Buchmenschen und ihr Medienkonsum – Sachbuch oder Roman? [Teil IV]

Hier ist der vierte und letzte Teil unserer kleinen Umfrage zum Medienkonsum von jungen Buchmenschen.

Frage IV: Sachbuch oder Roman?

DennisDennis Schmolk #Blogger #Genussmensch #Digitalfetischist: Schwierig. Beide Formen sind geeignet, persönliche Überzeugungen und Wahrnehmungen zu zerstören und moralisch desorientierend zu wirken. (Ich finde das etwas Gutes.) Wenn mich aber eines Tages eine fundamentalistische Sekte, die sich an die Macht putscht, zwingt, auf eine zu verzichten, dann wohl eher auf Sachbücher. So sehr mich dieses Jahr Nicholas Taleb, Daniel Kahnemann und Yuval Harari beeindruckt haben, auf Sheas/Wilsons Illuminatus!, Ecos „Foucaultsches Pendel“ und Walter Moers ganz allgemein könnte ich nicht verzichten.

 

 

 

 

Stephan_Stephan Brünig #schlumischlumpfig #Routinegegner #Wortspieler: Schwierig! Schenkt man einer Statistik des Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. von 2014 Glauben, dominiert die Belletristik mit 33,8 Prozent den Anteil am Gesamtumsatz, das Sachbuch liegt weit abgeschlagen mit 9,3 Prozent dahinter. In den Jahren seit meinem lesefähigen Alter hat sich mein Geschmack verändert. Bis zur Allgemeinen Hochschulreife habe ich Romane förmlich verschlungen, nicht zuletzt durch die strengen Auflagen im Deutschunterricht, der fast ausschließlich aus Literaturarbeit bestand. Mit Beginn der kaufmännischen Berufsausbildung verlagerte sich dann der Schwerpunkt, Sachbücher im Bereich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft drängten sich in den Vordergrund. Seither ändern sich die Anforderungen an meine Arbeit ständig und verlangen mir eine regelmäßige Weiterbildung ab, für die ich zum großen Teil Sachbücher einsetze. Zugegeben, so ein Sachbuch mit Spannungssteigerung, Höhepunkt, Wendung und Happy End wäre schon schön. Aber keine Angst, gänzlich habe ich die Romane noch nicht aus meiner Freizeit verbannt, sie liefern eine gute Abwechslung zum faktenreichen Alltag.

 

Hanna-Hanna Hartberger #Bloggerin #Organisationsgenie #gehtnichtgibtsnicht: Früher eindeutig Roman, momentan immer noch eher Roman, aber die Tendenz geht immer stärker in Richtung „beides“. Abgesehen davon gelingt es mir außerhalb von Urlauben nur schlecht, komplette Bücher zu lesen.

 

 

 

 

 

 

Kristin_Kristin Schenk #Buchwissenschaft #Sherlock #Sortiment: Ich bin ein totaler Roman-Leser, von Historischem über Fantasy, Jugendbücher und Unterhaltung lese ich durch die Bank (fast) alles. Bei Sachbüchern interessieren mich höchstens biografische oder historische Themen. Beim Lesen selbst schwanke ich zwischen Print-Buch und eReader. Wenn ich gar nichts dabei hab, nutze ich auch schon mal die Thalia eBook App auf meinem Smartphone. Heute gibt es ja zum Glück viele Möglichkeiten.

 

 

Maulwurf-AndreKrteček und André Pleintinger #Projektmanagement #Fachverlage #Verlagspraxis #Bergsport: Hier gibt es eine klare Antwort: Roman!

Krtečeks Top 5:
1. Robert Schneider „Schlafes Bruder“
2. Antonio Tabucchi „Erklärt Pereira“
3. Bernhard Schlink „Der Vorleser“
4. Charles Simmons „Salzwasser“
5. Julián Ayesta „Helena oder das Meer des Sommers“

Das sind die Bücher, die der kleine Projektmanager sogar zwei- bis dreimal lesen musste! Aber es gibt noch so viel mehr! Die Barcelona-Reihe von Carlos Ruiz Zafón habe ich geradezu verschlungen. Die Polt-Krimis von Alfred Komarek lassen mich zur Ruhe kommen. Kurzgeschichten von Frank O’Connor heben meine Laune. Gegenwartsliteratur von Steven Uhly amüsiert mich.
Alle anderen Autoren und Bücher mögen mir verzeihen, dass ich sie in meiner Aufzählung vergessen habe.

