Im Detail [Adventskalender]

„Vielen Dank für Ihre Bewerbung! Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir nur Bewerber in Betracht ziehen konnten, die im Detail unseren Anforderungen entsprachen.“ I-M D-E-T-A-I-L? Aha. Ich bin Anfang 30, ausgebildeter Verlagskaufmann und habe vor etwas über zwei Jahren zudem einen (fast sehr) guten Abschluss in Buchwissenschaft erlangt. Während des Studiums habe ich fünf Jahre in einem kleinen, auf eine bestimmte Art von Sachbüchern spezialisierten Verlag gearbeitet und bin danach durch eine Initiativbewerbung bei einem ebensolchen Konkurrenzverlag gelandet. Eine schöne Sache, nach dem Studium durch die gesammelte Berufserfahrung übergangslos einen festen und unbefristeten Job zu bekommen. Und das in der bevorzugten Region. Perfekt! Das war es, jetzt ist es das nicht mehr. Ich und die Menschen dort passen nicht so gut zusammen wie erhofft. Und ich würde mich gern weiterentwickeln, mehr Aspekte der Buchbranche kennenlernen. ABER: Ich habe das Gefühl, dass ich aus meiner Sachbuchecke nicht rauskomme. Bewerbungen als Sachbuchlektor/Produktmanager in thematisch anders orientierten Sachbuchverlagen, als Texter, Redakteur, Assistent der Geschäftsführung, auch für Stellen in Werbung, Marketing und PR … Bis jetzt nichts. Am Anfang ein paar Gespräche, bei einem Job die Nummer 2 auf der Liste. Aber es ist eben so, dass immer nur die Nummer 1 ein Angebot bekommt. Liegt es an mir? Bewerbungsunterlagen von Fachleuten gecheckt, Anforderungen in den Anzeigen meist zu 70–90 % erfüllt (Soll man es nicht sogar schon bei 60 % versuchen?), sehr gut ausgebildet (s.o.), vielfältige Erfahrungen (auch im Ausland), zwei Fremdsprachen (z.Zt. Auffrischung), E-Book-Erfahrung … der ganze aktuell zu leistende – Pardon! – Scheiß, um ein guter Bewerber zu sein. Andererseits: Örtlich nicht mehr so flexibel. Wohnung, Frau mit eigenem Job, Familienplanung. Da mag ich nicht mehr groß durch Deutschland ziehen. Mein Fehler? Bin ich zu teuer? Mein derzeitiges Gehalt ist noch das des Einstiegs von vor zwei Jahren. Okay zu Beginn. Mit der gewonnenen Erfahrung würde ich mich gern steigern. Ich muss Miete in einer Großstadt zahlen, und apropos Familienplanung… Oder ist es nach zwei Jahren schon Zeit für eine Weiterbildung, ein Abendstudium, einen zusätzlichen Master. Ja, prinzipiell gern. Aber die Kosten bei dem Gehalt? Jaja, und ich weiß: Die Verlage kriegen sooo viele Bewerbungen. Der Markt ist klein und die Buchmenschen werden immer mehr (auch ein Fluch der Studiengänge?). Und dann sieht man auch noch im Börsenblatt, wer den Job letztendlich bekommen hat. Ein Social Media-Mensch wird Sachbuchlektor? Aha. Das Gute ist: Ich hatte mehrere Vorstellungsgespräche in einer anderen Branche aufgrund des Themas meiner Sachbücher. Und gestern kam ein neues Angebot hinzu. Das könnte passen. Dann glaube ich, dass ich Dich verlasse, liebe Buchbranche. Auch wenn es weh tut. Und wenn es nicht klappt: Ich bin immerhin Buchmensch und verlasse mich auf Ratgeberliteratur: Selfbranding, Guerilla-Bewerbungen … sowas. Ansonsten bleibt mir noch die New Age-Philosophie: Ich bestell den Job beim Universum und irgendwann wird er zu mir kommen. Mein Wunsch an die Buchbranche? Versuch mich zu halten! Aber wenn nicht, dann eben nicht.

Der Autor möchte seinen Namen hier nicht lesen, ist Dennis und Hanna aber bekannt.

Weniger Schafe, mehr Liebe! [Adventskalender]

Wir danken Andy Artmann für seinen Adventskalender-Beitrag zum Internationalen Tag der Menschenrechte:

Hinter dieser Adventskalendertür finden sich Menschen: 2013 durfte ich so viele tolle Menschen treffen und sprechen. Uli Lang, ein leider schon verstorbener Kollege aus einer Stadt, deren Namen wir Kölner nicht aussprechen (D’dorf), sagte mir einmal: „Denk an die Demut“.

