Gamification – ein Trend für die Buchbranche?

Die Titelgeschichte im impulse-Heft Mai 2012 dreht sich rund um Spiele. Nicht Kinderspiele, sondern die, die auch Erwachsene gerne spielen. Große Firmen wie Daimler wenden die bereits für ihre Mitarbeiter an, während kleinere Unternehmen momentan noch zögerlich sind – sowohl für den Kunden- als auch für den Mitarbeitereinsatz. Aber könnte nicht genau die Spielifzierung das Element sein, das eBooks & Co. endlich attraktiv macht?

Verborgener Spieltrieb

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich Menschen fürs Spielen begeistern können. Anschaulich beobachten konnte man das bei der Sudoku-Welle vor ein paar Jahren, als die Zahlenrätsel plötzlich reißenden Absatz fanden. Das Erfolgserlebnis, das beim Sudoku durch ein gelöstes Rätsel eintritt, kann aber auch anders generiert werden: Es reicht der Wettbewerb, der Vergleich mit sich selbst oder mit anderen. Man nehme dazu das Konzept verschiedener Level, in die man sich hochtrainieren kann, und schon ist eine Leistungssteigerung sichtbar, die gefeiert werden will. Konkret wäre das zum Beispiel eine Kochen-App, die gekochte Gerichte registriert und auswertet: Je aufwändiger und komplizierter die Gerichte sind, desto höher ist das Level des Koch, der zwischendrin immer wieder neue, auf seinen Level passende, Rezepte als Vorschlag präsentiert bekommt. (Ich hoffe sehr, dass es eine derartige App nicht schon gibt und ich sie nur nie gefunden habe.)

Zukunftsvisionen

Ein sicherlich wichtiger Aspekt, der im Artikel auch angesprochen wird, ist der, dass die Smartphone-Dichte hierzulande noch nicht so hoch ist wie beispielsweise im Nachbarland Dänemark. Allerdings muss man die Spielmöglichkeiten nicht ausschließlich auf Apps beschränken. Über PCs kann man ebenso Optionen ausschöpfen, was in der Buchbranche bislang eher zögerlich gemacht wird. Spontan fällt mir hier das Cat Protect-Spiel ein, das der Börsenverein (erfolglos?) launchte. Dabei wäre Gamification sicher auch ein Ansatzpunkt, um eBooks attraktiver zu machen. Pro zehn gekauften eBooks gibt’s ein kleines PC-Spiel gratis oder für jeden bestandenen Level gibt’s fünf Seiten mehr von der Leseprobe des Fantasy-Romans einzusehen. Zwar kann ich mir Spielifizierung im Buchbereich nur als eine Komponente unter vielen vorstellen, aber als solche sehr gut mit stärkerem Gewicht als heute und mehr als nur marginaler Bedeutung.

Ideen im protoTYPE-Umfeld

Die Aktion protoTYPE gefällt mir immer besser, auch jene Teile, mit denen ich weniger zu tun habe. Anfangs war ich skeptisch – klar, die Sache ist vom Börsenverein getragen. Etwa die projektbegleitenden Seminare an medienwissenschaftlichen Einrichtungen zeigen nun, dass protoTYPE auf dem richtigen Weg ist: Junge Denker und junge Gedanken. Genau das, was die Branche dringend braucht, gerade in Bezug auf digitale Produkte. Ein beliebig gewähltes Beispiel:

Doch stattdessen entsteht bei mir mehr und mehr der Eindruck, dass die Verlage so weit weg von der digitalen Realität sind, dass eine solche Innovation außerhalb ihres Know-hows liegt. (Herr Larbig)

Unter den Ideen, die an den Hochschulen durchdacht werden – etwa in Mainz, nur nicht in Erlangen -, sind einige, die mir die Entscheidung für mein Projektteam in Leipzig schwerer gemacht hätten. Zum Beispiel:

Bookworker.com (alle Bezeichnungen sind Arbeitstitel) zum Beispiel, eine zentrale Plattform zur Jobvermittlung für branchennahe Freelancer, will den zunehmend dezentralen Strukturen der sich wandelnden Branche entgegenkommen: ein Xing der Branche, in dem Einzelaufträge bestbietend an qualitativ bewertbare Anbieter vergeben werden, ein Gegenentwurf zur desaströsen Bezahlsituation, die durch Portale wie MyHammer noch gefördert werden.

