Kickstarter aus Deutschland: Eine völlig zusammenhanglose Rundschau

Kickstarter kommt nach Deutschland – das stand ja seit Monaten fest. Den Launch habe ich dann aber nur am Rande mitbekommen, weil ich anderweitig beschäftigt war. Heute fand ich Zeit, mir mal all die „German based projects“ anzusehen. Eine zusammenhanglose Rundschau abseits der bekanntesten Projekte

Gin oder kein Gin? Und andere spirituelle Fragen

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Moonshine, anyone?

Beim Namen des Dr Charles Levine GIN KIT-Projekts dachte ich zunächst an eine kleine Alltagsdestille für jedermann. Dann kamen mir aber meine Grundkenntnisse in Genussmittelbesteuerung in den Sinn und ich fragte mich, ob Privatpersonen inzwischen ohne gewaltigen Anmeldeaufwand brennen dürfen.

Dürfen sie natürlich nicht, und dieses Gin-Paket ist ungefähr das, was es in diversen Variationen seit Jahren als „Mach dir deinen eigenen Absinth“-Paketen gibt: Kräuter, die man mit möglichst neutralem Alkohol ansetzt. Die Projektmacher aus Berlin empfehlen Vodka – wobei der ja durchaus eigenen Geschmack mitbringt … Leider sind die Kosten eher hoch: Die Early Birds sind schon weg, daher muss man nun 39 Euro für ein Gin Kit zahlen. Refill-Packungen mit Kräutern sind für 10 Euro zu haben, das Bundle spart kein Geld. Versandkosten: 5 Euro nach Deutschland.

Wir bleiben bei hochgeistigen Dingen: Vodrock hat entweder Kickstarter falsch verstanden oder das System gehackt, denn die Supporter sollen dort in die Infrastruktur des Unternehmens investieren und bekommen dafür Dankeschöns wie Oldtimer-Überlandfahrten und Shot-Gläser. Es existiert keine auf Kickstarter eher normale Produktzentrierung (Vodka gibt es gar nicht als Belohnung), man bekommt eher den Eindruck, als wäre das Projekt auf einer Crowdinvest-Plattform besser aufgehoben.

Essen drucken!

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Backen war gestern.

Darauf musste man ja nach dem Erfolg einiger 3D-Printer auf Kickstarter nur warten; hier ist der Bocusini, der erste „Plug&Play“-Speise-Drucker! Die Kosten sind überschaubar, das „Junior food printing system“ gibt es ab 549 Euro. Die Pro-Version kostet 999 Euro im Early Bird und verlässt garantiert bis zum 6.12. das Lager. Wer freut sich schon auf selbstgedruckte Plätzchen?

Bücher, Karten, Spiele

Spiele, Musik und Apps findet man deutlich mehr, aber es finden sich auch ein paar klassische Verlagsprodukte. Fundstücke: Ein „Hundewelpen aus Spanien“-Fotobuch, ein „Menschen in Deutschland“-Fotobuch und ein Deutsch-Wörterbuch für Künstler. Außerdem ein Manga-Malbuch aus meiner Heimatstadt Nürnberg.

Einen Titel wie er im Selfpublishing-Vorurteilsbuch steht gibt es auch, „Alastor“ ist ein SciFi-Roman mit episch schlechtem Coverentwurf. (Sorry.) Das Buch ist nicht fertig und soll als Printausgabe 20 Euro kosten.

Ebenfalls nicht sonderlich erfolgsversprechend sieht „Tinder Stories and dialogues“ aus, der Versuch einer Hamburgerin, eigene und fremde Erlebnisse mit Tinder in einem Buch festzuhalten. Und die Sin Stories lassen wir einfach mal (fast) unerwähnt.

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Für Kollegen und gute Freunde …

Neben klassischen Buchprojekten gibt es auch noch andere Drucksachen. Z.B. die witzigen, aber bis dato unterfinanzierten Diss-Cards aus Berlin. Ein paar Spieleprojekte finden sich auch: „Game Factory“ ist irgendwie Meta: Das Brettspiel lässt die Spieler eigene Games-Studios führen, hat aber leider 9 Tage vor Ablauf nur ein Viertel der angepeilten 20.000 Euro Kapital errungen.

Im Gaming-Bereich haben wir auch noch Sleeves, ein individualisierter Armschoner, der bei Counterstrike & co. helfen soll. Leider gibt es nur ein Video, keine Bilder des Produkts.

Technik und Services

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Ein Seminar zur Frage, wie man Apps macht.