Demut? Mein Dankeschön dieses Jahr richtet sich an all die Kollegen, die es deutlich schlechter haben als wir. NSA hin, Verfassungsschutz her. Wir haben Arbeitsverdichtung. In vielen Ländern der Welt gibt es Arbeitsvernichtung. In einigen Staaten geht es sogar ums pure Überleben: Reporter ohne Grenzen e. V. zählt dieses Jahr 57 getötete JournalistenInnen und 34 getötete BloggerInnen. Über 350 KollegenInnen sind während ihr diese Zeilen lest im Gefängnis. Bei Pen lese ich, dass eine 50jährige Dichterin in Haft ist. Eine Dichterin im chinesischen Kerker? Hallo? Liu Xia wird immer wieder inhaftiert und steht unter Hausarrest aus Liebe zu Ihrem Mann und mein Kollege Andreas Lorenz berichtet aus Peking darüber.
Wer helfen möchte kann einfach Liu Xia auf Twitter folgen und damit ein kleines Zeichen setzen.

Screenshot der iPad-App Reporter ohne Grenzen von TDSoftware GmbHDemut? Die überkommt mich, wenn ich an den älteren Rollstuhlfahrer denke, der zu einer aus China stammenden Mitarbeiterin der Frankfurt Bookfair sagte: „Die einzige Veranstaltung für Informationsfreiheit auf der Buchmesse und es sind weniger Menschen da als bei Shaun das Schaf.“ So grausam kann die Wahrheit sein. Denn gerade präsentierte Art Director Gaudenz Bock und die weiteren Sponsoren, TDSoftware und die MarkStein Software, die Kiosk-App von Reporter ohne Grenzen. Gaudenz Bock gestaltete wochenlang auf eigene Kosten den digitalen Bildband „Fotos für die Informationsfreiheit 2013„. Der Reinerlös der Fotobuch-App fließt an die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen. Die Fotoserien und Texte, zum Beispiel aus der verborgenen Welt saudi-arabischer Frauen, sind sensationell.

Mein demütiger Weihnachtswunsch wäre, dass sich möglichst viele KollegenInnen die App runter laden und diese weiterempfehlen. Mein Weihnachtswunsch wäre, dass niemand Furcht um sein Leben und seine Gesundheit mehr haben muss – nur weil er eine Meinung hat. Mein Weihnachtswunsch wäre, dass Frau Liu Xia ihren Mann bald in Liebe umarmen kann.

Ohne jede Demut – voller Wut, wünsche ich mir – weniger „Schafe“ und mehr Liebe und Gerechtigkeit.

Andreas "Andy" Artmann. (c) privat.Andreas (Andy) Artmann ist Art Director, Dozent, Publizist, Begleiter des digitalen Wandels bei diversen großen Verlagen, engagiert sich für Pressefreiheit, Menschenrechte und eBooks. Facebook, Xing, Twitter.

Magische Orte, magische Geschichten [Adventskalender]

Liebes Buchbranchenchristkind!

Auch wenn ich in diesem Jahr nicht immer brav zu Dir war und manchmal sogar recht garstig über Dich geredet habe, möchte ich dennoch den einen oder anderen Wunsch loswerden.
Rienksz-boekwinkelDu hast eine lange Tradition im Finden und Verkaufen von Geschichten. Und dann kommt auf einmal dieses böse digitale Dingsda und statt Dich auf Deine Wurzeln zu besinnen und mit diesen Werten in eine neue Zeit zu marschieren, verbarrikadierst Du Dich hinter Bergen von Papier. Egal wie digital die neue Welt da draußen erscheint: Sie ist immer noch aus Menschen gemacht, die gute Geschichten lieben!

Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Du und die Buchbranche mehr zu passionierten Geschichtenerzählern in eigener Sache werden und ihr euch dem Erzählkosmos öffnet, der nur darauf wartet, erforscht und mit neuen Geschichten besiedelt zu werden. Du bist auch nicht mehr ganz allein da draußen. Unzählige begeisterte Leser und mutige Geschichtenerzähler haben Dir und der Buchbranche bereits den Weg in die Zukunft der Geschichten bereitet und warten nur darauf, dass ihr die Einladung annehmt. Ich bin mir sicher, dass ihr euch eine Menge zu erzählen haben werdet. Ihr solltet unbedingt reden!
Barefoot Books, Concord MALiebes Buchbranchenchristkind. Ich mache mir allerdings große Sorgen um den stationären Buchhandel. Ich will ja nicht gleich die drei Geister der Weihnacht auf den Plan rufen, aber Durchhalteparolen und Lippenbekenntnisse werden den Handel nicht retten. Ich wünsche mir, dass Buchhandlungen auch in Zukunft die magischen Orte sind, an denen ich Geschichten aufstöbern kann. Ganz gleich, ob ich sie als eBook oder hochwertigen Einband lesen werde.

