Tolino und Piratenportal: Zahlen und Fakten

Vermischte Zahlen werden heute herumgereicht. Erstens zum Tolino – leider nur Hoffnungen und nichts Konkretes:

„Unser Marktanteil hat sich durch Einführung des Tolino nicht verschlechtert“, stapelte Halff im Rahmen einer Diskussionsrunde zum deutschen E-Book-Markt zunächst tief – um später mit Blick auf den eigenen „ehrgeizigen Absatzplan“ konkreter zu werden: In diesem Jahr rechne er mit einem Gesamtabsatz von 1,4 Mio E-Readern in Deutschland. Ziel sei, dass die Tolino-Partner einen Anteil von über 36% erzielten. (Buchreport)

Andererseits zu einem Piraterie-Portal für eBooks:

Wir sind auf dem langen, beschwerlichen Weg zur ersten Millionen Downloads pro Monat. Sichtweite ist immerhin hergestellt. Augenblicklich prognostizieren wir um die 850.000 Downloads.

Zugriffe prognostiziert auf Monatesende: 5,2 Millionen. Das sind alle Aufrufe unserer verschiedenen Seiten. (torbooks)

Und in other news:

[Verleger müssen] bei der E-Book-Revolution den „Reset-Button“ drücken und sich organisatorisch neu aufstellen – es müsse in den Verlagen Mitarbeiter geben, die ausschließlich für den digitalen Bereich zuständig seien. (Buchreport)

"Lesen ohne Limit" – Verzichtet auf DRM!

eBookNews startet eine Blogparade zum Internationalen Tag gegen DRM. Das verdient Unterstützung – und einen Beitrag!

Digital Rights Management nervt. Der lästige Kopierschutz setzt dem elektronischen Leseerlebnis enge Grenzen. Jedes Buch, an jedem Ort, auf jedem Gerät? Das wäre schön. Doch leider bleibt das große Potential von E-Books bisher oft ungenutzt.

Stimmt. Nicht nur die inhaltlichen Innovationsmöglichkeiten von eBooks (Anreicherung, Dynamik, …) werden von Geräten, Software und nicht zuletzt den Programmverantwortlichen ungenutzt gelassen. Auch die rein formellen Chancen, die digitale Bücher bieten, bleiben außen vor. Umfassende Verfügbarkeit. Freiheit und Teilbarkeit der Inhalte. Beide Probleme rühren aus einer Quelle: Angst.

Warum? Weil viele Verlage, aber vor allem Autoren und Agenturen aus Angst vor Piraterie und Kopierbarkeit auf DRM, also den technischen Schutz der Verwertung ihrer Inhalte, bestehen. Das Grundproblem: DRM ist ein gewaltiger Hemmschuh (genau dafür ist es ja auch da) und bringt nichts.

DRM ist ein Problem für Kunden – zumindest für die ehrlichen

Dass DRM für massenweise Probleme sorgt, haben wir im Rahmen des protoTYPE-Projekts M@rtha ausführlich recherchiert. Denn: Kunden haben Probleme mit ADE (Adobe Digital Editions), der wesentlichen Software-Lösung für Buch-DRM. Die Software ist nicht komfortabel, sorgt für Supportbedarf und Frustrationen, behindert also sowohl die Verbreitung von eReading unter Lesern wie auch von Inhalten in sozialen Kanälen. Schon vor einem knappen Jahr habe ich in o.g. Artikel festgestellt:

Auch wenn die Aussage, dass 90% aller Supportfälle DRM-bezogen sind, sicher nicht auf alle Handelsstufen und Unternehmen zutrifft, liegt hier vieles im Argen.

DRM bestraft die Kunden, die Geld für Buchhandelsprodukte ausgeben, und hilft keinen Deut gegen die Praktiken von unehrlichen „Kunden“. Denn DRM-Maßnahmen, egal, ob im Kindle- oder iTunes-System verankert oder durch ADE aufgesetzt, lassen sich umgehen. Punkt. Dafür braucht man die kostenlose Software Calibre und ein paar Plugins – oder man lädt sich ganz einfach gleich bei einer der zahllosen illegalen Plattformen den „befreiten“ Content herunter, wie das der „Buchpirat“ Spiegelbest ausdrückt.

