Nachdenklich, frustriert und voller Träume – ein Adventskalender wie das richtige Leben

Wir freuen uns sehr, dass wir auch in diesem Jahr wieder einige kluge Menschen für einen Gastartikel im Rahmen unseres Adventskalenders gewinnen konnten. Das Thema lautete: „Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen Probleme sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?”

Dies waren die Beiträge im Einzelnen:

Ein herzliches Dankeschön an alle, die mitgemacht haben und uns an ihren spannenden Gedanken teilhaben ließen!

Außerdem wünschen wir all unseren-Lesern ein fröhliches Weihnachtsfest, ruhige Tage, um auch selbst die Zeit zu finden, über unser Adventskalenderthema nochmal nachzudenken und alle Probleme der Branche zu lösen, und natürlich einen guten Start ins Jahr 2015!

Die Weihnachtsgeschichte der Buchbranche [Adventskalender]

Kein Weihnachten ohne Weihnachtsgeschichte! Daher danken wir Norsin Tancik herzlich, dass sie uns für unseren Adventskalender eine waschechte Weihnachtsgeschichte geliefert hat.

Norsin Tancik
Norsin Tancik

Es gibt eine Zeit im Jahr, auf die ich mich ganz besonders freue. Dieses Mal fing sie am Wochenende vor der Frankfurter Buchmesse an, als ich das erste Blech Vanillekipferl backte – nach einem Rezept, das ich in den letzten Jahren verfeinert habe. Ende Oktober beschwerte sich mein Lebensgefährte zum ersten Mal über meine weihnachtliche Playlist, die laut durch die Wohnung schalte, um Helene Fischer vom Nachbarn zu übertönen, während ich das inzwischen dritte Blech Vanillekipferl aus dem Ofen holte.

Es ist aber nicht nur die Zeit der stillen Freuden, des ersten Schnees und der Nächstenliebe, sondern auch der Mails, die mich über verschiedene Wege erreichen – adressiert an BuchKarriere, der Karriereplattform, die ich seit über drei Jahren gemeinsam mit Rebekka Kirsch betreibe. Es sind Geschichten, die mich wütend machen, verunsicherte Anfragen, die ich einfach nicht glauben möchte – doch sie sind da, und sie sind schrecklich real.

Deshalb nutze ich die Möglichkeit, selbst eine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte der Buchbranche. Sie war zu einem hartherzigen, alten Geizkragen geworden, schmückte sich aber gerne in glanzvollen Großstädten mit großen, ehrwürdigen Namen. Ihre Mitarbeiter waren unterbezahlte Angestellte mit befristeten Verträgen.

In der Weihnachtsnacht erhielt die Buchbranche unerwarteten Besuch: Es war der Geist der vergangenen Zeit, der um ein Uhr morgens in ihren Träumen auftauchte. Er führte sie in ihre eigene Vergangenheit zurück – hin zu wichtigen Entwicklungen und Strömungen, glanzvollen Verlegerpersönlichkeiten und großen Autoren. Die Vor- und Frühformen des Buches auf Papyrusrollen und Pergamentkodex zur Wissensspeicherung, der Handschriftenhandel in den Klöstern und Bibliotheken, Johannes Gutenberg, der den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, den Auf- und Niedergang der buchhändlerischen Handelszentren im 17. Jahrhundert, die Einflüsse der Aufklärung und der Entwicklung des Übersetzermarktes, die Zäsuren durch die Weltkriege, Peter Suhrkamp, der seinen Verlag gegen die Nationalsozialisten und für seine Autoren verteidigte und dies mit seiner Gesundheit bezahlte, die Bücherverbrennungen, Gottfried Bermann Fischer, der aus dem Exil heraus noch seine Autoren publizierte, der Rowohlt-Verlag, der nach dem Krieg bei Papierknappheit mit Hilfe des Rotationsverfahrens Taschenbücher für den Massenmarkt öffnete, das erste Buch auf CD-ROM, die Entstehung des Online-Handels, das erste E-Book. Der Geist der Vergangenheit zeigt der Buchbranche alles, jede Entwicklung, mag sie noch so schön oder schmerzlich gewesen sein.

