Spaß, Neugierde und Idealismus: Interview mit einem Verlagsgründer [Teil II]

Das ist der zweite Teil unseres astikos-Interviews. Zu Teil I geht’s hier.

Hanna: Du hast in einem aktuellen Blogbeitrag geschrieben, dass ihr „pay what you want“ als Zahlmethode präferiert. Ist das schon sicher, dass es so läuft, oder steht das noch in der Diskussion? Daran anschließend: Wie viel Input und Ideen bekommt ihr schon von außerhalb eures Genossenkreises? Diskutieren schon die ersten mit oder werdet ihr noch kritisch beobachtet?

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Nikk Schmitz

Nikk: Ob wir pay-what-you-want bevorzugen, ist noch offen. Ich persönlich halte es aber auf jeden Fall für ein Konzept, das man ausprobieren sollte. Es besteht natürlich gerade bei diesem Versuch ein großes finanzielles Risiko für alle Beteiligten. Wir haben aber auch schon eine Idee, wie wir das bald mal ausprobieren – das wird ein schönes Gemeinschaftsprojekt ;-). Wir haben auch schon prima Input von außerhalb bekommen. Das lief bis jetzt zwar hauptsächlich über persönliche Gespräche (z.B. auf Messen und Netzwerkveranstaltungen), aber so langsam läuft die Kommunikation auch mit der Netzgemeinden an. Primär in den sozialen Netzwerken, aber auch auf unserem Blog kommen die ersten Kommentare an, was uns enorm freut. Wir wollen eben auch eine Diskussionsplattform bieten.

Hanna: Klingt nach einer Menge Aufgaben für etwas, das bei euch allen (?) nebenher läuft. Was ist eure Motivation dahinter, eure Ziele und Visionen? Und ist geplant, dass ihr irgendwann davon leben könnt?

Nikk: Ja, das ist wahr. astikos ist für uns alle zunächst ein Nebenprojekt und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Natürlich wäre es schön, irgendwann tatsächlich davon leben zu können – momentan sind Spaß, Neugierde und Idealismus unser Hauptantrieb. Und was unsere Ziele angeht, hm, jetzt wo wir in Gründung sind, heißen die nächsten Ziele Überleben und Wachstum. Zumindest aus der Sicht des Unternehmens. Als Verlag sind unsere Ziele natürlich das Verlegen von Texten und das Erschaffen einer funktionierenden Diskussionsplattform.

Dennis: Was plant ihr denn in Sachen Kommunikationsplattform? Geht das in die Richtung Social Reading wie bei Sobooks? Was haltet ihr denn allgemein vom Sobooks-Ansatz, dass Lesen künftig vermehrt im Browser stattfinden wird – also explizit nicht in der Browsersoftware eines ePub-Readers, sondern in einem normalen Webbrowser?

Nikk: Momentan ist das erste Ziel in dieser Hinsicht, eine Diskussion zum Laufen zu bringen – und diese über die verschiedenen Kanäle zu bündeln. Wie genau das in Zukunft aussehen wird, das muss noch besprochen werden. Die erwähnten Ansätze sind durchaus spannend und kreativ. Ich hoffe, dass wir es hinbekommen, das eine oder andere Konzept auch mal bei uns auszuprobieren :). Man muss mal schauen, welche Ideen sich sowohl für das digitale, als auch das physische Produkt eignen.

Hanna: Um nochmal zum pay-what-you-want zurückzukommen: Das Modell geht doch in Deutschland wegen der Preisbindung gar nicht, oder?

Nikk: Darüber haben wir uns auch schon Gedanken gemacht. Theoretisch könnten wir ja Titel auch für 0 Euro hergeben – bleibt dann die Frage, wie man die „Spenden“ steuerlich zu betrachten hat.

Dennis: Es gab da mal nen Fall, der auch die ganzen Humble Bundles und co. abgeschreckt hat. Ich würde aktuell davon ausgehen, dass das Modell zumindest angegriffen wird.