Die Hochschulreihe läuft unter Katja Splichal und Martin Fröhlich weiter, je Hochschule unterstützt von einem „Praxisbotschafter“. (Der Begriff stört irgendwie, aber immer noch besser als „experience ambassador“ oder ähnliches.) Einen Überblick gibt es direkt bei proroTYPE.

Was passiert innerhalb von protoTYPE aktuell sonst? Es wird viel gewerkelt, bei uns vor allem viel über den Markt nachgedacht. (Und etwa Videos produziert.) Man darf gespannt sein auf die Präsentationen auf dem Buchcamp in zwei Wochen!

Charles Stross: "What Amazon's ebook strategy means"

Charles Stross betrachtet in einem Blogbeitrag Amazons eBook-Strategie, wieso sie aufgeht, was daran problematisch ist (Monopole/Monopsone) und warum die großen Verlagshäuser (Stichwort „Big Six„) mit ihrem Beharren auf DRM selbst daran schuld sind:

DRM restrictions would be mandatory on all ebook sales, lest rampant piracy cannibalize their sales of paper books. (This fear is of course an idiotic shibboleth—we’ve had studies since 2000 proving that Napster users back in the bad old days spent more money on CDs than their non-pirate peers.

[…]

By foolishly insisting on DRM, and then selling to Amazon on a wholesale basis, the publishers handed Amazon a monopoly on their customers—and thereby empowered a predatory monopsony.

[…]

And the only viable Plan C, for breaking Amazon’s death-grip on the consumers, is to break DRM.

eBook-Leihe nur als Zusatzgeschäft?

Da sind sie mal wieder: die Zweifler. Diesmal eher unerwartet in Person von Michael Roesler-Graichen, Redakteur beim Börsenblatt, der das Modell der kommerziellen eBook-Leihe kommentiert.

Pseudo-Flatrate als Chance

Im Grunde ist es keine Flatrate, trotzdem setzt sich der Begriff durch. Anbieter wie PaperC und Skoobe bieten eBooks nicht bzw. nicht ausschließlich zum endgültigen Kauf an, sondern zur Ausleihe – die Übertragung des Büchereiprinzips auf das Internet. Und an sich ist das eine gute Idee, ein vor allem bei Viellesern bewährtes Konzept auf das Internet zu übertragen. Das könnte dem noch immer stockenden eBook-Geschäft auch den Auftrieb geben, den man in Deutschland seit einigen Jahren erwartet, der aber bisher nur langsam vorangeht.

eBook-Wert umstritten

Aber was wären wir ohne das berüchtigte „Aber“? Dieses kommt hier in Form der Befürchtung der sinkenden Wertigkeit von eBooks. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass eBooks bis dato sowieso nicht als allzu hochwertig angesehen werden. Sehr viele Leser beschweren sich über die in ihren Augen zu hochpreisigen eBooks. Das ist ein klares Indiz dafür, dass eBooks als weniger wertig angesehen werden als ihr Preis den Eindruck vermittelt. Und natürlich ist der Preis nur eines von vielen Kriterien für die Wertigkeit eines Produkts, aber da das Standard-eBook bar jeder enhanced-Elemente und Zusatzleistungen ist, sollte man meines Erachtens in diesem Zusammenhang vorsichtig mit diesem Argument sein. Zweifelsohne verfügen eBooks über Wertigkeit, aber über das Ausmaß derselben bestehen zurecht Zweifel.

Kein Preisverfall in Sicht

Auch den angesprochenen potenziellen Preisverfall sehe ich nicht. Ausleihe ist etwas Anderes als Kauf: Das wissen alle Leiher und Käufer, und das ist online nicht anders als offline. Wenn die Onleihe in Form von Flatrates als Service angesehen und vor allem auch genutzt wird, ist das eine Methode, den eBook-Markt voranzutreiben. Bereits jetzt bremsende Argumente einzuwerfen und Flatrates als Zusatzgeschäft beschränken zu wollen, finde ich entschieden zu früh.