Die Buchbranche ist gerührt und verwirrt und fällt in einen unruhigen Schlaf. Eine Stunde später erhält sie wieder Besuch: Der Geist der gegenwärtigen Zeit spukt in ihren Träumen umher. Er führt ihr den eigenen Hochmut, ihre Arroganz und das Anspruchsdenken vor. Sie sieht die Menschen, die für sie arbeiten, oft nur für den Namen – und mit einer Aufstockung des Gehalts vom Amt. Im Elendsviertel lernt sie die ärmsten Volontäre kennen, denen es sogar am Nötigsten fehlt (außer an Büchern). Als sie den Geist verwundert fragt, ob es für Berufseinsteiger heute keine andere Lösung gebe, hört sie nur ihre eigenen Worte: „Dann wechsle halt die Branche. Falls nicht: Wir bieten dir gerne ein Folge-Volontariat an.“

Der Geist der Gegenwart verschwand, und in der Dunkelheit tauchte der Geist der zukünftigen Zeit auf. Die düstere Erscheinung führte sie über ein leeres Buchmesse-Gelände, auf denen Google, Apple und Amazon Ball spielten, und hin zu einem Grab. Sie blinzelte – und muss erkennen, dass sie die einsame, ungeliebte Tote war.

Wie endet diese Geschichte? Bei Charles Dickens Weihnachtsgeschichte wird Ebenezer Scrooge zum Gönner, verdoppelt das Gehalt seines Dieners, wird nett zu allen Menschen, spendet sein Geld für wohltätige Zwecke und versöhnt sich mit Familien und Freunden. Und in der Buchbranche? Das wird die Zukunft zeigen – und vor allem das nächste Jahr mit der Einführung des Mindestlohns und damit der erzwungenen Auseinandersetzung mit den Berufseinsteigern der Buchbranche. Es wird die nächste Herausforderung sein, die die Buchbranche anpacken und bezwingen soll. Denn nur attraktive Arbeitgeber ziehen talentierte Nachwuchskräfte an, die die Hürden der Digitalisierung und der Online-Konkurrenz mit frischen Ideen meistern.

Norsin Tancik (28) hat ihren Magister in Buchwissenschaft und Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gemacht. Während ihres Studiums arbeitete sie als freiberufliche Journalistin, absolvierte Praktika in der Buchbranche und gründete die Karriereplattform „BuchKarriere – Dein Platz in der Buchbranche“. Heute arbeitet sie als Sales & Marketing Managerin bei der Agentur Bilandia in München.

[Adventskalender] Survival of the fittest?

Zum dritten Advent reflektiert Jennie Jäger, Autorin, Bloggerin und Digitalgeborene, über Möglichkeiten, Hindernisse und Hemmschuhe bei der Anpassung ans digitale Leben. Vielen Dank!

(c) Katharina Mette
Jennie Jäger (c) privat

„Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen
Problem sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?“ – Diese Fragte stellte mir Dennis Schmolk und bat mich einen Beitrag zu verfassen, was mich vor eine schwierige Aufgabe stellte. Welches Thema sollte ich auswählen? Digitalisierung, Amazon, das „Aussterben“ des stationären Buchhandels und Selfpublishing füllen seit Monaten ganze Seiten von (Online-)Zeitungen und Feuilletons. Der Untergang der Literatur wird gepredigt und die Angst, dass die Verlagswelt von der Bildfläche verschwindet, greift um sich.

Letztendlich entschied ich mich für ein Thema, welches mir als „Digital Native“ besonders am Herzen liegt und das glücklicherweise sogar langsam seinen Weg in die Verlagswelt findet: Anpassung.

Damit meine ich nicht nur die Anpassung an die Herausforderungen, die das digitale Zeitalter stellt, sondern vor allem an die Wünsche, die der Leser noch nicht einmal selbst kennt.