Es fehlen gute Angebote

Es ist dasselbe Problem wie bei TV-Serien: Es gibt keine vernünftigen Angebote. Bei Serien vermisse ich einen Streaming-Dienst, der mir die neuen Episoden Justified und Breaking Bad für 99ct liefert. Das wäre ich zu zahlen bereit. Aber ich will die Serien zeitgleich mit der US-Ausstrahlung sehen, auf Englisch, ohne Werbung und Restriktionen und nicht ein Jahr später, auf deutsch und auf RTL II oder als kompliziert zu entschlüsselnde Datei. Ich will meine eBooks in der Form, wann und wo ich will und ohne DRM, ich will Passagen teilen, Kopien für verschiedene Geräte und vielleicht auch eine Privatkopie für einen Freund anfertigen können. Kurz: Ich gebe gerne Geld für Inhalte aus, aber ich will auch vollwertige Inhalte und mindestens den Nutzungsumfang, den mir auch ein Printbuch bietet.

Mein Arbeitgeber, dotbooks, fährt im Übrigen nicht schlecht mit der Strategie, keinen Kopierschutz aufzusatteln – unsere Bücher sind DRM-frei, wo es geht. (Kindle und iTunes setzen natürlich ihr DRM auf – aber jeder goldene Käfig hat eben seinen Preis.)

Die Devise muss lauten: Kein DRM! Nirgends!

Wie man mit eBook-Piraterie auch umgehen kann: Humble Bundle und Flatrate-Lösungen

Vorab: Teile dieses Blogeintrags haben Züge eines Rants. Ich bitte das freundlich zu beachten.

Illegale Portale haben die besseren Angebote.

Ob Serien, Filme, Musik: Nicht von den Verwertern bereitgestellte Angebote erfreuen sich gewaltiger Beliebtheit. Warum sollte das bei Büchern anders sein? Bislang war die Antwort einfach: Weil sie nicht umfassend als komfortable Digitalprodukte verfügbar waren. Wer will schon mit PDF-Scans arbeiten müssen?

Das ändert sich – zum Glück für alle Beteiligten. eBooks werden ansehnlicher, zumindest teilweise funktionaler und sie decken immer weitere Teile des Programms vieler Verlage ab. Aber leider sind die Angebote, die uns besagte Verlage machen, noch immer unattraktiver als die Alternativen:

Download-Foren weitaus attraktiver als Amazon & Co

[N]ur ein einziger Thread in einem populären Forum (boerse.bz ist unter den Top 100 der meistbesuchten Websites in Deutschland) kann in kurzer Zeit rein rechnerisch mehr E-Books unter das Volk bringen als alle legalen Buchhandels-Portale zusammen (gesamter Absatz in 2011: knapp 5 Mio. E-Books).

Und warum? Da fallen mir vor allem drei Gründe ein:

  • Weil der Content auf Piraterie-Seiten nicht durch DRM eingeschränkt wird. DRM bestraft den ehrlichen Kunden. Merkt euch das endlich, Verlage!
  • Weil die „illegalen“ Portale komfortabel sind. Das größte Problem ist beim Filesharing und Streaming, dass mal ein Server oder Torrent tot ist. Dann weicht man aus – dezentralen Strukturen sei Dank. Die legalen Portale verlangen langwierige Anmeldeprozesse. (Ein Argument pro Amazon, denn dort hat man sowieso ein Konto.) Sie verlangen DRM-Software (s.o.).
  • Weil der Content dort umsonst ist. eBooks sind im Durchschnitt zu teuer. Punkt.

Man lässt die Leute nicht bezahlen

Gucken wir mal über den Tellerrand des Buch-Contents, um Nutzerwünsche zu analysieren: Ich bin bekennender Serienfan. Und ich will keine 9 Monate nach Erstausstrahlung warten, bis meine Lieblingsserie (wenn überhaupt) in schlechter deutscher Synchronisation im Nachtprogramm eines schlechten deutschen Senders läuft, 9 Monate, während derer ich online wie offline Gespräche über eine Episode mitbekomme und an deren Ende ich sowieso schon alle guten Szenen durch Youtube und alle Entwicklungen via Twitter kenne. Ich will die Episode sehen, kurz nachdem sie der US- oder UK-Zuschauer gesehen hat. Alles andere ist lächerlich.