Amos (Alexander Maximilian Otto Serrano) erzählt mit soma-labs Geschichten, konzipiert transmediale Kampagnen und liebt gute Bücher. Facebook, Xing

Lasst uns an den Gegnern wachsen! [Adventskalender]

In der Zeit, die ich nun in der Buchbranche arbeite, war (und ist) ein Thema kaum zu übersehen. Ich bin nun kein Fan von Amazon, ich schwanke zwischen Unmut gegen eine große, unüberwindbare Marktmacht, die Preise diktieren kann und Arbeitsbedingungen schafft, in denen ich nicht arbeiten könnte. Wollte. Für die andere aber wohl dankbar sind. Auf der anderen Seite sind Bewunderung und Neugier durchaus auch dabei. Amazon ist ein Phänomen, gewachsen, ohne Gewinne, zielstrebig, kundenorientiert, innovativ. Amerikanisch. Ich bin ehrlich gespannt, was sich Amazon als nächstes ausdenkt.

Ich sehe die Schwierigkeit darin, einen so übermächtigen Gegner zu haben wie Amazon. Ich finde es aber schade, wenn so viel Zeit darauf verloren geht, sich mit diesem Gegner zu messen, zu vergleichen, zu jammern, manchmal ziemlich selbstgerecht, wie unfair doch alles ist, wie böse Amazon.

digitaliseren

Wenn Dennis mich also fragt, was ich mir wünsche bezüglich der Buchbranche, wäre es Folgendes:

Ich wünsche mir, dass die Buchbranche einen Weg findet, an Gegnern wie Amazon zu wachsen, sich inspirieren zu lassen, zu agieren statt zu reagieren. Ich wünsche mir, dass die Buchbranche ihren großen Vorteil nutzt, nämlich dass sie, im Verhältnis gesehen, klein ist und sehr eng verbunden mit ihrem Produkt. Eine Branche, in der jeder jeden kennt, real oder virtuell, in der das fast keine Rolle spielt, weil man sich vernetzt, sich auf Branchenevents sieht oder sich im Nachhinein austauscht. Und eine Branche, in der so viele Ideen sprudeln. Projekte wie LOG.OS, sobooks, NextBookStop, flipintu – und das sind jetzt nur die, die mir auf Anhieb einfallen – und besondere Buchhandlungen wie die Münchner glatteis Krimibuchhandlung, Isarflimmern oder ocelot in Berlin, das ich nur aus dem Web kenne, aber zu dem ich unbedingt mal hin will. Das Buch hat Zukunft, ob gedruckt oder digital oder Enhanced oder als App, E-Book oder im Browser, ich bin fest davon überzeugt.

wsm3-kleinIch wünsche mir aber auch, dass in dieser Branche Raum ist für großartige Mitarbeiter, die kommen und leider manchmal schon wieder gegangen sind, mit einer Bücherleidenschaft und mit Ideen, mit einem Gefühl für Digitales, Soziales, Mobiles. Ich wollte zuerst „Nachwuchs“ schreiben, weil ich mich noch dazu zähle und er mir wichtig ist, besonders, weil es in der Buchbranche nicht gerade leicht ist, Fuß zu fassen. Im Grunde meine ich aber nicht unbedingt jungen Nachwuchs, sondern alle, die in dieser Branche arbeiten wollen. Ich wünsche mir, dass Raum da ist, sich entfalten zu können und kreativ zu sein, denn ich bin überzeugt, dass das der beste Nährboden ist, um Ideen wie die obigen zu generieren.

Ob das naiv ist? Vielleicht. Wahrscheinlich. Wie so viele Wünsche. Trotzdem bin ich im Herzen eine Optimistin, und das gerne.

Sarah Söhlemann vermarktet Seminare zu Digitalthemen und begeistert sich privat wie beruflich für alles, was mit (E-)Publishing und Social Media zu tun hat. Bücher liest sie geliehen und gekauft, print und digital, Magazine und Zeitschriften dagegen lieber digital und gerne als App statt im Browser. Twitter, Xing

Wenn alte Männer mit Humankapital Monopoly spielen und dabei Kätzchen sterben [Adventskalender]

Man soll ja mit seinen Wünschen vorsichtig sein: bekanntermaßen könnten diese in Erfüllung gehen. Zudem – was soll man dieser Branche denn wünschen? Mehr Innovation? Den einen wird es immer zu wenig sein, den anderen zu viel. Mehr Offenheit? Da gilt dasselbe wie bei „Innovation“. Mehr Mut? Nochmals siehe „Innovation“. Also was dann?