Innovation und Fortschritt zeigen sich in jeder Branche – von der Textil- über die Lebensmittel bis hin zur Spieleindustrie. Die Technik schreitet in einer Geschwindigkeit voran, die es vielen Unternehmen schwer macht, Schritt zu halten. Aber die Verlagsbranche scheint nicht nur hinterherzuhinken, sondern noch nicht einmal losgelaufen zu sein. Hin und wieder blitzen innovative Ideen an einer Ecke auf, die sich dann aber relativ schnell wieder im Sand verlaufen, weil Investoren fehlen. Die Argumentationslinie ist so kurz wie niederschmetternd: das will der Kunde nicht. Nirgends sonst pocht man darauf wie in dieser Branche, dass das eigene Produkt (aka gedrucktes Buch) niemals ausstirbt, ewig leben wird und man spricht es heilig. Als ein solches Artefakt wird es freigesprochen von jeglicher Weiterentwicklung, geradezu mit Samthandschuhen angefasst, nicht dass es durch den Einfluss der digitalen Welt kaputt geht.

Doch dabei wird übersehen, dass es nicht einmal aussterben muss, um neue Ideen ans Tageslicht zu befördern – obwohl es schon ein prägnantes Beispiel für ein Medium gibt, das wunderbar neben den Printausgaben in den Regalen der Buchhandlungen auftaucht: das Hörbuch.

Das Hörbuch erschloss eine komplett neue Welt für das geschrieben Wort, ohne das klassische Buch zu verdrängen. Neue Kunden kamen hinzu, denen es zu mühselig war die Seiten zu lesen oder die das Hörbuch „nebenbei“ konsumierten. Während des Autofahrens, vor dem Einschlafen, bei der Hausarbeit; als Zuhörer von spannenden Geschäften, gefesselt von der Stimme eines charismatischen Vorlesers, der einen in fremde Welten entführte.

Weshalb sollte es mit eBooks nicht ebenso sein? Wieso sollten sie nicht eine Berechtigung haben und sogar neue Kundensegmente erschließen können wie das Hörbuch es geschafft hat?

Allerdings entwickelt die Verlagswelt kaum eigene Produkte, die neuere Technik einschließen, sondern bleibt bei Papier und Tinte. Dabei bietet der Vorgang des Geschichtenerzählens kombiniert mit technischen Neuerungen so viele Möglichkeiten und Chancen, die sowohl von Autoren als auch von Verlagen genutzt werden können, um vom üblichen Kurs abzuweichen.

Doch dafür fehlt der Buchbranche oftmals der Mut: eigene Produkte zu entwickelt und massentauglich zu machen aus der Angst heraus, sich so selbst zu überholen. Der Leser ist Kunde und dieser hat Forderungen. Forderungen, die ihm verwehrt bleiben und die es zu erfüllen gilt. Das Handwerkszeug hat die Branche, nur leider übersehen die Verlage dabei, dass sich alles auf der Erde schon immer im Wandel befunden hat und Stillstand selbst laut Darwin unweigerlich zum Aussterben führt.

Jennifer Jäger (Jahrgang 1992) studiert, lebt und bloggt in München. Neben ihrem Germanistik-Studium schreibt sie Jugend-Fantasy-Romane und betreibt eine Plattform für nachtaktive Autoren unter schreibnacht.de.

Weihnachts-Blues [Adventskalender]

Der Weihnachtsmann hat uns diesen kleinen Weihnachts-Blues-Rant mit hoffnungsvollen Unter- und desillusionierten Obertönen zugespielt. Er brummelte etwas von „ihr mögt doch Kontroversen … polarisieren … was ihr wollt!“ in den Rauschebart und verschwand wieder im Winterhalbdunkel der großen Stadt.

Endlich Weihnachten!