Dafür wäre ich ja auch bereit, zu bezahlen – wenn man mich ließe. Es gibt aber schlicht kein umfassendes oder bezahlbares Angebot der Rechteverwerter, die lieber an halbgaren Lösungen stricken. Im eBook-Segment sieht das ähnlich aus. Die Leute wedeln mit ihrem Geld – und werden es nicht los:

Plattformen wie online-library.ws bieten gegen eine monatliche Grundgebühr (in diesem Fall 39 Dollar) unbegrenzte, werbefreie Downloads hunderttausender DRM-freier E-Books und Hörbücher, freilich ohne Autorisierung der Rechteinhaber. Die Nutzer sind also durchaus bereit, etwas zu zahlen – doch bei legalen Angeboten werden sie durch hohe Preise und lästigen Kopierschutz abgeschreckt. (eBooks News)

Ändert bitte etwas an diesem Zustand.

Warum keine Innovation? Darum!

Projektstand am 19.10.

Oder sucht euch, liebe Autoren, Verleger, Verwerter, Rechteinhaber, andere kreative Ansätze, um euren Content bezahlt an den Mann zu bringen. Wie das HumbleBundle, über das ich auch schon einmal bloggte und über das nun auch der Buchreport schreibt. Bei diesem Ansatz, der bereits erfolgreich für Games und Musik ausprobiert wurde, bestimmt der Kunde, was er für ein Content-Paket bezahlt. Und sogar, wie sein Geld unter Autor, HumbleBundle und karitativen Zwecken aufgeteilt wird.

Tolle Idee – und eine, die beweist, dass Kunden durchaus bereit sind, Geld für Inhalte zu bezahlen. Es funktioniert – über die Masse, wie eine Flatrate-Lösung. Das sollte man auch in Deutschland einmal ausprobieren, oder? Achso – hat schon jemand? Und wurde vom Börsenverein und dem Preisbindungstreuhänder (was für ein Unwort) abgewatscht? So sieht Innovation aus …

Enno Lenze:

„Dass man das Produkt ,Buch‘ weiterdenken muss, ist keine Frage und ein Blick über den Tellerrand der Buchbranche zeigt einem, dass Flatrate-Modelle für Kulturgüter irgendwann die Lösung sein werden“.

Eine Flatrate ist natürlich keine eierlegende Wollmilchsau. Sie hat diverse Probleme, zuvorderst, wie das Verteilungsmodell aussehen soll. Oder dass sie immer an dysfunktionale bürokratische Riesenmaschinen wie die Gema erinnert. Vielleicht sind Abo-Modelle eine bessere Lösung, aber bitte nicht so halbherzig wie Skoobe. FAkt ist: Es muss sich was ändern. Und jeder Tag, der bis dahin verstreicht, treibt mehr Menschen weg von den legalen Vertriebswegen und jeder Tag kostet Geld.

Nichts Neues: eBooks sind zu teuer!

Im Folgenden My Two Cents zur Preisdebatte, die seit Jahren schwelt. Ganz subjektiv aus meiner „User Experience“ heraus.

Fast alle Umfragen zeigen, dass der häufigste Grund für den Nicht-Kauf von E-Books der hohe Preis der Verlags-E-Books ist, der in der Regel nur 10-20% unter dem der Papierausgabe liegt. (Aus einem hörenswerten Vortrag von Wolfgang Tischer.)

An dieser Erkenntnis – (deutsche) eBooks sind zu teuer – ist nicht zu rütteln. Da mögen Verlage noch so eloquent und fundiert argumentieren, dass etwa die Kosten für Herstellung und Auslieferung beim Produkt Buch nur eine untergeordnete Rolle spielen; dass die wesentlichen Kosten für das Produkt weiter anfallen, von der Autorenakquise bis zur Redaktion; dass die Inhalte ihren Preis wert sind.

Das mag nämlich alles sein – allein, es ändert nichts daran, dass die Produkte zu teuer wirken und der Kunde nicht kauft. Sieht man sich z.B. die ePubli-Preisbestimmungen an, liegt ein aktueller Roman (Printversion 22.-) bei 16,99. Dafür bekomme ich nicht nur über 17 Kindle-eBooks zum Niedrigstpreis von 99 Cent, ich bekomme auch 3-4 Us-Backlist-Titel. Für meine 16,99 kann ich also deutlich mehr Content kriegen – und nach meiner Erfahrung rechtfertigen Aktualität und Qualität nur ganz, ganz selten diesen gewaltigen Preisunterschied. (Und wenn, dann meistens die Aktualität: Man will mitreden können.)

