Bücher, die nicht gefallen, sind anstrengend – Readgeek II

Hier ist der zweite Teil des Interviews mit Uwe Pilz, dem 35-jährigen Initiator der Plattform Readgeek, die Lesern Bücher empfehlen möchte, die ihnen gefallen. Den ersten Teil des Interviews gibt’s hier.

Was genau ist das Geschäftsmodell? Ihr macht damit ja Geld, oder? Und was sagt der Datenschutz …?

Der ursprüngliche Gedanke war in der Tat mal kein Geld. Vielmehr habe ich mich über schlechte Bücher geärgert. Zudem fand ich es sehr traurig, dass die Leute um mich herum so viel fernsehen und Lesen als zu anstrengend empfinden. Dabei sind Bücher ja nicht per se anstrengend, sondern nur solche, die einen nicht zu fesseln vermögen. Da setzt ja Readgeek an.

Davon kann natürlich noch niemand leben, also habe ich mit Amazon ein Abkommen geschlossen, sodass wir pro vermitteltem Buch eine Provision bekommen. Wenn also jemand auf den Kaufen-Knopf auf Readgeek drückt, weiß der Buchhändler, dass die Person von Readgeek kommt. Das reicht zwar im Moment noch nicht mal für die Servermiete, aber die Benutzerzahl wächst schneller als wir es gedacht hätten. Das freut uns natürlich.

Screenshot der Startseite von Readgeek eines eingeloggten Nutzers.
Übersichtsseite eines eingeloggten Nutzers.

In unserer Datenschutzrichtlinie ist festgeschrieben, dass wir personenbezogene Nutzerdaten auf keinen Fall an Dritte weitergeben. Alle Angaben und selbst die Buchbewertungen lassen sich zudem vor den Blicken anderer schützen, wenn man das möchte. Man kann also auch völlig anonym teilnehmen und muss überhaupt keine Informationen über sich preisgeben. Ich persönlich glaube aber, es macht mehr Spaß, wenn man sich mit anderen vernetzt, um sich zusätzliche Leseideen zu holen.

Wie gut deckt Readgeek Special-Interest-Gebiete ab?

Das kommt sicher darauf an, wie speziell das Interessengebiet ist. Wir glauben, wir sind bereits ziemlich gut, und wenn die Vorschläge mal nicht den Erwartungen entsprechen sollten, lohnt es später nochmal vorbeizukommen, da die Prognosen mit steigender Nutzerzahl immer besser werden.

Wie sind die ersten (Nutzer-)Reaktionen?

Überaus positiv. Viele scheinen so eine Seite vermisst zu haben. Das motiviert ungemein. Außerdem helfen viele mit Berichten die Kinderkrankheiten loszuwerden, die bei einem solchen Projekt unweigerlich auftreten. [Hier muss man ergänzen, dass die Anmerkungen der Nutzer wirklich ernst genommen werden. Genau wie vor einem Jahr reicht es, wenn ich im Gespräch mit Uwe kurz erwähne, dass ich xy noch nicht so gut finde, und zwei Tage später ist es geändert.]

Foto von Grafiker Viktor Nübel
Viktor Nübel ist bei Readgeek für die Grafik und alles Visuelle zuständig

Wie viele Bücher sind momentan vorhanden?

Zur Zeit sind etwa 2,5 Millionen Bücher in unserer Datenbank.

Was sind deine nächsten Ziele mit Readgeek?

Als Nächstes arbeiten wir daran, Mitgliedern zu ermöglichen, nicht vorhandene Bücher ins System zu geben und Daten zu korrigieren bzw. zu erweitern. Außerdem gilt es, neben Amazon auch andere Buchversender und, je nach Möglichkeit, Bibliotheken zu verlinken. Auch arbeiten wir an einer Suchfunktion nach Themen und Inhalten, deren Suchergebnisse dann sogleich nach der Prognose sortiert werden können. Denkbar wäre dann z.B. vor einem Spanienurlaub nach Krimis, die in Barcelona handeln, zu suchen, um die passende Lektüre in der Reisetasche zu haben.

Lesen, was einem gefällt – Readgeek I

Vor fast einem Jahr gab es in Leander Wattigs Interviewreihe die spannende Vorstellung von Uwe Pilz und seinem Portal Readgeek. Readgeek versucht, in einem Satz gesagt, Bücher zu finden, die nach dem Geschmack eines Lesers sind. Nun findet Uwe die Plattform reif genug, um mir die Fragen, die ich damals schon hatte, zu beantworten – vielen Dank dafür!

Wichtigste Frage zuerst: Hat die Eule in eurem Logo eine besondere Bedeutung? Und liest sie ein Buch oder ein E-Book?

Logo ReadgeekEulen stehen ja für Weisheit und Belesenheit. Bei uns steht die Eule für jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin auf Readgeek. Wir haben also viele kleine weise Eulen, die alle zusammen erst die Webseite ermöglichen, denn ohne deren Leseerfahrungen und Buchbewertungen wäre keine Vorhersage oder Buchempfehlung möglich.

Ob sie jedoch ein E-Book oder herkömmliches Buch liest, das ist ihr glaube ich egal – solange es denn ein gutes Buch ist.

Warum ist dein Konzept besser als Amazons Empfehlungssystem, Goodreads etc?

Die Konzepte von Amazon und Goodreads unterscheiden sich recht grundlegend. Während unsere Methode die Vorhersage beliebiger Bücher erlaubt, bekommt man bei den anderen beiden lediglich Buchvorschläge, die ähnlich zu denen sind, die man bereits gelesen hat – Amazon stützt sich sogar zum Teil nur auf die Käufe ohne zu wissen, ob das Buch überhaupt gefiel.

Foto von Uwe Pilz
Uwe Pilz

Das fanden wir unzureichend, weil der Leser so in einem Themenkomplex stecken bleibt und all die Bücher verpasst, die vielleicht noch viel spannender wären, er sich aber einfach noch nicht vorstellen kann. Unser Anspruch ist es gerade vom Mainstream weg zu führen – hin zu den besten Büchern und nicht zwingend hin zu den durchschnittlich beliebtesten.

Hinzu kommt, dass Goodreads vor kurzem von Amazon aufgekauft wurde, und Amazon ja auch immer stärker als Verlag in Erscheinung tritt. Das könnte über kurz oder lang zu Interessenkonflikten führen, welche Bücher empfohlen werden. Readgeek dagegen ist verlagsunabhängig.

Wer ist die Zielgruppe?

Readgeek kann Aussagen über Vorlieben bei der „schönen Literatur“ machen. Also alles, was unterhält, inklusive Biografien, und selbst Comics. Voraussetzung ist, dass schon einige Bücher gelesen wurden und die Bewertungen auf www.readgeek.com eingetragen werden. Wer dagegen Auskunft über Fachliteratur haben möchte, wird in der Bibliothek oder im Fachbuchladen ziemlich sicher besser beraten.

Ob dabei jemand drei Bücher in der Woche oder im Jahr liest, spielt keine Rolle. Genauso wenig das Alter oder die Herkunft. Zur Zeit ist die Webseite auf Deutsch und Englisch verfügbar. Spanisch und Französisch sollen folgen. Buchtitel sind in sehr vielen Sprachen verfügbar, wobei die Vollständigkeit je nach Popularität variiert. Readgeek ist also für nahezu jeden nutzbar, der zumindest eine der beiden Seitensprachen versteht.

Den zweiten Teil des Interviews gibt’s morgen.