Alle Zukunft ist schwer – Ein Rückblick auf unsere Sortimentsbuchhandels-Umfrage

Ein eindeutiges Ergebnis. Zwei Drittel unserer Leser, die sich an der Umfrage, ob es in zehn Jahren noch Sortimentsbuchhandlungen geben wird, beteiligt haben, sagen: Ja, aber ganz anders.

Was heißt das?

Das ist auf der einen Seite ein Bekenntnis zur Buchhandlung als Institution. Auf der anderen Seite wird signalisiert, dass die jetzige Form nicht zukunftsfähig ist – es wird mit gravierenden Veränderungen gerechnet.

Wie können diese Veränderungen aussehen?

Wir zählen hier mal die Aspekte auf, die heute zum Teil schon umgesetzt sind: E-Book-Beratung und -Verkauf, besondere Events, multimediale Ausstattung. Wenn wir aber einen stärkeren Fokus auf das „ganz anders“ legen, kommen wir zu folgenden Ideen:

  • Buchhandlung als Show- oder Eventroom, in dem hochwertige Bücher präsentiert werden, zum Beispiel werden Edel-Kochbücher in der Küche vor Ort getestet („normale“ Bücher werden sowieso übers Internet gekauft)
  • Buchhändler als bester Facebook-Freund von allen, der seine Kunden kennt und ihnen unaufgefordert Bücher empfiehlt – sein Ladengeschäft wird vor allem als Veranstaltungsort für die „Real Life“-Treffen seiner Kundschaft verwendet
  • Buchhandlungen als Medienläden, die eher Erlebniswelten als Produkte verkaufen, zum Beispiel ein Krimiladen mit Büchern, Zeitschriften, Events, Spielen, Apps und Infos
  • Bücherecken als Teil von Geschenkläden, die aus der Verschmelzung von Boutiquen und Buchhandlungen entstanden sind

Morgen startet dann unsere August-Umfrage.

Wie denkt ihr, dass „Ja, aber ganz anders“ aussehen wird?

Gibt es in 10 Jahren noch Sortimentsbuchhandlungen?

Das unabhängige stationäre Sortiment hat aktuell so seine Probleme: Online-Konkurrenz, Filialisten, sich wandelnde (vulgo verschlechternde) Konditionen. Daher widmet sich unsere Juli-Umfrage der Überlegung, ob es den Sortimentsbuchhandel in 10 Jahren noch in einer mit dem heutigen Stand vergleichbaren Form gibt.

Hält sich das Sortiment? Werden Bücher vermehrt von Wein-, Elektronik- oder Benzinhändlern vertrieben? Werden sie nur noch verschickt? Oder gibt es dann sowieso nur noch eBooks? Wir freuen uns auf rege Teilnahme – und natürlich über viele Kommentare. Die Umfrage läuft bis zum 12.8.13.

 

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Keine E-Books, wohin man schaut

Ich stehe unter Schock. Etwa seit ich diese Infografik des Börsenvereins gesehen habe, wonach 68 % der Buchhandlungen E-Books anbieten, aber nur 53 % der Verlage überhaupt E-Books produzieren. Da wird seit einiger Zeit Buchhandlungs-Bashing ohne Ende betrieben – die eine Hälfte sagt, dass die Buchhandlungen endlich auf den E-Book-Zug aufspringen müssen, und die andere Hälfte sagt, dass die Buchhandlungen sowieso keine Überlebenschance mehr haben – und dann stellt sich heraus, dass sich relativ gesehen viel weniger Verlage als Buchhandlungen um E-Books bemühen.

Verzerrte Wahrnehmung

Es ist mir unklar, wie genau das passieren konnte – dass branchenfremde Beobachter zu diesem verzerrten Bild kommen, okay. Aber auch innerhalb der Branche und in den einschlägigen Medien ist in letzter Zeit fast nur noch von den Buchhandlungen und deren Aufholbedarf die Rede. Haben es die vielen kleinen Verlage geschafft, einfach „durchzurutschen“, nachdem die großen Verlage der Reihe nach öffentlichkeitsgewaltig auf den E-Book-Zug aufgesprungen sind? Oder ist auf Verlagsseite das Geschäftsmodell weniger bedroht, so dass man hier weniger Raum für grundlegende Diskussionen hat?