Und leider ist das, was man als eBook erwirbt, nicht wirklich funktional gleichwertig zum guten, alten gedruckten Buch. Ich kann es nicht (komfortabel) verschenken oder nach dem Lesen weiterverkaufen. (Mit Software ist das u.U. legal, siehe das Oracle-Urteil.) Ich kann in Europa keine Kindle-Bücher aus den USA erwerben, ohne Umwege zu wählen oder für den Content (so er denn da verfügbar ist) im deutschen Shop mehr bezahlen.

Die Bezugswege sind unkomfortabel, was sehr häufig (wie auch das Wiederverkaufsproblem) mit dem Alptraum DRM zusammenhängt. Simply: Drop it. Denn mit DRM erwerbe ich kein vollwertiges Produkt, sondern eine verstümmelte Version. Das ist beim 99 Cent-Kindle-Buch okay, denn auf dieser Plattform merke ich nicht einmal viel vom DRM. Und der Preis lässt es mich verschmerzen. Bei 20 Euro fühle ich mich über den Tisch gezogen.

Unkomfortable Bezugsmöglichkeiten, DRM, mangelnde Weitergabe – all das wird sicher nicht zum Erfolg qualitativ hochwertiger, teurer eBooks führen, sondern nur zu Piraterie. Wie auch bei Streaming-Angeboten sind die illegalen Anbieter nämlich deutlich fitter darin, ihren „Kunden“ Komfort und häufig auch Qualität zu bieten als die legalen Portale.

Dabei ginge so viel mehr – wirkliche Globalität, umfangreicher Komfort, unendliche Verfügbarkeit von Content und Regalmetern, Genreunabhängigkeit, von den Marketingvorteilen gar nicht zu sprechen.

Und immer wieder Überraschungen …

Dank einem Facebook-Hinweis von Alexander Vieß bin ich über ein paar sehr interessante Präsentationen des Börsenvereins gestolpert, die eine ganze Menge neuer Zahlen präsentieren. Anlass der Veröffentlichung war ein Wirtschaftspressegespräch zum Thema „Aufbruch oder Umbruch? Der deutsche Buchmarkt und das E-Book“.

Zurückgegangene Titelproduktion

Im Tabellenkompendium gibt’s erstmal wenig Aufsehenerregendes: Der Anteil des stationären Buchhandels geht leicht zurück, dafür steigt der des Internets. Dito der steigende Umsatz mit Online-Diensten. Gestolpert bin ich dafür über den Rückgang der Titelproduktion: Von ungefähr 84.000 Titeln auf 82.000 – und das auf Kosten der Belletristik. Sehr spannend, auch wenn ich bisher noch keine belastbare Erklärung gefunden habe, warum das so ist.

Weniger Vorbehalte, breiteres Angebot

Die aktuellen Branchendaten zeigen im Groben nochmal dasselbe, nur ein wenig hübscher aufbereitet. Die E-Book-Studie bietet anfangs auch gefühlt wenig Neues: Die Zahl der E-Books und E-Book-Nutzer steigt, und es gibt sowohl auf Produzenten- als auch auf Nutzerseite weniger Vorbehalte. Infolgedessen diversifiziert sich das Angebot auch. Interessant ist die Statistik auf S. 14, nach der die mittleren und die kleineren Buchhandlungen in Sachen E-Book- und E-Reader-Angebot stark aufgeholt haben. Das heißt, dass es bedeutend mehr Angebot an E-Books und E-Readern in Buchhandlungen gibt.

Keine einfachen Abläufe

Hauptgründe gegen die Beteiligung am E-Geschäft sind übrigens zu geringe Nachfrage, zu geringe Gewinn- und Umsatzmargen und (!) zu kompliziertes Handling – insbesondere gegen den letzten Punkt sollte man etwas tun können, daran arbeitet u.a. auch das ProtoTYPE-Projekt M@rtha.

DRM wird weich

Ähnlich spannend ist die Entwicklung, dass im Vergleich zum letzten Jahr mehr Verlage weiches statt hartes DRM nutzen: 64 % weichem DRM (Vorjahr: 41 %) stehen nur noch 50 % hartes DRM (Vorjahr: 63 %) gegenüber (s. S. 24). Es gibt also auch einige Verlage, die verschiedene Arten an Schutzmaßnahmen praktizieren. Dass so viele Verlage ihre Sichtweise zum nutzerfreundlicheren weichen DRM gewandelt haben, erstaunt mich etwas. Eine mögliche Erklärung dieser Entwicklung ist zunehmende Kompetenz und mehr Verständnis für den E-Book-Markt und seine Bedürfnisse.