Die Verlagsbranche folgt ihren eigen Gesetzen. Nach der Buchmesse muss dringend noch in diesem Jahr die Welt gerettet werden und jedes Projekt, jeder Schnellschuss abgeschlossen sein – als gäbe es kein Morgen …

Was für ein Jahr. Zeit, durch die Straßen zu ziehen und das Jahr Revue passieren zu lassen, Wünsche zu formulieren und … ja … Weihnachten ist ja auch die Zeit der Wunder. Es beginnt zu schneien. Der liebe Gott verdeckt den ganzen Dreck. Der Weihnachtsmarkt ist geschlossen, die Strassen leer und weihnachtlich beleuchtet, irgendwo höre ich die Strophen von meinem Lieblingsweihnachtslied Fairytale of New York

It was Christmas Eve, Babe
In the drunk tank
An old man said to me, „Won’t see another one“
And then he sang a song
‚The Rare Old Mountain Dew‘
I turned my face away
And dreamed about you

Es geht in dem Lied um Niederlagen, um Erfolg – und um viel Aufregung. Jo, das passt auch fürs durchlebte, lebendige, digitale Jahr 2014. Es fühlt sich so an, als sei mancher vom digitalen Erfolg überrollt worden, man steht plötzlich mehr als sehr gut da, aber jetzt will man im grossen Stil dabei sein. Das gewaschene Fell vom Bär will jeder.

Aber mit der Umsetzung, dem Tempo, dem Vorlauf für die Digitale Transformation der Bereitstellung der benötigten Resourcen, Schulung, Arbeitsmittel, dem Invest in das Vertrauen, ich korrigiere, das bezahlte Vertrauen – das ist ausbaufähig. Die Generation Praktikum wird’s schon bringen, Floskeln wie „tolle Herausforderung“, „spannend“, vollste Unterstützung“ fallen oft. Selbstverständlich soll alles irgendwie so bleiben, wie es ist, aber man möchte auch digital dabei sein. Und irgendwie fallen hinten E-Books raus. Ist das so schwer zu verstehen? E-Books sind eigene Produkte und keine Kopie vom Buch. Sie haben so also auch eine ganz eigene Genese, voll mit technischer DNA, aus dem Verlags-Know-How befüllt, verhalten sich gänzlich anders bei der Auslieferung, der „Verkaufsfläche“, den Experten, die von Apple und Amazon geforderten Ansprechpartern für Trouble-Shooting. Notfallbesetzung im Verlag auch über die Weihnachtszeit …? Wo doch der Verlag über die Tage geschlossen ist. Wie geht man damit um … „das ist doch spannend“, schauen Sie mal, wie machen das denn die anderen, melden Sie sich dann, wir sehen dann weiter!“ …

merry christmas

<meta-daten> rieseln nicht leise per Knopfdruck aus Onix-Exporten oder füllen wie ein durch einen Weihnachtszauber bis Ende des Jahres die Informationssysteme in den Häusern …

Das ist dann schon was Feines. Während die Geschäfte und die Mitarbeiter nun endlich durchatmen können, wir mit der Familie, Freunden schlemmend Weihnachten feiern, kann man im Live Ticker der Monitoring-Systeme verfolgen, wann wo gerade ein e-Reader, Tablet, Smartphone ausgepackt wird und die Downloadzahlen für eBooks in den Himmel steigen zum Morgenstern.

Man informiert sich über Buchreport, Börsenblatt und beobachtet sich in der Branche, man schimpft, blickt ängstlich auf das Tun von Amazon, blickt herablassend auf Selfpublisher. Festgefahrene Pfade in Verlagsstrukturen und Abläufen werden nur zaghaft verlassen. Man will rufen: „Es kann euch nichts passieren! Traut euch, lasst los, macht eure Erfahrungen!“ Hinfallen, aufstehen, Krone richten – hab ich meinem Sohn immer gesagt. So einfach kann es sein.

Mein Sohn studiert in einer andren Stadt, wir werden uns nicht sehen. Der Scheefall wird stärker und ich gehe gedeankenversunken weiter durch die menschenleere Stadt und summe vor mich hin.

Got on a lucky one
Came eighteen to one
I’ve got a feeling
This year’s for me and you
So happy christmas
I love you baby
I cann see a better time
When all our dreams come true

Über den Autor: Anonym. Stellvertretend für die, die Digital denken, leben, über den Tellerrand schauen, die ausgebremst werden, mit blutiger Nase wieder aufstehen und weiter machen, die wissen, dass sie am Erfolg nicht nur teilnehmen, sondern diesen mitgestalten, dafür bloggen, sich vernetzten. Die, die ungeschätztes Kapital der Branche darstellen und selbstbewusst weiter ihren Weg gehen.