Wie man eine App macht, kann man im einem einmonatigen Seminar lernen, das aufgezeichnet und danach zur Verfügung gestellt wird. (Leider hat das Projekt keinen zitierfähigen Namen. ) Wer sein Glück lieber an der Börse versuchen möchte, kann in tägliche spannende Börsennachrichten aus China und Hongkong investieren und dafür sogar einen Werbeplatz in Vor- oder Abspann der Clips bekommen.

Eines der ganz wenigen Projekte, das mir das Gefühl eines richtigen „professionellen“ Projekts gibt, ist BuddyGuard, ein Gerät für Smart-Home-Security. Buddy Guard hat vom Video bis zu Stretch Goals alles.

Lediglich 150 Euro strebt ein Heidelberger Entwickler für die Entwicklung eines WordPress-Plugins für Popups an. Bei derartig geringen Beträgen frage ich mich, ob er das Geld nicht schneller durch eine Aushilfstätigkeit in der lokalen Kneipe erwirtschaftet hätte … Aber es geht offenbar auch darum, Kickstarter als ersten Verkaufskanal des Plugins zu nutzen.

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Stories digital erzählen – mal anders.

Spannend und gleichzeitig ein wenig befremdend ist StoryHome, eine Art umgedrehtes Babyphone, das via Cloud-Speicher vorgelesene oder erzählte Geschichten ins Kinderzimmer bringt. (Das ist der offensichtliche Use Case – tausend mehr sind vorstellbar.) Mindestens 130 Euro muss man investieren, um den Kindern Stories aus der Retorte oder von entfernten Verwandten ins Zimmer zu liefern. Da fragt sich natürlich, ob ein so spezialisiertes Gerät die Investition lohnt und man nicht lieber auf eine eigene Lösung (Smartphones und Dropbox) ausweicht, aber ablenkungsfreie Single-Purpose-Lösungen im Kinderzimmer sind ja nicht die schlechteste Idee.

Sonstige Fundstücke

Strahlungssichere Unterwäsche. Das ist weniger lustig, sobald man begreift, dass es um Schutz vor Handystrahlen geht, aber es bleibt kurios. Wer sich seine Zahnbüsten für Oktober vorbestellen möchte, findet die Tio https://www.kickstarter.com/projects/tio/tio-save-the-world-twice-a-day?ref=city

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GreenYou wird im NDR vorgestellt.

Erstaunlich und auch schade ist, dass das Projekt GreenYou, das Gewächshaus fürs Wohnzimmer, nur 76 Euro (von den eher ambitionierten 200.000 Euro Projektziel) eingesammelt hat. Dabei hatte das Projekt sogar einen NDR-Fernsehauftritt und schreibt nach der Homegrow-Szene. Vielleicht liegt es daran, dass das Finanzierungsziel zu hoch gegriffen ist; ich würde sogar bei großer Verbreitung und Akzeptanz nicht auf einen Erfolg spekulieren und mir die Unterstützung gleich sparen. Oder es liegt daran, dass die Gewächshäuser laut Videobeitrag 299.- kosten, das entsprechende Pledge-Level aber 300 kostet. Andererseits bleiben GreenYou aber ja noch fast sechs Wochen, um zumindest zu zeigen, wie viel Potenzial die Idee hat.

Eindrücke

Ein erster Eindruck ist, dass es deutsche Kickstarter-Gründer bei mir schwer haben, wenn sie nicht den Professionalitätsgrad der Projekte erreichen, die ich seit 2011 unterstützt habe. Projektvideo, professionelle Grafiken, Stretch Goals und das Gefühl, der Projektgründer gehört „zur Community“ sind für mich unabdingbar.

Gleichzeitig eröffnet sich jetzt einigen sehr spannenden Projekten eine neue Zielgruppe auf Kickstarter. In Deutschland sitzende Gründer mussten bislang ja trotz Internationalität auf kleinere Plattformen wie IndieGoGo oder StartNext mit deren eingeschränkter Reichweite ausweichen. (Ein Beispiel: The Dreamlands von Huan Vu.)

Spannend bleibt offenbar immer die Frage nach der Projektsprache. Die meisten Projekte sind englisch beschrieben, mit englischen Belohnungslevels und englischsprachigem Video. Ich habe auch Projekte gesehen, die komplett deutschsprachig abgefasst waren, aber die Belohnungen auf Englisch beschrieben haben. Offenbar versuchen die deutschen Gründer fast immer – und längst nicht nur bei physischen Produkten, auch bei Content – ein internationales Publikum anzusprechen.