Buchcamp 2012: eBook-Mythen, Smart Content und M@rtha

Das Buchcamp ist vorbei – und sehr schön war’s, diverse Leute mal „real“ kennen zu lernen oder wiederzusehen und mit ihnen drei Tage (und zwei feucht-fröhliche Abende) zu verbringen. Und natürlich gab es neben Menschen auch Dinge auf dem Programm – über zwei Sessions habe ich ja bereits gebloggt, der Rest folgt heute als kursorische Zusammenfassung, angereichert durch die diversen Videos, die man im Börsenvereins-Channel gucken kann. Den Sessionplan gibts hier und alles auf twitter unter dem Hashtag #buchcamp.

Märchen und Mythen ums elektronische Publizieren

@derlektor hielt einen langen, vom Publikum ergänzten Vortrag über die Ammenmärchen und Irrtümer des ePublishing. Das große, bekannte Problem ist vor allem die Angst: Sie verhindert, dass Verlage Kompetenzen aufbauen, Erfahrungen sammeln; dass sie an hergebrachten (überholten) Verfahren festhalten (Zitat: „Die Print-Denke funktioniert hier nicht“);dass sie auf DRM bestehen, bzw. ihren Autoren nicht genügend Argumente liefern, dass diese auf DRM verzichten.

Die aufklärerische Session behandelte somit ein wichtiges Thema – leider vermutlich vor Leuten, die das alles schon verstanden haben.

Nach den Telefonen werden nun auch die Inhalte „Smart“

So ganz stimmt das natürlich nicht, denn granulierter, angereicherter Content begann ja schon mit dem frühen Hypertext. Da sind die Handys später clever geworden. Unter dem etwas sperrigen Titel „Smart Content: Durch semantische und soziale Vernetzung vom Content- zum Service-Anbieter“, zu dem sich dann noch das Schlagwort „Aufmerksamkeitsökonomie“ gesellte, diskutierten wir die Möglichkeiten individualisierter Inhalte durch technische Frameworks und die Einbettung von User Generated Content. Enttäuscht wurde die Hoffnung, dass das alles automatiseribar wäre: Bis auf weiteres werden solche Inhalte mühsam, manuell, redaktionell gepflegt werden müssen.

M@rtha

Unsere eigene Session, die auch im Böbla.net-Artikel besprochen wird, lief gut und brachte neben diversem inhaltlichen Feedback auch die Erkenntnis, dass etwas in Richtung M@rtha dringend gewünscht wird:

Bedarf ist vorhanden: Besonders DRM-geschützte Dateien bereiten Schwierigkeiten, da Kunden neue E-Books nur am eigenen Rechner runterladen können. „Ich bin jetzt schon so weit, dass ich Hausbesuche anbiete“, klagt Buchhändlerin Susanne Martin. Oft sei auch nicht klar, wohin man defekte Lesegeräte schicken soll. „Hier wäre hilfreich, wenn wir eine komplette Adressliste hätten“, so Martin. Selbst für Amazon sollen stationäre Buchhändler noch Support leisten: „Wir haben häufig Kunden, die mit ihrem Kindle zu uns in den Laden kommen“, berichtet Marie Birkert vom Kulturkaufhaus Dussmann.

Wir werden uns bemühen.

Was ich leider nicht gesehen habe

Nicht dabei war ich leider bei beiden Sessions von Wibke. Hier ihr Video zur Selbsthilfegruppe (davon bräuchte die Branche insgesamt mehr):

Vielen Dank ans Forum Zukunft und alle Mitstreiter – auf das Wachstum des Buchcamps bis 2013! Da soll das Camp dann in größerem Rahmen stattfinden, mit mehr „Entscheidern“, noch mehr Nachwuchs und viel mehr Plätzen (die diesmal binnen 24 Stunden ausverkauft waren).

Und holt mich da dann bitte nicht vor die Kamera, wenn man mir ansieht, wie fertig mich die vorherige Nacht zurückgelassen hat:

Buchcamp 2012: DRM – Schutz oder Schaden?