[Adventskalender] Eine Zukunft für den Buchhandel!

Foto: Eva Hehemann
Foto: Eva Hehemann

Vielen Dank an Frauke Ehlers, die den Auftakt für unseren Adventskalender 2014 macht. Die Frage:  “Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen Probleme sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?” 

Als Hanna Hartberger mich um einen Beitrag für den Adventskalender für ihr Blog „Alles Fliesst“ bat, waren gerade eine Vielzahl von Ereignissen vermeldet worden, die mich mit Ratschlägen vorsichtig werden lassen.

Ein Blick zurück macht deutlich, wie schnell sich Gewissheiten auflösen können: Vor 7 Jahren habe ich innerhalb des MBA Studiums an der Steinbeis Hochschule für die Schiller Buchhandlung, deren Gesellschafterin ich seit 1995 bin, eine Standortbestimmung gemacht und Überlegungen angestellt, wie der Aufbau eines Firmenkundengeschäfts die Buchhandlung stärken könnte. Gesetzt war damals, dass die Filialisierung weiter voranschreitet: Hugendubel/Weltbild hatten damals gerade mittlere Buchhandelsketten wie Weiland, Habel und Wohltat’sche in ihren Verbund aufgenommen, Thalia schien im Bereich Online die Themen, die durch die Digitalisierung auf die Agenda kamen, einigermaßen zu besetzen.

Und heute? Ist Weltbild am Ende. Hugendubel in Stuttgart, wo seit 2008 die zweitgrößte Fläche betrieben wurde, zieht sich im Frühjahr aus der Innenstadt zurück. Thalia putzt sich für einen weiteren Investor heraus, unter dem Dach von Advent soll die Buchhandelssparte verkauft werden.

Susanne Martin (www.schiller-buch.de) und Petra Hartlieb (www.harliebs.at) Foto: Frauke Ehlers
Susanne Martin und Petra Hartlieb
Foto: Frauke Ehlers

Da fällt es schwer, Petra Hartliebs Statement in ihrem Buch, „Meine wunderbare Buchhandlung“ in dem es auf S. 149 heißt:  „…..die Inhaber der kleinen Buchläden hätten ihnen allesamt von Anfang an vorrechnen können, dass man mit Büchern nicht reich werden kann“- nicht zu unterschreiben. Natürlich kann man über Petra Hartliebs vielerorts zitiertes Guerilla Marketing, was die Direktansprache von potentiellen Kunden, die bei Amazon bestellen angeht, streiten. Aber den teilweise fragwürdigen Geschäftspraktiken des allumfassenden Onlinehändlers bringt sie meiner Meinung nach in ihrem Quartier das entgegen, was in ihrem Wirkungskreis möglich ist.

Sich mit dem großen „A“ auf technologischem Gebiet zu messen, kann auch nicht die richtige Lösung für den kleinen Buchhandel sein. Die Insolvenz von ocelot, not just another bookstore zeigt, dass die ersten zwei Jahre einer Gründung zu überstehen, schon Herausforderung genug ist. Das Konzept mit großen Partnern anzugehen, nach denen Fritjof Klepp jetzt auf der Suche ist, hätte vielleicht vor Start schon umgesetzt werden sollen. Aber im Nachhinein ist man immer klüger. (vgl. auch „Berliner Buchhandlung Ocelot ist insolvent„.)

Als Susanne Martin, die im 20. Jahr ihrer Selbstständigkeit steht, die Lesung von Petra Hartlieb einführt, erzählt sie dass das Kreditinstitut, wo sie 20 Jahre zuvor einen Kredit beantragte mittlerweile nicht mehr existiert.

All diese Beobachtungen lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Ich wünsche mir natürlich, daß mit der Wahrnehmung der gesellschaftspolitischen Herausforderungen, vor die uns die amerikanischen Internet Unternehmen stellen, eine Renaissance der kleinen Buchhandlung um die Ecke möglich ist. Und die ist in meiner Wahrnehmung dann modern, wenn sie ein kultureller Kommunikationsort ist, aber auch digital unterwegs. Sie ist nur denkbar mit sehr viel leidenschaftlichen Einsatz – auch wenn der allein nicht reicht.