Vor kurzem schwirrte auf Facebook eines dieser Bonmots herum, von denen die meisten eher dröge, manche wenige aber sehr treffend sind. Es ging dabei um folgenden Dialog:

CFO asks CEO: "What happens if we invest in developing our people and then they leave us?" CEO: "What happens if we don't and they stay?"

Vielleicht könnte man dies vor allem den Verlagen wünschen: den richtigen, vernünftigen, zukunftsgewandten Umgang mit dem, was man heutzutage so brutal „humanes Kapital“ nennt.

Bei Licht betrachtet: mehr haben wir nicht. Wir Verlage produzieren nichts. Das machen, im handwerklichen Sinne, andere: Setzer, Drucker, Buchbinder. Wir vertreiben nicht einmal etwas, das machen auch andere. Verlage tun nur eines: eine Auswahl treffen, das geistige Produkt anderer veredeln, die Werbetrommel dafür rühren. Da sitzt niemand an einer Werkbank, da liegt kein Kapital in Maschinen, nur in Köpfen.

Aber was für Köpfe haben wir denn? Hört man auf Konferenzen, die sich mit dem Thema Personalentwicklung auseinandersetzen, zwischen den Zeilen zu, dann scheint die Branche nur aus älteren, veränderungsunwilligen Nesthockern oder jungen, aufmüpfigen, auch nicht besonders innovativen Berufsanfängern zu bestehen, die auch noch völlig weltfremde Vorstellungen in Sachen Entlohnung haben.

„Es gibt keine schlechten Mitarbeiter. Es gibt nur schlechte Arbeitsumgebungen“. Der Satz stammt von einem Personalleiter eines großen deutschen Verlagsunternehmens und ist mithin über 20 Jahre alt. Was er damit meinte: es liegt enormes Potenzial in Mitarbeitern, aber dieses Potenzial muss eben auch fortwährend entwickelt und unterstützt werden.
Es reicht nicht, Lippenbekenntnisse über moderne Arbeitsformen, die etwa ein halbwegs normales Familienleben erlauben (zeitlich wie finanziell) zu postulieren – am Ende des Tages aber nur die vermeintlich hohen Personalkosten im Auge zu haben.
Von sich selbst organisierenden, vernetzten, aber in der Zusammensetzung heterogenen Teams zu reden, aber mit strengem Auge auf Anwesenheitszeiten zu schielen und die Menge an abgesessenen Arbeitsstunden als qualitativen Faktor zu werten.
Von Familienfreundlichkeit zu lamentieren, aber hinter vorgehaltener Hand über die Probleme zu klagen, die durch permanente Schwangerschaften entstehen – in einer Branche, die weiblicher ist als die meisten anderen.
Es reicht nicht, vom geeigneten, dringend benötigten Nachwuchs zu träumen (jedesmal, wenn jemand „Digital native“ sagt, stirbt irgendwo ein Kätzchen!), diesem aber keinen Raum und keine angemessene Vergütung zu bieten nach dem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – und sich dabei auch noch als unattraktive, rückwärtsgewandte Branche zu präsentieren.
Und es ist eine pure Verschwendung von Lebens- wie Arbeitserfahrung, wenn Mitarbeiter ab Mitte 50 wie Ballast behandelt werden, weil sie angeblich „innovationsunwillig“ (und abgesehen davon auch viel zu teuer) seien.

Natürlich: schlimmer geht immer. Aber das Schielen auf andere Branchen kann hier nicht als Entschuldigung dienen. Nicht, wenn die Menschen, die jeden Tag in dieser Branche arbeiten, das eigentliche Kern-„Asset“ (noch so ein Managersprech) sind, nichts anderes.

Natürlich gelten diese Punkte auch nicht im eigenen Unternehmen, Gott bewahre! Man ist ja modern, offen, innovativ und praktiziere dies auch an den eigenen Mitarbeitern.

Foto von Steffen MeierLieber Weihnachtsmann, wenn denn einen Wunsch, dann diesen: lass im nächsten Jahr den wohlfeilen Lippenbekenntnissen auch mal die eine oder andere Tat folgen. Danke!

