Zum dritten Advent reflektiert Jennie Jäger, Autorin, Bloggerin und Digitalgeborene, über Möglichkeiten, Hindernisse und Hemmschuhe bei der Anpassung ans digitale Leben. Vielen Dank!
„Online-Konkurrenz, Digitalisierung, Nachwuchs-Sorgen: Um welches der vielen
Problem sollte sich die Buchbranche bald kümmern, bevor es zu spät ist?“ – Diese Fragte stellte mir Dennis Schmolk und bat mich einen Beitrag zu verfassen, was mich vor eine schwierige Aufgabe stellte. Welches Thema sollte ich auswählen? Digitalisierung, Amazon, das „Aussterben“ des stationären Buchhandels und Selfpublishing füllen seit Monaten ganze Seiten von (Online-)Zeitungen und Feuilletons. Der Untergang der Literatur wird gepredigt und die Angst, dass die Verlagswelt von der Bildfläche verschwindet, greift um sich.
Letztendlich entschied ich mich für ein Thema, welches mir als „Digital Native“ besonders am Herzen liegt und das glücklicherweise sogar langsam seinen Weg in die Verlagswelt findet: Anpassung.
Damit meine ich nicht nur die Anpassung an die Herausforderungen, die das digitale Zeitalter stellt, sondern vor allem an die Wünsche, die der Leser noch nicht einmal selbst kennt.
Innovation und Fortschritt zeigen sich in jeder Branche – von der Textil- über die Lebensmittel bis hin zur Spieleindustrie. Die Technik schreitet in einer Geschwindigkeit voran, die es vielen Unternehmen schwer macht, Schritt zu halten. Aber die Verlagsbranche scheint nicht nur hinterherzuhinken, sondern noch nicht einmal losgelaufen zu sein. Hin und wieder blitzen innovative Ideen an einer Ecke auf, die sich dann aber relativ schnell wieder im Sand verlaufen, weil Investoren fehlen. Die Argumentationslinie ist so kurz wie niederschmetternd: das will der Kunde nicht. Nirgends sonst pocht man darauf wie in dieser Branche, dass das eigene Produkt (aka gedrucktes Buch) niemals ausstirbt, ewig leben wird und man spricht es heilig. Als ein solches Artefakt wird es freigesprochen von jeglicher Weiterentwicklung, geradezu mit Samthandschuhen angefasst, nicht dass es durch den Einfluss der digitalen Welt kaputt geht.
Doch dabei wird übersehen, dass es nicht einmal aussterben muss, um neue Ideen ans Tageslicht zu befördern – obwohl es schon ein prägnantes Beispiel für ein Medium gibt, das wunderbar neben den Printausgaben in den Regalen der Buchhandlungen auftaucht: das Hörbuch.
Das Hörbuch erschloss eine komplett neue Welt für das geschrieben Wort, ohne das klassische Buch zu verdrängen. Neue Kunden kamen hinzu, denen es zu mühselig war die Seiten zu lesen oder die das Hörbuch „nebenbei“ konsumierten. Während des Autofahrens, vor dem Einschlafen, bei der Hausarbeit; als Zuhörer von spannenden Geschäften, gefesselt von der Stimme eines charismatischen Vorlesers, der einen in fremde Welten entführte.
Weshalb sollte es mit eBooks nicht ebenso sein? Wieso sollten sie nicht eine Berechtigung haben und sogar neue Kundensegmente erschließen können wie das Hörbuch es geschafft hat?
Allerdings entwickelt die Verlagswelt kaum eigene Produkte, die neuere Technik einschließen, sondern bleibt bei Papier und Tinte. Dabei bietet der Vorgang des Geschichtenerzählens kombiniert mit technischen Neuerungen so viele Möglichkeiten und Chancen, die sowohl von Autoren als auch von Verlagen genutzt werden können, um vom üblichen Kurs abzuweichen.
Doch dafür fehlt der Buchbranche oftmals der Mut: eigene Produkte zu entwickelt und massentauglich zu machen aus der Angst heraus, sich so selbst zu überholen. Der Leser ist Kunde und dieser hat Forderungen. Forderungen, die ihm verwehrt bleiben und die es zu erfüllen gilt. Das Handwerkszeug hat die Branche, nur leider übersehen die Verlage dabei, dass sich alles auf der Erde schon immer im Wandel befunden hat und Stillstand selbst laut Darwin unweigerlich zum Aussterben führt.
Jennifer Jäger (Jahrgang 1992) studiert, lebt und bloggt in München. Neben ihrem Germanistik-Studium schreibt sie Jugend-Fantasy-Romane und betreibt eine Plattform für nachtaktive Autoren unter schreibnacht.de.