 

Die weiteren Fragen und Antworten werden in den kommenden Wochen jeweils donnerstags veröffentlicht bzw. sind hier nachzulesen:

– Frage I: Zeitung oder Zeitschrift?

– Frage II: Was sind deine Lieblings-Apps?

– Frage III: Serie oder Film?

 

Fotocredit Beitragsbild (ganz oben): Brenda Clarke via Flickr cc, Fotocredit Stephan Brünig: Heise Medien GmbH & Co. KG/Lena Ewald

Bücher, die nicht gefallen, sind anstrengend – Readgeek II

Hier ist der zweite Teil des Interviews mit Uwe Pilz, dem 35-jährigen Initiator der Plattform Readgeek, die Lesern Bücher empfehlen möchte, die ihnen gefallen. Den ersten Teil des Interviews gibt’s hier.

Was genau ist das Geschäftsmodell? Ihr macht damit ja Geld, oder? Und was sagt der Datenschutz …?

Der ursprüngliche Gedanke war in der Tat mal kein Geld. Vielmehr habe ich mich über schlechte Bücher geärgert. Zudem fand ich es sehr traurig, dass die Leute um mich herum so viel fernsehen und Lesen als zu anstrengend empfinden. Dabei sind Bücher ja nicht per se anstrengend, sondern nur solche, die einen nicht zu fesseln vermögen. Da setzt ja Readgeek an.

Davon kann natürlich noch niemand leben, also habe ich mit Amazon ein Abkommen geschlossen, sodass wir pro vermitteltem Buch eine Provision bekommen. Wenn also jemand auf den Kaufen-Knopf auf Readgeek drückt, weiß der Buchhändler, dass die Person von Readgeek kommt. Das reicht zwar im Moment noch nicht mal für die Servermiete, aber die Benutzerzahl wächst schneller als wir es gedacht hätten. Das freut uns natürlich.

Screenshot der Startseite von Readgeek eines eingeloggten Nutzers.
Übersichtsseite eines eingeloggten Nutzers.

In unserer Datenschutzrichtlinie ist festgeschrieben, dass wir personenbezogene Nutzerdaten auf keinen Fall an Dritte weitergeben. Alle Angaben und selbst die Buchbewertungen lassen sich zudem vor den Blicken anderer schützen, wenn man das möchte. Man kann also auch völlig anonym teilnehmen und muss überhaupt keine Informationen über sich preisgeben. Ich persönlich glaube aber, es macht mehr Spaß, wenn man sich mit anderen vernetzt, um sich zusätzliche Leseideen zu holen.

Wie gut deckt Readgeek Special-Interest-Gebiete ab?

Das kommt sicher darauf an, wie speziell das Interessengebiet ist. Wir glauben, wir sind bereits ziemlich gut, und wenn die Vorschläge mal nicht den Erwartungen entsprechen sollten, lohnt es später nochmal vorbeizukommen, da die Prognosen mit steigender Nutzerzahl immer besser werden.

Wie sind die ersten (Nutzer-)Reaktionen?

Überaus positiv. Viele scheinen so eine Seite vermisst zu haben. Das motiviert ungemein. Außerdem helfen viele mit Berichten die Kinderkrankheiten loszuwerden, die bei einem solchen Projekt unweigerlich auftreten. [Hier muss man ergänzen, dass die Anmerkungen der Nutzer wirklich ernst genommen werden. Genau wie vor einem Jahr reicht es, wenn ich im Gespräch mit Uwe kurz erwähne, dass ich xy noch nicht so gut finde, und zwei Tage später ist es geändert.]

Foto von Grafiker Viktor Nübel
Viktor Nübel ist bei Readgeek für die Grafik und alles Visuelle zuständig

Wie viele Bücher sind momentan vorhanden?

Zur Zeit sind etwa 2,5 Millionen Bücher in unserer Datenbank.

Was sind deine nächsten Ziele mit Readgeek?