Steffen Meier ist Leiter des Verlagsbereichs Online im Verlag Eugen Ulmer, Sprecher des AKEP und (Branchen)Blogger unter meier-meint.de. Seine Hashtags sind #ebooks # socialmedia #kaffeetrinken und #weltherrschaft. [Facebook], [Twitter]

Miteinander reden! [Adventskalender]

Foto von Johannes Kambylis
Fotograf: Otto Danwerth

„Die Grundlage ist das Fundament der Basis.“ Die schöne und gleich dreifache Tautologie wirkt wie eine wohltuende Bremse im Alltag: sie lässt den Zuhörer innehalten und überlegen, was eigentlich der Unterschied zwischen den Dreien sein mag, die doch das Gleiche meinen? Und ob der Satz auch andersherum funktioniert? Und was soll das?

Seit ich diesen (dem Architekten Le Corbusier zugeschriebenen) Satz zum ersten Mal hörte, warte ich auf die Gelegenheit, ihn in einer Gesprächsrunde anzubringen. Auf die Reaktionen freue ich mich schon! Wahrscheinlich herrscht dann für einen kurzen Moment Stille. Als nächstes würden die Anwesenden den Sprecher durch intensiven Blickkontakt prüfen, ob er den Verstand verloren habe. Und mit diesen beiden Momenten wäre schon das Wichtigste gewonnen: eine kurze Schleife, die uns aus der den Alltag bestimmenden Kausalkette(n) herauskatapultiert – und erst nach einem meditativen Moment wieder einreihen lässt. „I am still confused, but on a higher level!“ ließe sich dann (den Physiker Enrico Fermi zitierend) erfreut ausrufen.

Die Buchbranche handelt mit Texten, die sehr viel länger sind als bloß wenige Worte. Ein Roman wie beispielsweise „Die Liebeshandlung“ von Jeffrey Eugenides besteht aus etwa zweihunderttausend Wörtern. Umso bedeutsamer ist, dass schon ein einziger Satz so viel bewirken kann. Das sagt sehr viel über die unendlichen Möglichkeiten sprachlichen Ausdrucks.

In noch viel größerem Maß gilt dies für gesprochene Sprache, denn sie übermittelt weitaus mehr Informationen als „lediglich“ den Gehalt des Textes. Untersuchungen haben ergeben, dass Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Modulation, Pausen, Gestik und Mimik – um nur einige wenige Aspekte von Gesprächssituationen zu nennen – in Einzelfällen deutlich stärker über die Wirkung des Gesprochenen entscheiden als sein Inhalt. Eine sehr erhellende Lektüre zu der Art und Weise, wie Kommunikation funktioniert, liegt in den drei Taschenbüchern „Miteinander reden“ von Friedemann Schulz von Thun und – nicht zu vergessen – in der „Anleitung zum Unglücklichsein“ des legendären Paul Watzlawick.

Wenn ich mir etwas wünschen darf für die Buchbranche: Nach erholsamen Feiertagen im Kreise der Lieben (und nach inspirierender Lektüre!) starten wir ins neue Jahr mit einem frischen Blick für das Wesentliche, schauen unter die Oberfläche und interessieren uns noch etwas mehr für einander und die Motive des Anderen. Mit Missverständnissen können wir dank gewachsener Kenntnisse über die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikation gelassener umgehen und den Wert unseres eigenen Lebens (wie auch das unserer Mitmenschen) noch besser schätzen – weil wir uns über die wirklich wichtigen Dinge austauschen.

„Life is short, Break the rules, Forgive quickly, Kiss slowly, Love truly, Laugh uncontrollably, And never regret anything that made you smile!” sagt Mark Twain und im Film „The Best Exotic Marigold Hotel“ beruhigt ein Junghotelier seine wegen der täglichen Kalamitäten verzweifelnden Gäste mit dem Satz „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende!”.

Johannes Kambylis [Facebook, Xing] ist in den Wissenschaftsverlagen Meiner und Buske (Philosophie bzw. Sprachen) für Marketing, PR, Rechte und Lizenzen verantwortlich und Vorsitzender des AVP (Arbeitskreis Verlags-Pressesprecherinnen und -Pressesprecher e.V.).

Lasst die eBooks ankommen! [Adventskalender]

Theoretisch sind eBooks inzwischen in der Branche angekommen. Jetzt gilt es, dieser Publikationsform auch in der Praxis den Platz einzuräumen, den sie braucht.