Und so glaube ich, dass sich das Sortiment mit allen drei Themen Digitalisierung, Online Konkurrenz und dem Nachwuchs beschäftigen muss.

Frauke Ehlers ist seit rund 20 Jahren bei den BücherFrauen aktiv und seit 1995 Gesellschafterin der Schiller Buchhandlung. Sie ist Teamleiterin Controlling bei BB Promotion, einem der Marktführer des gehobenen Live-Entertainments in Europa. Großgeworden ist Frauke Ehlers mit und in der Buchbranche. Nach der kaufmännischen Ausbildung zur Buchhändlerin hat sie englische und amerikanische Literaturwissenschaften in Tübingen studiert.

Zeit der Besinnlichkeit: Start des Adventskalenders 2014

In schöner Tradition wollen wir auch dieses Jahr bei alles-fliesst.com wieder einen Adventskalender zu einem Branchenthema machen. Wegen der knappen Zeit haben wir uns dazu entschieden, dieses Jahr nur vier Beiträge zu den Adventstagen zu machen – dafür können diese gerne länger sein!
Unser Thema 2014: „Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen Probleme sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?“
Am Montag geht es los – die Beiträge zum Adventskalender erscheinen dann jeweils am Montag nach jedem Adventssonntag. Viel Spaß bei der Lektüre!

Ein Adventskalender über Liebe zu Büchern und E-Books, Leid mit Büchern und E-Books …

Ein ganzer Adventskalender – wir sind stolz, dass wir ihn zusammengebracht haben, und möchten die Gelegenheit nutzen, allen Autoren herzlich zu danken! Über eure Teilnahme, Wünsche und Ideen, die vielfältiger nicht sein könnten, haben wir uns sehr gefreut!

Hier gibt’s alle Beiträge nochmal im Überblick:

Wer übrigens mal die Themafrage gesucht hat, bekommt sie hier jetzt nachgeliefert: „Weihnachtszeit, Wünschezeit … wir wünschen uns je nach Couleur frohe, besinnliche, erholsame Festtage, eine ruhige, angenehme, schöne Zeit im Kreise unserer Familie und – natürlich – einen guten Rutsch ins neue Jahr. Wir möchten mit unserem Adventskalender den Fokus erweitern und weg vom rein Persönlichen gehen – unter dem Aspekt, dass Weihnachten bzw. der Jahreswechsel immer auch eine Zäsur darstellen und jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Neuanfang ist.

Wenn du beim Weihnachtsmann/Christkind einen Wunsch bezüglich der Buchbranche hättest, wie würde der lauten?“

In diesem Sinne: Freuen wir uns auf 2014!

Ich will mehr Bücher mit Mäusen und anderen Leckereien [Adventskalender]

Ich hatte ja gehofft, dass Luise diesen Beitrag für mich schreibt. Die hat mehr mit der Branche zu tun als ich.
Aber sie hat gesagt, sie hat letztes Jahr schon was geschrieben und will die Leute nicht langweilen. Außerdem hat sie keine Zeit, hat sie gesagt. Und wenn ich Dennis verspreche, etwas zu schreiben, dann müsse ich das auch halten. Hat sie gesagt.
Sie redet viel, wenn der Tag lang ist. Und ist eigentlich auch nie so richtig an meiner Meinung zum Branchengeschehen interessiert. Vielleicht kann ich ja mit Dennis in Köln ’ne WG gründen.

