Schenkt keine unerwünschten Bücher! [Adventskalender]

Als ich damals meine Ausbildung im Buchhandel begann, stand für mich im Vordergrund: Ich liebe Bücher. Bücher haben mir schon immer mehr gegeben als andere Medien – und heute verdiene ich meinen Lebensunterhalt damit, sie zu verkaufen. Oder besser: Ich verdiente bislang mein Leben mit dem Verkauf von Büchern. Denn leider kann man davon nicht mehr leben.

Nun könnte ich lamentieren, dass uns große Filialisten und branchenfremde Online-Riesen das Geschäft ruinieren- Dass eine Unterhaltungs-Ökonomie an die Stelle der Buchkultur gesetzt wird und dass wir, wie ein Verfechter digitaler Medien einmal sagte, mit Spiele-Apps um die Aufmerksamkeit der Menschen konkurrieren.

Ich könnte lamentieren, dass Bücher heute nicht mehr mit der gleichen Sorgfalt wie früher produziert werden, dass es immer mehr Massenware gibt – und für diese Waren keine Massen. Siehe oben. Kurz: Dass das nicht mehr meine Buchbranche ist.

Aber darüber rege ich mich gar nicht auf. Ich rege mich allgemein nicht mehr auf, vielleicht ist das einer der Vorzüge des (oder der) in Ehren Ergrauten.

Doch auch, wenn ich mich nicht aufrege, stört mich eine Sache: Ich kann damit leben, dass weniger Bücher gekauft werden und mehr Zeit und Geld anderen Medien zufließt. Aber ich kann nicht damit leben, was jedes Jahr zu Weihnachten geschieht. Menschen kaufen Bücher, die niemand haben will, um sie Leuten zu schenken, die sie erst recht nicht haben wollen. Oder: Leute bekommen Bücher geschenkt, die sie nicht zu würdigen wissen; vielleicht wirklich gute Bücher.

Meine Nichte (17) bekam zu ihrem Geburtstag im Oktober einen Band von Hermann Hesse, der noch heute eingeschweißt im Regal steht, wie ich feststellte, als ich Plätzchen vorbei brachte. (Die Plätzchen erfreuten sich übrigens größter Beliebtheit.) Das ärgert mich nicht so sehr, weil der Band von mir stammte und ich ihn sehr passend zu ihrem aktuellen Liebeskummer fand. Es ärgert mich, weil dem Buch als Medium so wenig Vertrauen entgegen gebracht wird: Wäre es eine Film-DVD gewesen, hätte sie den Inhalt sicherlich angesehen. Ein Buch dagegen verspricht, öde, schwerfällig und zu lang zu sein.

Kelvin Kay @ Wikimedia Commons

Daher wünsche ich mir drei Dinge:

  1. Verschenken Sie nur Bücher, von denen Sie sicher sind, dass sie dem Beschenkten gefallen könnten. Lassen Sie sich dabei gerne von Ihrem Buchhändler beraten – dafür ist er da. Verschenken Sie keine Bücher aus Verlegenheit; dann schenken Sie lieber Blumen, Pralinen oder andere sinnliche Freunde, die nicht in Regalen verstauben.
  2. Sagen Sie denjenigen, die Sie beschenkt haben, was mit ihren Geschenken passiert ist. Wenn das billige Taschenbuch ungelesen auf dem Speicher gelandet ist, sagen Sie das. Und dann geben Sie dem Schenkenden 1. zu lesen.
  3. Sorgen Sie mit Hilfe von 1. und 2. und auch ansonsten nach Kräften dafür, dass dem Buch ein besserer Ruf anhaftet. Das Buch hat es nicht verdient, als öde zu gelten. Nichts wäre falscher.

Und nun genug lamentiert: Fröhliche Weihnachten!

Andrea Reifenpass, 53, arbeitet in einer kleinen Buchhandlung in der Nähe von Bielefeld ohne Social Media- oder sonstigem Online-Auftritt.

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