Als Nächstes arbeiten wir daran, Mitgliedern zu ermöglichen, nicht vorhandene Bücher ins System zu geben und Daten zu korrigieren bzw. zu erweitern. Außerdem gilt es, neben Amazon auch andere Buchversender und, je nach Möglichkeit, Bibliotheken zu verlinken. Auch arbeiten wir an einer Suchfunktion nach Themen und Inhalten, deren Suchergebnisse dann sogleich nach der Prognose sortiert werden können. Denkbar wäre dann z.B. vor einem Spanienurlaub nach Krimis, die in Barcelona handeln, zu suchen, um die passende Lektüre in der Reisetasche zu haben.

Lesen, was einem gefällt – Readgeek I

Vor fast einem Jahr gab es in Leander Wattigs Interviewreihe die spannende Vorstellung von Uwe Pilz und seinem Portal Readgeek. Readgeek versucht, in einem Satz gesagt, Bücher zu finden, die nach dem Geschmack eines Lesers sind. Nun findet Uwe die Plattform reif genug, um mir die Fragen, die ich damals schon hatte, zu beantworten – vielen Dank dafür!

Wichtigste Frage zuerst: Hat die Eule in eurem Logo eine besondere Bedeutung? Und liest sie ein Buch oder ein E-Book?

Logo ReadgeekEulen stehen ja für Weisheit und Belesenheit. Bei uns steht die Eule für jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin auf Readgeek. Wir haben also viele kleine weise Eulen, die alle zusammen erst die Webseite ermöglichen, denn ohne deren Leseerfahrungen und Buchbewertungen wäre keine Vorhersage oder Buchempfehlung möglich.

Ob sie jedoch ein E-Book oder herkömmliches Buch liest, das ist ihr glaube ich egal – solange es denn ein gutes Buch ist.

Warum ist dein Konzept besser als Amazons Empfehlungssystem, Goodreads etc?

Die Konzepte von Amazon und Goodreads unterscheiden sich recht grundlegend. Während unsere Methode die Vorhersage beliebiger Bücher erlaubt, bekommt man bei den anderen beiden lediglich Buchvorschläge, die ähnlich zu denen sind, die man bereits gelesen hat – Amazon stützt sich sogar zum Teil nur auf die Käufe ohne zu wissen, ob das Buch überhaupt gefiel.

Foto von Uwe Pilz
Uwe Pilz

Das fanden wir unzureichend, weil der Leser so in einem Themenkomplex stecken bleibt und all die Bücher verpasst, die vielleicht noch viel spannender wären, er sich aber einfach noch nicht vorstellen kann. Unser Anspruch ist es gerade vom Mainstream weg zu führen – hin zu den besten Büchern und nicht zwingend hin zu den durchschnittlich beliebtesten.

Hinzu kommt, dass Goodreads vor kurzem von Amazon aufgekauft wurde, und Amazon ja auch immer stärker als Verlag in Erscheinung tritt. Das könnte über kurz oder lang zu Interessenkonflikten führen, welche Bücher empfohlen werden. Readgeek dagegen ist verlagsunabhängig.

Wer ist die Zielgruppe?

Readgeek kann Aussagen über Vorlieben bei der „schönen Literatur“ machen. Also alles, was unterhält, inklusive Biografien, und selbst Comics. Voraussetzung ist, dass schon einige Bücher gelesen wurden und die Bewertungen auf www.readgeek.com eingetragen werden. Wer dagegen Auskunft über Fachliteratur haben möchte, wird in der Bibliothek oder im Fachbuchladen ziemlich sicher besser beraten.

Ob dabei jemand drei Bücher in der Woche oder im Jahr liest, spielt keine Rolle. Genauso wenig das Alter oder die Herkunft. Zur Zeit ist die Webseite auf Deutsch und Englisch verfügbar. Spanisch und Französisch sollen folgen. Buchtitel sind in sehr vielen Sprachen verfügbar, wobei die Vollständigkeit je nach Popularität variiert. Readgeek ist also für nahezu jeden nutzbar, der zumindest eine der beiden Seitensprachen versteht.

Den zweiten Teil des Interviews gibt’s morgen.

Die Gamifizierung des Lesens

Diese Woche ging das Kickstarter-Projekt The Game of Books erfolgreich zu Ende, das Lesen zu einem Spiel mit Wettbewerbscharakter (Punkte) und Charakterentwicklung (wie bei einem Rollenspiel) zu machen, also das Lesen zu „gamifizieren„:

Imagine a game where you – the reader – are the main character, and every book you read earns you points and rewards. The Game of Books is a game for adventurous readers where the books you read earn you points based on what they are about.