Wenn ich mir etwas vom Buchbranchen-Christkind wünschen darf, dann wäre ich für geschmackvollere Bücher.
Wildragout, Kaninchenleber, Pecorino. So in diese Richtung. Das ist ja schließlich grad DAS Thema, um die Digitalisierung zu überleben: Adressatengerecht veredelte Papierbücher! Oder?
Ich bin jedenfalls voll dafür.
Natürlich sind auch die klassischen Geschmacksrichtungen okay. Es gibt Tage, da ist so ein leichtes, sommerfrisches Dünndruckpapierchen genau das Richtige und an anderen muss es was deftiges sein. So’n schöner Nackenbeißer auf grobem Papier.
Aber gibt’s da nicht noch mehr?
Wie gesagt, mir schwebt etwas vor wie Wildschweinsalami, oder Rauchschinken.

Alle Welt spricht immer von Cat Content, aber mal im Ernst: Ich habe ihn bis jetzt nicht gefunden. Luise hat mir mal was zu lesen mitgebracht: Von Mäusen und Menschen. Von wegen, Mäuse! Es ging letztendlich doch wieder nur um Menschen. Sterbenslangweilige Schote. Und sehr fad im Abgang.

Also, liebes Christkind: Bücher mit Inhalten für uns, nicht für Euch!
Irgendjemand bei Euch muss doch wissen, was uns schmeckt. Und übrigens- nur, weil wir etwas gern essen, möchten wir es nicht ausschliesslich goutieren.
Ihr esst ja auch nicht jeden Tag das Gleiche.

Dieser Cat-Content stammt von Indiana Jones, Kater in Osnabrück. „Indy“ teilt seinen Lebensraum großzügig mit Luise Schitteck, ehemalige Buchhändlerin und nun bei readbox für Marketing und Vertrieb zuständig. Kontakt über sein Frauchen: Twitter, Facebook, Blog.

Einfach nur ein gutes Buch [Adventskalender]

Ich weiß nicht, warum ich zu einem Artikel für diesen Adventskalender aufgefordert wurde. Ich bin 69 Jahre alt, lese gelegentlich ein Buch, aber habe mit Internet und diesen ganzen technischen Entwicklungen nicht viel am Hut. Einmal hatte ich einen E-Book-Reader. Allerdings bin ich an der technischen Bedienung gescheitert, so dass ich nach wie vor gedruckte Bücher lese.

Was ich mir also von gedruckten Büchern und demzufolge auch Buchläden wünsche, ist, dass es gute Bücher zu kaufen gibt – die ich meinen Freundinnen mitbringen oder vielleicht einem Verehrer schenken kann. Ich verlange keine großen Dichter wie Schiller oder Goethe, sondern einfach einen gut geschriebenen Roman. Einen ohne explizite Szenen. Als ich das letzte Mal in einer Buchhandlung war, wurde ich am Eingang geradewegs von einem Bücherstapel voller Erotikbücher erschlagen. Nennen Sie mich gern altmodisch, aber das ist einfach nichts, das ich meinen Freundinnen schenken möchte. Und erst recht nicht Eduard … verzeihen Sie, ich schweife ab.

GrandmotherVor ein paar Wochen hatte Charlotte, eine gute Freundin von mir, Geburtstag. Charlotte ist eine Frau, die gerne kocht und bäckt und am liebsten Familie und Freunde ausgiebig verwöhnt. Da sie auch gerne liest, wollte ich ihr einen schönen Roman zum Schmökern schenken, gern mit einer romantischen Geschichte – Frauen unseres Alters sind meist ein wenig romantisch, wie Sie vielleicht wissen. Aber: Alle Liebesromane, die ich in die Hand nahm, handelten entweder von jungen, dummen Hühnern oder waren bereits im Klappentext zweideutig formuliert. So etwas konnte ich Charlotte doch nicht schenken! Ich habe dann einen Krimi gewählt, da ich bei diesem eher das Gefühl hatte, dass er keine schmierigen Szenen enthält.

Ich wünsche mir, dass es 2014 wieder mehr Bücher gibt, mit denen ich meinen Lieben (und gelegentlich auch mir selbst) eine Freude machen kann.

Martha ist die Hauptfigur des legendären Groschenromans „Heiße Liebe bei 70°“, der irgendwann in den nächsten fünf Jahren hoffentlich zu Ende geschrieben und dann als Welterfolg veröffentlicht wird. Martha ist eine ältere Dame, die von ihrem Ehemann sitzengelassen wurde und jetzt bei einem Sauna-Besuch einen neuen Mann – Eduard – kennenlernt. Ihr dürft gespannt sein!