Liebe Verlage …

Foto eines E-Book-Readers auf einem Tisch
photo credit: Wiertz Sébastien via photopin cc

… bitte macht E-Books! Der Gerechtigkeit halber. Ja, das ist ein zusätzlicher Aufwand in der Herstellung und in den Prozessen, aber das E-Book-Geschäft wächst seit ein paar Jahren wirklich. Und wahrscheinlich habt ihr noch ein paar Jahre Übergangsfrist, aber wenn ihr danach keine E-Books anbietet, werdet ihr als ultra-out wahrgenommen und vergrault eure Leser – ist ähnlich wie mit der Rechtschreibreform, die auch alle doof fanden, nach der aber mittlerweile kein Hahn mehr danach kräht. Jetzt habt ihr noch Zeit, euch in Ruhe umzustellen – nutzt sie bitte! Ich möchte in Gesprächen mit branchenfremden Freunden nicht immer die nette, aber doch etwas wirklichkeitsfremde Branche verteidigen müssen, die haptische Bücher so toll findet, dass sie darüber jegliches Geschäftsmodell vergisst …

Individualität schlägt Einerlei

Die Einkaufsstraßen vieler Innenstädte zeichnen sich durch ein gewisses Einerlei aus. Gerade der inhabergeführte Einzelhandel kann dieser Verödung entgegenwirken.

Ein Kommentar im Börsenblatt spricht einen wichtigen Aspekt an, der mir auch bei mir selbst immer wieder auffällt. Als Branchenangehörige bekomme ich Bücher mit einem Rabatt, weswegen es ökonomisch sinnvoll ist, genau diesen Bezugsweg zu nutzen. Trotzdem kaufe ich den Großteil meiner Lektüre nach wie vor in Buchhandlung, weil ich spontan begeistert von einem Titel bin und ihn unbedingt sofort haben will.

Überzeugendes Angebot

Dieser Teil meines Kaufverhaltens kommt in der Regel nur in unabhängigen Buchhandlungen zum Vorschein – bei großen Buchhandlungen kann (!) ich teils auch ganze Nachmittage verbringen und von nichts überzeugt sein. Ich möchte jetzt keine Präferenz für die eine oder andere Art der Buchhandlung ausführen; wichtig erscheint mir der Punkt, dass ich vom Buch-Angebot überrascht und begeistert werden will. Also kein Einerlei, sondern individuelle Titelauswahl; selbstverständlich auch Klassiker und das, was man erwartet, aber eben auch andere interessante Titel. Und damit dieses Bedürfnis gestillt wird, finde ich das Plädoyer für mehr kommunale Unterstützung von inhabergeführten Buchhandlungen gar nicht schlecht.

"Something more than just selling books"

The critical point is to evolve your business into something more than just selling books.

Der wichtigste Satz aus Joe Wikerts Artikel „The Reinvention of the Bookseller“ bei O’Reilly. Sein Ansatz ist, in Buchhandlungen nicht nur den herkömmlichen Leser anzusprechen – sondern auch den neuen Autor: Aus dem Sortiment wird das Selfpublishing-Forum, das Leuten Starttipps und eine Plattform zum Austausch bietet.

Take a page out of Apple’s playbook and create a Genius Bar service for customers interested in self-publishing. Establish your location as the place to go for help in navigating the self-publishing waters. Remember, too, that most of the income earned in self-publishing is tied to services, e.g., editing, cover design, proofreading, and not necessarily sales of the finished product.

Ich halte das nicht für den Stein der Weisen, dazu passiert gerade beim Selfpublishing zu viel online – und dazu fehlt auch die Expertise in den Buchläden. Aber wichtig bleibt der eingangs zitierte Satz: Der Buchhändler muss – genau wie alle anderen Branchenteilnehmer – sein Geschäft zu etwas entwickeln, das mehr ist als Lettern auf totem Holz. Je nach vorhandenem Wissen und angepeilter Klientel braucht es dann nur noch die zündende Idee, daraus etwas zu machen. Und vielleicht ist Selfpublishing ja eine davon.