Ich bin wieder bei Mela Eckenfels gelandet, die sich zu Beginn als Piratin outet und Mini-Packungen Gummibärchen verteilt. Die Gummibärchen stehen für Content –  manche sind ohne Schutzmechanismen, einige sind unerreichbar in einer Kerze, andere haben „Wasserzeichen“:

In einem einleitenden Vortrrag erläutert Mela die Nachteile von DRM anhand einiger Thesen, die in der Diskussion erweitert werden:

  • DRM hilft nicht gegen Piraterie – und benachteiligt im Zweifelsfall eher den legalen als den illegalen Konsumenten
  • Auf lange Sicht geht Content, der mit hartem DRM geschützt wird, verloren – etwa wenn DRM-Server abgeschaltet werden
  • DRM schränkt die Usability des Contents ein – teils bis zu dessen Verstümmelung
  • DRM ist aktives Engagement gegen Barrierefreiheit
  • Die Ressourcen, die für DRM und andere Schutzmechanismen ausgegeben werden, wären anderweitig sinnvoller aufgehoben
  • M@rtha ergänzt: hartes DRM (gerade Digital Editions) ist für den Konsumentensupport ein wahrer Alptraum

Und dann geht es natürlich noch um Amazon. Materialie bei diigo.

Fazit: Liebe deinen Kunden!

Charles Stross erklärt Macmillan, warum sie auf DRM verzichten sollten

Charles Stross‘ Amazon-Strategie-Artikel der letzten Woche hat groß die Runde gemacht (u.a. auch hier). Er erklärte darin, dass der Verzicht auf „mandatory DRM“ eine Voraussetzung für Verlage sei, um mit Amazon mithalten zu können.

Feedback (bzw. Rückfragen) kam u.a. von Macmillan. Stross antwortet nun in einem gewohnt ausführlichen Artikel mit vier Thesen, u.a. mit diesen beiden:

3. [R]elaxing the requirement for DRM across some of Macmillans brands will have very positive public relations consequences among certain customer demographics, notably genre readers who buy large numbers of books (and who, while a minority in absolute numbers, are a disproportionate source of support for the midlist).

4. Longer term, removing the requirement for DRM will lower the barrier to entry in ebook retail, allowing smaller retailers (such as Powells) to compete effectively with the current major incumbents. […] This will, in the long term, undermine the leverage the large vendors currently have in negotiating discount terms with publishers while improving the state of midlist sales.

In der ausführlichen Analyse der Thesen behandelt Stross dann die Zielgruppe, die durch den Wegfall von DRM zum besseren oder überhaupt zum Kunden wird: Vielleser („voracious readers“), die sich, wenn sie digital lesen, auch eine Bibliothek aufbauen wollen. Ich habe von Viellesern schon häufig die Äußerung gehört, dass sie Amazon boykottieren, weil das Unternehmen sich einem einheitlichen Standard widersetzt – und fürchten, ihre gekauften Bücher würden irgendwann in der Whispernet-Cloud eingesperrt sein, wenn die Plattform Kindle von Amazon nicht mehr unterstützt wird. Wie reagieren diese Leser dann auf eine zwar unabhängige, aber auch weniger komfortable, teurere Plattform mit geringerer Auswahl, der dasselbe droht?

Auf spezifische Zielgruppen zugeschnittene Plattformen, die das bedenken, könnten laut Stross Marktlücken abdecken, die etwa durch die Unübersichtlichkeit des Kindle Store entstehen:

Amazon’s inclusion of masses of self-published material in the Kindle store has made it impossible for heavy consumers to browse it effectively. Smaller bookstores may be able to gain a strategic edge by curating their content, providing quality control on reviews, and other tactics we can’t predict at this time.

Der Artikel ist Pflichtlektüre für alle, die sich mit Unternehmensstrategien, Digitalisierung, DRM u.ä. auseinandersetzen. Und wie immer sehr unterhaltsam geschrieben.

Charles Stross: "What Amazon's ebook strategy means"

Charles Stross betrachtet in einem Blogbeitrag Amazons eBook-Strategie, wieso sie aufgeht, was daran problematisch ist (Monopole/Monopsone) und warum die großen Verlagshäuser (Stichwort „Big Six„) mit ihrem Beharren auf DRM selbst daran schuld sind:

DRM restrictions would be mandatory on all ebook sales, lest rampant piracy cannibalize their sales of paper books. (This fear is of course an idiotic shibboleth—we’ve had studies since 2000 proving that Napster users back in the bad old days spent more money on CDs than their non-pirate peers.

[…]

By foolishly insisting on DRM, and then selling to Amazon on a wholesale basis, the publishers handed Amazon a monopoly on their customers—and thereby empowered a predatory monopsony.

[…]

And the only viable Plan C, for breaking Amazon’s death-grip on the consumers, is to break DRM.