Mein Fazit in Bezug aufs Buch: Das bleibt wohl weiterhin die Ausnahme auf Crowdfunding-Portalen. Eigentlich verwunderlich. Zwar kann sich jeder mit einem selbstgepublishten Buch dem Markt stellen und so sein Glück versuchen, aber Recherche und Ruhe zum Schreiben kosten nun mal meistens viel Zeit, und Zeit ist Geld. Nicht jeder kann da in Vorleistung gehen (und Verlage tun das ja immer seltener). Allerdings rechnen sich die Projekt-Starter wohl keine großen Chancen aus, mit ihren Buchprojekten auf Kickstarter den großen Wurf zu landen. Die Anzahl gescheiterter oder wenig aussichtsreicher Projektfinanzierungen gibt ihnen da nicht unrecht.

Die Gamifizierung des Lesens

Diese Woche ging das Kickstarter-Projekt The Game of Books erfolgreich zu Ende, das Lesen zu einem Spiel mit Wettbewerbscharakter (Punkte) und Charakterentwicklung (wie bei einem Rollenspiel) zu machen, also das Lesen zu „gamifizieren„:

Imagine a game where you – the reader – are the main character, and every book you read earns you points and rewards. The Game of Books is a game for adventurous readers where the books you read earn you points based on what they are about.

The Game of Books combines the physical world of books with the digital and imaginary. It is a website and mobile app that combines „Foursquare for books“ and Xbox Live-style gamer achievements, earning you badges and points for the rare themes you encounter in books.

At its heart, The Game of Books allows those of us that love reading to earn something extra for what we already love, to become the master of themes that we visit more than others, to discover books we’d otherwise miss, and to track how we have grown as readers over time.

[…]

The Game of Books is an innovative way to keep track of what experiences you’ve gained as you read

Außerdem konnten sich die „Backer“, also die Unterstützer des Projekts, für 10 Euro zu einem Buch bekennen und diesem eine „Somebody loves me“-Plakette verleihen:

Pledge $10 or more

GIVE YOUR FAVORITE BOOK A BADGE!: Show your appreciation for a loved book by buying them a special, „Somebody Loves Me“ badge! For every $10 you pledge to this reward, you receive 1 vote to cast towards any book you like. Doing so will forever earn it the „Somebody Loves Me“ badge, making it more attractive to point hungry readers!

Was zeigt uns der Erfolg (immerhin 109.000 von 102.000$)? Die Backer lieben lesen, sie wollen sozial lesen (durchaus auch mit einem Wettbewerbsgedanken: Wer vergleicht nicht gerne zu Silvester mit anderen Leuten, wieviele Bücher es dieses Jahr ungefähr waren?) und sie wollen spielerisch lesen (mit Erfahrungspunkten und einem „Charakter“, der sich analog dazu entwickelt, was die User lesen.

Das Projekt hatte in den höheren Pledge-Stufen auch „Authors only“ und „Publishers only“-Levels, die fürs eigene Marketing eingesetzt werden können, und Pakete, die für Bibliotheken und Schulklassen mehrere Zugänge zum per Browser und App spielbaren Game bieten. Vielleicht öffnet sich hier auch ein neuer Weg in der Leseerziehung.

Die Demo (The Game of Books) hat bislang einen sehr eingeschränkten Titelkatalog und einen Disclaimer: „This is only a concept demo, and is just for fun. It has no purpose beyond showing how The Game may work. The final Game will likely be nothing like this. We are not controlling for cheating or recording scores. The design, layout, search functions, scores, themes, levels… everything… are open to change.“ man darf also gespannt sein.

Ich finde das Projekt ausgesprochen spannend, aber ich bin da ja meistens sehr schnell zu begeistern, wenn Spiele, Social Media und Crowdfunding beteiligt sind. Was haltet ihr von The Game of Books?

Trickfilmserie: "NICHTLUSTIG" macht Crowdfunding!

Joscha Sauer, der Autor von NICHTLUSTIG, sammelt Geld für eine Trickserie, die uns todessehnsüchtige Lemminge, Herrn Riebmanns Hahn, Yetis und den Tod endlich auch bewegt auf die Geräte bringt. Finanzierungskonzept: Eine selbst gestrickte Crowdfunding-Seite.

Ziel dieser Aktion ist es, bis zum Jahresende 100.000 Euro zu sammeln, um die erste Folge NICHTLUSTIG fertigstellen zu können. Aber wir wollen dort nicht aufhören. Wenn wir es schaffen, mehr Geld zusammen zu kriegen, hier oder durch andere Investoren, dann machen wir natürlich weitere NICHTLUSTIG-Folgen und im Idealfall eine komplette Serie.