Schenkt keine unerwünschten Bücher! [Adventskalender]

Als ich damals meine Ausbildung im Buchhandel begann, stand für mich im Vordergrund: Ich liebe Bücher. Bücher haben mir schon immer mehr gegeben als andere Medien – und heute verdiene ich meinen Lebensunterhalt damit, sie zu verkaufen. Oder besser: Ich verdiente bislang mein Leben mit dem Verkauf von Büchern. Denn leider kann man davon nicht mehr leben.

Nun könnte ich lamentieren, dass uns große Filialisten und branchenfremde Online-Riesen das Geschäft ruinieren- Dass eine Unterhaltungs-Ökonomie an die Stelle der Buchkultur gesetzt wird und dass wir, wie ein Verfechter digitaler Medien einmal sagte, mit Spiele-Apps um die Aufmerksamkeit der Menschen konkurrieren.

Ich könnte lamentieren, dass Bücher heute nicht mehr mit der gleichen Sorgfalt wie früher produziert werden, dass es immer mehr Massenware gibt – und für diese Waren keine Massen. Siehe oben. Kurz: Dass das nicht mehr meine Buchbranche ist.

Aber darüber rege ich mich gar nicht auf. Ich rege mich allgemein nicht mehr auf, vielleicht ist das einer der Vorzüge des (oder der) in Ehren Ergrauten.

Doch auch, wenn ich mich nicht aufrege, stört mich eine Sache: Ich kann damit leben, dass weniger Bücher gekauft werden und mehr Zeit und Geld anderen Medien zufließt. Aber ich kann nicht damit leben, was jedes Jahr zu Weihnachten geschieht. Menschen kaufen Bücher, die niemand haben will, um sie Leuten zu schenken, die sie erst recht nicht haben wollen. Oder: Leute bekommen Bücher geschenkt, die sie nicht zu würdigen wissen; vielleicht wirklich gute Bücher.

Meine Nichte (17) bekam zu ihrem Geburtstag im Oktober einen Band von Hermann Hesse, der noch heute eingeschweißt im Regal steht, wie ich feststellte, als ich Plätzchen vorbei brachte. (Die Plätzchen erfreuten sich übrigens größter Beliebtheit.) Das ärgert mich nicht so sehr, weil der Band von mir stammte und ich ihn sehr passend zu ihrem aktuellen Liebeskummer fand. Es ärgert mich, weil dem Buch als Medium so wenig Vertrauen entgegen gebracht wird: Wäre es eine Film-DVD gewesen, hätte sie den Inhalt sicherlich angesehen. Ein Buch dagegen verspricht, öde, schwerfällig und zu lang zu sein.

Kelvin Kay @ Wikimedia Commons

Daher wünsche ich mir drei Dinge:

  1. Verschenken Sie nur Bücher, von denen Sie sicher sind, dass sie dem Beschenkten gefallen könnten. Lassen Sie sich dabei gerne von Ihrem Buchhändler beraten – dafür ist er da. Verschenken Sie keine Bücher aus Verlegenheit; dann schenken Sie lieber Blumen, Pralinen oder andere sinnliche Freunde, die nicht in Regalen verstauben.
  2. Sagen Sie denjenigen, die Sie beschenkt haben, was mit ihren Geschenken passiert ist. Wenn das billige Taschenbuch ungelesen auf dem Speicher gelandet ist, sagen Sie das. Und dann geben Sie dem Schenkenden 1. zu lesen.
  3. Sorgen Sie mit Hilfe von 1. und 2. und auch ansonsten nach Kräften dafür, dass dem Buch ein besserer Ruf anhaftet. Das Buch hat es nicht verdient, als öde zu gelten. Nichts wäre falscher.

Und nun genug lamentiert: Fröhliche Weihnachten!

Andrea Reifenpass, 53, arbeitet in einer kleinen Buchhandlung in der Nähe von Bielefeld ohne Social Media- oder sonstigem Online-Auftritt.