Nikk: Ich gehe eh davon aus, dass wir uns immer wieder angreifbar machen werden – aber anders kommt ja auch keine Diskussion zustande. Es wäre halt sehr schön, wenn aus solchen Gedankenspielen am Ende ein Konzept entsteht, das man ausprobieren kann 🙂

Dennis: Was ist denn euer Ziel, das ihr mit astikos erreichen wollt – außer, gute Bücher über die Stadt zu machen?

Nikk: Haha – Revolution und Weltherrschaft natürlich. Aber Spaß beiseite – es wär schon sehr schön, wenn wir in ein paar Jahren so weit wären, dass wir davon leben können. Abgesehen davon, möchte ich Spaß und Unterhaltung.

Dennis: Klingt nach einer spannenden Umsetzung des Slowentrepreneuship-Ansatzes!

Ich habe nur noch eine Frage: Wann kriegen wir denn die ersten Titel von astikos zu sehen, was für Titel sind das – und was kosten sie bei welchem Umfang?

Nikk: Vielen Dank! Die ersten Titel sind schon fast fertig, damit wir sie möglichst schnell nach Bestätigung der Gründung veröffentlichen können. In unserem ersten Programm liegt der Fokus auf kurzen Textformen, die es üblicherweise schwer haben bei einem Verlag unterzukommen. Die digitalen Versionen unserer Mikros (so heißt unsere Reihe für Kurzgeschichten) werden für ca. 2 Euro pro Stück erhältlich sein.

Hanna: Am Schluss möchten wir den Spieß noch kurz umdrehen: Welche Frage hättest du dir gewünscht, dass wir dir stellen, und wie hättest du sie beantwortet?

Nikk: Hm – wie wäre es mit „Möchtest du noch jemanden grüßen?“ Worauf ich dann antworten würde „Na klar! Meine wundervolle Frau, meine Familie und natürlich meine Homies!“ 😉

Hanna: Das ist ein schönes Schlusswort :). Im Namen von Dennis und mir vielen Dank fürs das Interview!

Nikk Schmitz, geboren und aufgewachsen in und um München, ist studierter Literaturwissenschaftler, passionierter Brettspieler und Bücherenthusiast. Er erblickte das Licht der Verlagswelt bei einem Praktikum in einer Literaturagentur und ist inzwischen rundum Hersteller. Angefangen hat das Herstellerdasein bei einem kleinen Münchner Digitalverlag und wird jetzt bei einem großen Verlag, der primär im Printbereich tätig ist, abgerundet. Ach ja – und seit Kurzem ist er Mitbegründer des Verlagsprojektes astikos.

Wie man mit eBook-Piraterie auch umgehen kann: Humble Bundle und Flatrate-Lösungen

Vorab: Teile dieses Blogeintrags haben Züge eines Rants. Ich bitte das freundlich zu beachten.

Illegale Portale haben die besseren Angebote.

Ob Serien, Filme, Musik: Nicht von den Verwertern bereitgestellte Angebote erfreuen sich gewaltiger Beliebtheit. Warum sollte das bei Büchern anders sein? Bislang war die Antwort einfach: Weil sie nicht umfassend als komfortable Digitalprodukte verfügbar waren. Wer will schon mit PDF-Scans arbeiten müssen?

Das ändert sich – zum Glück für alle Beteiligten. eBooks werden ansehnlicher, zumindest teilweise funktionaler und sie decken immer weitere Teile des Programms vieler Verlage ab. Aber leider sind die Angebote, die uns besagte Verlage machen, noch immer unattraktiver als die Alternativen:

Download-Foren weitaus attraktiver als Amazon & Co

[N]ur ein einziger Thread in einem populären Forum (boerse.bz ist unter den Top 100 der meistbesuchten Websites in Deutschland) kann in kurzer Zeit rein rechnerisch mehr E-Books unter das Volk bringen als alle legalen Buchhandels-Portale zusammen (gesamter Absatz in 2011: knapp 5 Mio. E-Books).