The Game of Books combines the physical world of books with the digital and imaginary. It is a website and mobile app that combines „Foursquare for books“ and Xbox Live-style gamer achievements, earning you badges and points for the rare themes you encounter in books.

At its heart, The Game of Books allows those of us that love reading to earn something extra for what we already love, to become the master of themes that we visit more than others, to discover books we’d otherwise miss, and to track how we have grown as readers over time.

[…]

The Game of Books is an innovative way to keep track of what experiences you’ve gained as you read

Außerdem konnten sich die „Backer“, also die Unterstützer des Projekts, für 10 Euro zu einem Buch bekennen und diesem eine „Somebody loves me“-Plakette verleihen:

Pledge $10 or more

GIVE YOUR FAVORITE BOOK A BADGE!: Show your appreciation for a loved book by buying them a special, „Somebody Loves Me“ badge! For every $10 you pledge to this reward, you receive 1 vote to cast towards any book you like. Doing so will forever earn it the „Somebody Loves Me“ badge, making it more attractive to point hungry readers!

Was zeigt uns der Erfolg (immerhin 109.000 von 102.000$)? Die Backer lieben lesen, sie wollen sozial lesen (durchaus auch mit einem Wettbewerbsgedanken: Wer vergleicht nicht gerne zu Silvester mit anderen Leuten, wieviele Bücher es dieses Jahr ungefähr waren?) und sie wollen spielerisch lesen (mit Erfahrungspunkten und einem „Charakter“, der sich analog dazu entwickelt, was die User lesen.

Das Projekt hatte in den höheren Pledge-Stufen auch „Authors only“ und „Publishers only“-Levels, die fürs eigene Marketing eingesetzt werden können, und Pakete, die für Bibliotheken und Schulklassen mehrere Zugänge zum per Browser und App spielbaren Game bieten. Vielleicht öffnet sich hier auch ein neuer Weg in der Leseerziehung.

Die Demo (The Game of Books) hat bislang einen sehr eingeschränkten Titelkatalog und einen Disclaimer: „This is only a concept demo, and is just for fun. It has no purpose beyond showing how The Game may work. The final Game will likely be nothing like this. We are not controlling for cheating or recording scores. The design, layout, search functions, scores, themes, levels… everything… are open to change.“ man darf also gespannt sein.

Ich finde das Projekt ausgesprochen spannend, aber ich bin da ja meistens sehr schnell zu begeistern, wenn Spiele, Social Media und Crowdfunding beteiligt sind. Was haltet ihr von The Game of Books?

Das Ende der Neugier

Quelle: Wikimedia Commons

Wer kennt ihn nicht? Den unauffälligen Blick des Sitznachbarn im Zug, was man denn liest? Oder auch den eigenen Blick, welche Lektüre denn das Gegenüber in der S-Bahn liest? Und wer kennt nicht die peinliche Berührtheit auf mindestens einer Seite, wenn es denn doch eher mal „seichte“ oder gar erotische Literatur und kein Goethe ist? Das Schämen und Fremd-Schämen hat jetzt ein Ende – dank den eBook-Readern.

Keine fremden Blicke mehr

Ich finde das befreiend! Endlich kann ich das, was ich lesen will, in Ruhe lesen, ohne darauf achten zu müssen, dass u.U. den Buchtitel niemand erkennt. Denn so liberal wie wir vorgeben in Bezug auf die Literatur zu sein, sind wir bei Weitem nicht (aber das ist ein anderes Thema). Allerdings haben schon mehrere Freunde darüber geklagt, dass sie jetzt eben nicht mehr sehen, was andere Leute lesen.

War es früher besser?

Ist der Zugewinn an Anonymität also wirklich eine Verbesserung der Lage? Bei einem konkreten Buchtitel konnte man leichter ins Gespräch kommen, wenn man das Buch auch schon gelesen hatte oder sich dafür interessierte. Heutzutage wird es eher auf ein Gespräch über den eBook-Reader-Typ herauslaufen. Dass dies ein Aspekt ist, den viele Menschen vermissen werden, kann ich nachvollziehen. Aber da ich meine Privatsphäre wirklich mag, finde ich eBook-Reader wirklich eine Erleichterung. Und über die gelesen eBooks kann ich nach wie vor mit meinen Freunden reden, vor allem da ich sie sowieso lieber mit Freunden als mit Fremden bespreche.