Kein Paypal, kein Kickstarter, kein Amazon Checkout:

Wir erfassen nicht mehr als Daten als nötig! Wir stellen Dir für Deinen Unterstützungsbeitrag eine ordentliche Rechnung aus und senden Dir diese als pdf zu.

Ich vermute, die Idee kann klappen. Die NICHTLUSTIG-App, die alle (?) Cartoons versammelt, läuft ja auch auf Spendenbasis und scheint sich zu finanzieren. Kein Wunder bei der Fangemeinde: 55.000 Follower, 280.000 Likes und immerhin 2.000 Youtube-Abonnenten.

https://www.nichtlustig.tv/

Ich bin mir übrigens sicher, dass die Aktion in den Staaten auf Kickstarter durchgezogen würde, nicht auf einer eigenen Seite mit umständlicher Abrechnung. In Sachen Crowdfunding haben wir noch einiges nachzuholen …

Kickstarter-Infographik: Die Erfolglosen

Überraschend für mich: 12% aller Projekte kriegen nie auch nur einen Dollar gepledged. Das sind die, die Kickstarter vor uns versteckt. Insgesamt verschwinden 56% aller Projekte in der Schublade: Die werden nämlich nie erfolgreich gefunded.

Marketing der Woche (KW 29): Crowdinvestment für PaperC

Heute gehts es im Marketing der Woche nicht um Endkundenmarketing, sondern um Kapitalakquise.

Crowdfunding ist in aller Munde, auch für Verlagsprodukte – etwa für Graphic Novels, bei denen Kickstarter schon als zweitgrößter Publisher im Gespräch ist.

Crowdinvestment nimmt ebenfalls an Bedeutung zu, gerade für Startups, die somit neben Business Angels und Venture-Kapitalgebern eine neue, breiter streuende Finanzierungsform haben. Darin versucht nun auch PaperC sein Glück und hat – ganz nach der Devise, dass man nichts crowdfunded, ohne Bewegtbild zu bieten – ein kleines Video produziert:

Wer investieren möchte, findet alle relevanten Infos bei Innovestment.

Infographik: "Kickstarter – $207 Million Invested by you & me"

Die Kategorien finde ich noch immer etwas willkürlich (Technologie und Design etwa sind schwammig abgegrenzt), aber die Graphik zeigt, wie umsatzstark Crowdfunding aktuell ist – fragt sich, wie dieser Hype an seine Grenzen stößt. Eine Analyse dazu gibt es bei netzwertig.

Browse more infographics.

 

Das Crowdfunding-Phänomen

Crowdfunding, Crowdsourcing, Schwarmfinanzierung: Seit dem Erfolg einiger Projekte auf der Plattform Kickstarter sind die Begriffe in aller Munde. Und dabei stehen kreative und auch Buchprojekte im Vordergrund, wie der Reprint einiger Order of the Stick-Bände. Das Projekt Gutenberg finanziert sich bei flattr. Und natürlich die Games-Industrie: Die Double Fine Adventure-Explosion.

Das Rollenmodell des Crowdfunding (Wikipedia)

Trittbrettfahrer?

Und nun springen diverse Leute auf den Zug auf, oder, wie bei golem.de im IMHO-Kommentar ausgedrückt:

Nun melden sich echte und vermeintliche Entwicklerlegenden – offenbar von dem unerwarteten Geldsegen aus dem Tiefschlaf geweckt – mit Geldbitten zu Wort. Der Verdacht, dass einige nur die Hoffnung auf das große Geld zu Kickstarter lockt, gefährdet das Vertrauen der Nutzer in die Crowdfunding-Plattform.

So wie bei Leisure Suit Larry, weshalb dem Projekt auch zuvorderst die Frage gestellt wird, warum ausgerechnet jetzt Geld eingesammelt wird. Angekündigt wurde das Remake bereits im Oktober. Vertrauen ist die relevante Währung für den Erfolg von Projekten.

Wirklich vertrauen werden die Nutzer der Plattform auf Dauer nur, wenn tatsächlich eine ausreichend große Anzahl wirklich guter Games erscheint und Tim Schafers Adventure, Wasteland 2 oder Shadowrun Returns die hohen Erwartungen erfüllen. Lediglich zur Finanzierung von Designern, die wohlige Erinnerungen an die Jugend wecken, ist das tolle Konzept von Kickstarter zu schade. (golem.de)

Technologie und Popkultur: An Kickstarter führt kein Weg vorbei

Nach Double Fine Adventure und Order of the Stick sind unter den meist-finanzierten Projekte hauptsächlich solche aus dem Technik- und Design-Bereich, z.B. ein 3D-Printer und eine iPhone-Docking-Station. Die aktuelle Top 10 findet sich in der englischsprachigen Wikipedia. Ansonsten hat „Popkultur“ mit Comics und Spielen die Nase vorn. (U.a. auch Rollenspiel-Projekte.)