Maximilian Schönherr @ Wikimedia Commons

eBooks sind in den letzten Jahren sukzessive Teil der Branchendiskussion geworden, inzwischen kann man das Thema als „angekommen“ bezeichnen. Wo man sich etliche Jahre auf den Messen noch eher partiell und vor allem visionär mit dem digitalen Lesestoff und den dazugehörigen Lesegeräten beschäftigt hat (obwohl mit ersten eBooks schon lange vorher experimentiert wurde, ich sage nur Perry Rhodan und „Rocket-eBooks“) – ist die Auseinandersetzung inzwischen alltäglich geworden. Zumindest in der Theorie. Bei den kleinen Details des Alltags sieht das aber oft noch anders aus. Dort rutschen eBooks noch täglich „unten durch“. Z.B. beim Anmeldeprozedere für Ausstellungen und Preisverleihungen. Im Anmeldeformular für die Münchner Bücherschau gibt es zwar die Teilgruppe 8, mit der auch eBooks abgedeckt werden, unter 2.2 der Ausstellungsbedingungen heißt es aber gleichzeitig, dass „bei Anmeldung eigener Standeinheiten […] mind. 10 unterschiedliche Titel auszustellen“ sind. Als potentieller Aussteller digitaler Bücher kommt man hier ins Grübeln. Muss man mindestens 10 eBooks auf einem Reader mit dabei haben? Oder muss man mindestens 10 Reader am Stand anbringen, vielleicht mit jeweils nur einem aufgespielten eBook?

Ähnlich sieht es bei den Teilnahmebedingungen vieler Preise aus, der Fokus liegt auf dem „gedruckten“ Wort, wo es doch eigentlich um den Inhalt geht:

„Verlage können sich mit bis zu zwei deutschsprachigen Romanen aus dem jeweils aktuellen oder geplanten Programm um die Auszeichnung bewerben. Es können auch Titel gemeldet werden, die zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht vorliegen. In diesem Fall wird zunächst das Manuskript eingereicht. Die Bücher müssen nachgereicht werden, sobald sie in gedruckter Form vorliegen.“

heißt es z.B. beim Deutschen Buchpreis. Von digitalen Originalausgaben keine Spur. Muss man eine solche, zumindest um sie einreichen zu können, pro Forma einmal drucken lassen?

Ich will aus solchen Teilnahmebedingungen keinen Boykottversuch von eBooks herauslesen, bewahre. Aber in den schlichten Details liegt offen, dass eBooks im Moment noch häufig lediglich als Zweit- oder Drittverwertung wahrgenommen werden. Nicht anders bei der Wikipedia. Unter den Literaturangaben ist es nicht erwünscht, eBooks anzuführen. Sie seien nicht zitierfähig. Dann doch bitte das gedruckte Buch. (Einmal ganz davon abgesehen, dass es inzwischen gerade im wissenschaftlichen Bereich genügend digitale Publikationen gibt, die technisch zitierfähig sind …).

Fakt ist, dass ein eBook natürlich eine Form der Zweitverwertung sein, aber genauso einen Text als Originalausgabe transportieren kann. Ich wünsche mir, dass eBooks im nächsten Schritt als genau das anerkannt werden: als eigenständige Publikationsform für Originalausgaben. Und wenn sich dieses Verständnis heimlich, still und leise im Kleingedruckten eingenistet hat, dann ist es angekommen, das eBook.

Sabine Hafner ist Geschichtenliebhaberin und arbeitet bei hey! publishing täglich an der Etablierung digitaler Bücher. Facebook, Xing

Mein Wunsch: Ein Jahr der buchhändlerischen Innovationen [Adventskalender]

Foto von René KohlWir Buchhändler handeln mit einem der schönsten und anspruchsvollsten Produkte, die es gibt. Die Erscheinungsformen sind vielfältig, neben den neuen Digitalisaten und den Hörbüchern, die in jüngerer Zeit dazukamen, werden auch im Printbereich von liebevollen Herstellern, innovativen Marketing-Profis und hochspezialisierten Buchdruckern und -bindern die Grenzen der Buchproduktion kontinuierlich weiter gesteckt.

Dabei üben sich die KollegInnen in den Buchverlagen traditionell an der Erweiterung ihrer Spielräume, gehen immer neue Allianzen und Kooperationen mit technischen und konzeptionellen Dienstleistern ein und kooperieren auch miteinander, tauschen ihr Wissen aus und profitieren sicherlich auch von einer höheren Fluktuation seitens der Mitarbeiter und zunehmend auch der „Quereinsteiger“ aus verwandten Medienberufen.

Bedauerlicherweise geht viel Innovationsleistung der Verlage (einschließlich der neuen Unternehmen am Markt) auf dem Weg von der Erfindung und Herstellung in den Buchhandel verloren. Es mangelt nach wie vor auf allen Ebenen an adäquaten Konzepten, Werkzeugen und an der Infrastruktur, um die neuen hochkarätigen Produkte adäquat an die Frau und den Mann zu bringen.