Und warum? Da fallen mir vor allem drei Gründe ein:

  • Weil der Content auf Piraterie-Seiten nicht durch DRM eingeschränkt wird. DRM bestraft den ehrlichen Kunden. Merkt euch das endlich, Verlage!
  • Weil die „illegalen“ Portale komfortabel sind. Das größte Problem ist beim Filesharing und Streaming, dass mal ein Server oder Torrent tot ist. Dann weicht man aus – dezentralen Strukturen sei Dank. Die legalen Portale verlangen langwierige Anmeldeprozesse. (Ein Argument pro Amazon, denn dort hat man sowieso ein Konto.) Sie verlangen DRM-Software (s.o.).
  • Weil der Content dort umsonst ist. eBooks sind im Durchschnitt zu teuer. Punkt.

Man lässt die Leute nicht bezahlen

Gucken wir mal über den Tellerrand des Buch-Contents, um Nutzerwünsche zu analysieren: Ich bin bekennender Serienfan. Und ich will keine 9 Monate nach Erstausstrahlung warten, bis meine Lieblingsserie (wenn überhaupt) in schlechter deutscher Synchronisation im Nachtprogramm eines schlechten deutschen Senders läuft, 9 Monate, während derer ich online wie offline Gespräche über eine Episode mitbekomme und an deren Ende ich sowieso schon alle guten Szenen durch Youtube und alle Entwicklungen via Twitter kenne. Ich will die Episode sehen, kurz nachdem sie der US- oder UK-Zuschauer gesehen hat. Alles andere ist lächerlich.

Dafür wäre ich ja auch bereit, zu bezahlen – wenn man mich ließe. Es gibt aber schlicht kein umfassendes oder bezahlbares Angebot der Rechteverwerter, die lieber an halbgaren Lösungen stricken. Im eBook-Segment sieht das ähnlich aus. Die Leute wedeln mit ihrem Geld – und werden es nicht los:

Plattformen wie online-library.ws bieten gegen eine monatliche Grundgebühr (in diesem Fall 39 Dollar) unbegrenzte, werbefreie Downloads hunderttausender DRM-freier E-Books und Hörbücher, freilich ohne Autorisierung der Rechteinhaber. Die Nutzer sind also durchaus bereit, etwas zu zahlen – doch bei legalen Angeboten werden sie durch hohe Preise und lästigen Kopierschutz abgeschreckt. (eBooks News)

Ändert bitte etwas an diesem Zustand.

Warum keine Innovation? Darum!

Projektstand am 19.10.

Oder sucht euch, liebe Autoren, Verleger, Verwerter, Rechteinhaber, andere kreative Ansätze, um euren Content bezahlt an den Mann zu bringen. Wie das HumbleBundle, über das ich auch schon einmal bloggte und über das nun auch der Buchreport schreibt. Bei diesem Ansatz, der bereits erfolgreich für Games und Musik ausprobiert wurde, bestimmt der Kunde, was er für ein Content-Paket bezahlt. Und sogar, wie sein Geld unter Autor, HumbleBundle und karitativen Zwecken aufgeteilt wird.

Tolle Idee – und eine, die beweist, dass Kunden durchaus bereit sind, Geld für Inhalte zu bezahlen. Es funktioniert – über die Masse, wie eine Flatrate-Lösung. Das sollte man auch in Deutschland einmal ausprobieren, oder? Achso – hat schon jemand? Und wurde vom Börsenverein und dem Preisbindungstreuhänder (was für ein Unwort) abgewatscht? So sieht Innovation aus …

Enno Lenze:

„Dass man das Produkt ,Buch‘ weiterdenken muss, ist keine Frage und ein Blick über den Tellerrand der Buchbranche zeigt einem, dass Flatrate-Modelle für Kulturgüter irgendwann die Lösung sein werden“.

Eine Flatrate ist natürlich keine eierlegende Wollmilchsau. Sie hat diverse Probleme, zuvorderst, wie das Verteilungsmodell aussehen soll. Oder dass sie immer an dysfunktionale bürokratische Riesenmaschinen wie die Gema erinnert. Vielleicht sind Abo-Modelle eine bessere Lösung, aber bitte nicht so halbherzig wie Skoobe. FAkt ist: Es muss sich was ändern. Und jeder Tag, der bis dahin verstreicht, treibt mehr Menschen weg von den legalen Vertriebswegen und jeder Tag kostet Geld.