags-Pressesprecherinnen und -Pressesprecher e.V.).

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