Es fehlt an geeigneten Beschreibungen (Metadaten), an Standards, diese schlank durch die digitalen Kommunikationskanäle zu schicken, an Möglichkeiten seitens der Buchhändler, diese Informationen käufergerecht zur Verfügung zu stellen.

Es fehlt an geeigneter multimedialer Infrastruktur in den Buchhandlungen und Webshops, um die diversen neuen Präsentations- und Empfehlungsmöglichkeiten (Volltextsuchen, Videotrailer, semantische Verschlagwortung, verwandte Titel, digitale Empfehlungen – um ein paar Stichworte zu nennen) effektiv einzusetzen.

Es fehlt an konzeptionellen, technischen und kooperativen Lösungen, um neue Produktarten (etwa Bundles oder den Verkauf digitaler Titel durch physische Repräsentanz im Laden) adäquat anbieten zu können.

Und es fehlt auch im ganz klassischen physischen Geschäft an zeitgemäßen neuen Präsentationstools, etwa Möbeln, Multimediageräten, Beleuchtung, digitalen Displays, um der fortschreitenden Entwicklung der Online-Präsentation etwas entgegenzusetzen.

Mein Wunsch für das nächste Jahr ist ein Wunsch an den Buchhandel: Lassen Sie uns das nächste Jahr zum Jahr der buchhändlerischen Innovationen erklären! Die Verlage haben vorgelegt – jetzt sind wir am Zug.

René Kohl ist gelernter Buchhändler, vertreibt in seiner Online-Buchhandlung Kohlibri gute Bücher in alle Kontinente und denkt auf www.renekohl.com über das Buchhandeln im Zeitalter der Digitalisierung nach. Er ist zu erreichen unter kohl@kohlibri.de, koh@renekohl.com[Facebook] und [Twitter].

Wie lesen Kinder Geschichten über Milchmänner? [Adventskalender]

Seit der ersten PISA-Studie (2000) herrscht in Deutschland ein hohes Bewusstsein für die Notwendigkeit, Kinder, Jugendliche und deren Eltern für das Lesen von Büchern zu begeistern und ihnen den richtigen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Bundesweite Kampagnen, in die viel Zeit und Geld investiert werden, schaffen dafür ein breites öffentliches Bewusstsein, bewirken oftmals aber nur zeitweiligen Erfolg. Ob damit tatsächlich die „Lese- und Buchfernen“ erreicht werden und sich nachhaltig begeistern lassen, bleibt ungewiss.

Mehr Chancen verspricht aus unserer Erfahrung daher eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen lokalem Buchhandel, Bibliotheken und nahe gelegenen Kindertagesstätten und Schulen, zumal in den Bildungseinrichtungen mit Gewissheit auch die „Lese- und Buchfernen“ erreicht werden. Wir erhoffen uns von der Buchbranche daher in der Zukunft langfristige, innovative und nachhaltige Projekte, die auf die lokale und regionale Infrastruktur des Buchhandels und der Bibliotheken zurückgreifen und Hand in Hand mit den örtlichen Bildungseinrichtungen sowie gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen erarbeitet werden.

Der Besuch einer Buchhandlung und einer Bibliothek beispielsweise kann in der engen Zusammenarbeit von Pädagoginnen/Pädagogen und Buchhändlerinnen/Buchhändlern zu einem Erlebnis werden, das nicht auf den Besuchstag begrenzt ist, sondern weit darüber hinaus Verknüpfungen schafft und Wirkung entfaltet. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten die Bedürfnisse und Möglichkeiten des jeweils anderen kennen.

Die Klassenlektüre „Ein Pferd namens Milchmann“ findet man auch in der Bibliothek/Buchhandlung. Wo könnte sie wohl stehen? Und warum steht sie dort? Gibt es dazu auch einen Film? Oder ein Hörbuch? Dürfen die Kinder diese Medien ausleihen oder kaufen? Schon wird aus dem Bibliotheks- oder Buchhandlungsbesuch eine erlebnisreiche und aktive Führung, die sich in den Kontext der Schullektüre einbettet und deutlich länger in Erinnerung bleibt – die Bibliothekarin/der Bibliothekar bzw. die Buchhändlerin/der Buchhändler muss jedoch um diesen Anknüpfungspunkt wissen, wie auch die pädagogische Fachkraft wissen muss, auf welche Fragen sie mit den Kindern zusammen mit der oder dem Buchexperten eine Antwort suchen kann.