Und die Nase vorn hat vor allem Kickstarter – alternative Plattformen nehme ich selten wahr, schon gar nicht die deutschen bzw. deutschsprachigen. Da gibt es zwar Pling, mySherpas, VisionBakery, mit denselben Kategorien und dem gleichen Aufbau, aber größtenteils sehr unterfinanzierten Projekten mit wenig Chance auf Verwirklichung – bei Meldungen zu Kickstarter stehen die Erfolgserlebnisse im Vordergrund, hier sieht man hauptsächlich halbprofessionelle, „gut gemeinte“ Ideen. Aber immerhin: Es passiert etwas. (Natürlich sind die Amis insgesamt schon weiter als das Entwicklungsland Germany – dort gibt es schon Gesetzesvorlagen zum Crowdfunding, während das Phänomen hierzulande erst entdeckt wird.)

Die deutschen Plattformen (Wikipedia)

Das Gemeinschaftsgefühl

Man hat bei Kickstarter das Gefühl, etwas Gutes zu machen, den Mittelsmann auszuklammern und Teil einer Community von Gleichgesinnten zu sein. (Darauf beruht der Erfolg von KickingItForward, einer Initiative, deren Button sich Projekte anheften, um zu signalisieren, dass sie ihre Projekteinkünfte in andere Kickstarter-Projekte reinvestieren und die Community am Laufen halten.)

Und gerade im Medienbereich ist es immer viel sexier, zu den Kleinen zu gehören, es den „Big 6„, wie Joe Konraths Feindbild heißt, zu zeigen. Die Selektionsfunktion von Verlagen, Produktionsfirmen, Studios wird durch Crowdfunding ersetzt, damit auch durch eine Schwarmintelligenz, die entscheidet, welche Dinge verwirklicht werden und welche nicht.

Was bedeutet das Phänomen für die Buchbranche?

Bislang funktioniert das gut: Die Projekte werden günstiger als mit einem Verwerter in der Mitte realisiert, die Produkte (bei Kickstarter: die Rewards für verschiedene „Level“, also unterschiedliche Summen, die einem Projekt gegeben werden) sind individualisierter als bei Massenware, und es bleibt immer die Befriedigung, dem Urheber direkt geholfen zu haben. Es entstehen gute Produkte, die ihre Nachfrage schon vor Produktion gefunden haben. Urheber investieren kein Geld in die falschen (nicht marktfähigen Produkte), wie das Verwerter tun. Das „verlegerische Risiko“ können sie sich auch gar nicht leisten. Kickstarter ist ideal für ambitionierte Self-Publisher. (Und das gesammelte Geld könnte helfen, die Mär zu entkräften, nur Verlage könnten gute Bücher herstellen.)

Was bedeutet das nun für die Verwerter? Verlieren sie Kunden an Kickstarter und co? Ich denke nicht. Meine These ist: Hier geben Kunden vorläufig mehr Geld aus, sie verteilen es nicht nur um. Der Hype sorgt für offene Geldbeutel, auch über das häufig postulierte „Unterhaltungskontingent“ im Haushalt hinaus.

Und außerdem: Niemand hält die Verlage ab, Buchprojekte auf diesen Plattformen zu finanzieren. White Wolf Pbl. hat das mit einem sehr erfolgreichen (fast 200% Funding) Projekt getan – und sehr geschickt agiert, indem der Creative Director Richard Thomas dem Projekt sein Gesicht geliehen hat. Das können auch andere.

 

ARG-Crowdfunding

ARGs sind nicht nur Marketinginstrumente – sondern vor allem erstmal Spiele. Und damit Produkte (hier eher Dienstleistungen) für den Endkunden. Das scheint auch die Idee hinter dem Kickstarter-Projekt The Miracle Mile Paradox ARG zu sein.

Falls das ein Erfolg wird (über ein Drittel der 9500$ sind ja schon zusammen), könnten transmediale Spiele weiter vom Marketinginstrument zur Erzählform werden. (Wobei Marketing und Storytelling in vielen Bereichen ohnehin nicht mehr getrennt gedacht werde kann und sollte.)