Diese Idee ist sicherlich nicht neu und wird gewiss auch schon so praktiziert, doch dürfte dies bisher noch die Ausnahme sein. Denn ein solcher Besuch muss sowohl seitens der pädagogischen Fachkräfte als auch seitens der Buchhandlungen und Bibliotheken sorgfältig vorbereitet werden. Dazu fehlen bis heute entsprechend aufbereitete Materialien und der konkrete Austausch untereinander. Wir wünschen uns daher von der Buchbranche ein stärkeres Zugehen auf die lokalen und regionalen Bildungseinrichtungen und – das darf man an dieser Stelle natürlich nicht vergessen: auch andersherum die Bereitschaft der Bildungsinstitutionen, bei der Lese- und Medienförderung enger mit der Buchbranche vor Ort zusammenzuarbeiten. Gemeinsam und für die Bedingungen vor Ort maßgeschneidert können so lokale und regionale Lese- und Medienförderung erfolgreich verankert und die Kinder und jungen Leute für das Abenteuer Buch und Medien nachhaltig begeistert werden.

Normann Stricker engagiert sich bereits seit seinem Studium zusammen mit Stefan Salamonsberger mit der Initiative „Abenteuer Buch“ für die Lese- und Medienförderung und kann inzwischen auf über ein halbes Jahrzehnt Erfahrung mit Kinder- und Jugendprojekten rund um das Medium Buch und dem Thema (Vor-)Lesen zurückblicken, u.a. als Projektmanager bei der Stiftung Lesen. Ab 2014 wird er zusammen mit Stefan Salamonsberger und einem Team von Experten freiberuflich Projektberatung, -konzeption und -management für die Buch-, Medien- und Bildungsbranche anbieten. Zu erreichen ist das Team schon jetzt per Mail unter mail[at]abenteuerbuch.com, über Xing unter normann.stricker oder über Facebook.

Schützt die Artenvielfalt! [Adventskalender]

Vom Christkind wünsche ich mir für die Buchbranche, dass es ihr auch in Zukunft gelingt, ihre einzigartige Vielfältigkeit zu bewahren. Denn so sehr die Kinderaugen beim Anblick des neuen Fahrrads unterm Weihnachtsbaum leuchten, spätestens ab dem fünften Rad, das aus dem Geschenkpapier gepellt wird, ist die Freude nicht mehr ganz so groß. Gleiches trifft auf Bücher zu: die immer gleichen Autoren, die immer gleichen Schreibstile, die immer gleichen Themen – kurz, der hundertste Vampirroman – wären öde. Eine solche Langeweile zu verhindern, ist nur möglich, wenn es neben etablierten und Konzernverlagen auch Independents gibt, welche nicht die großen Namen verlegen, sondern Nachwuchsschriftstellern eine Chance bieten. Oder wenn Verlage nicht nur Titel zu aktuellen und leicht verkäuflichen Themen verlegen, sondern sich stattdessen oder zusätzlich Nischenthemen widmen – von der Vogelfederbestimmung bis zur Lyrik des Spätmittelalters. Diese Vielfalt lässt sich aber nur gewährleisten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört ein kompetenter und engagierter Buchhandel ebenso wie ein gerechtes und zukunftsfähiges Urheberrecht, der Fortbestand des verminderten Mehrwertsteuersatzes und der Buchpreisbindung.

01Dominique
Dominique Conrad wünscht sich viel – vor allem Vielfalt

Aber der Wunsch nach einer vielfältigen Buchbranche erschöpft sich nicht in der Anzahl oder Unterschiedlichkeit der Inhalte. Viel mehr bedingt die Vielfältigkeit der Inhalte ebenfalls eine Vielzahl von Formaten, in denen sie dargestellt werden. Schließlich bekommt Opa zu Weihnachten andere Geschenke als seine 14-jährige Enkelin, weil er andere Interessen und Bedürfnisse hat. So werden diejenigen, die das Buch als Objekt schätzen, eher zu einer illustrierten Lederausgabe mit Goldschnitt greifen, während Studenten ihre Fachliteratur lieber auf einem E-Book-Reader lesen. Ganz klar ist auch, dass die Verpackung für das Fahrrad anders beschaffen sein muss als die für Opas Cognacflasche. Einen Kunstband auf dem Smartphone anzusehen, ist kein Vergnügen. Umso praktischer ist jedoch der Reiseführer als E-Book oder App. Für jedes Buch gibt es das passende Format und für manche Bücher sogar mehrere.

Also fort mit den entweder-oder-Argumenten. Vielfältig ist eine Bereicherung, unterm Weihnachtsbaum ebenso wie für die Buchbranche.

Dominique Conrad ist Redaktions- und Lektoratsmitarbeiterin, findet Social Media und die Digitalisierung spannend, liest aber gedruckte Bücher.
Twitter, XING