Der Schein trügt

Allein schon die Erwartungen der Abnehmer und Konsumenten, die Gier nach Spektakulärem, geboren aus einem wahnwitzigen Überangebot an Bildern […].

In einem Zeit-Artikel geht um manipulierende Pressefotografie – ein italienischer Fotograf fotografierte seine Kollegen beim Fotografieren in Krisengebieten und zeigte dabei deutlich die Manipulation vieler Fotos. Und legt dabei den Finger in die Wunde: Fotos zeigen das, was sie zeigen sollen – das kann jeder Hobby-Fotograf bestätigen. Trotzdem will jeder die Fotos, sobald sie einmal gemacht sind, sehen – auch das kann jeder Hobby-Fotograf bestätigen. Unser Wille, von allem, was es gibt, Bilder zu sehen, treibt kuriose und bisweilen gefährliche Blüten.

Überall Bilder

Spätestens seit der Verbreitung der Digitalkameras kann man nicht mehr die Augen verschließen – vor alkoholbedingten Entgleisungen von Freunden, vor zweifelhaften Körperpräsentationen oder vor Fotos, die eigentlich gar nichts zeigen. Ich bin selbst leidenschaftliche Amateur-Fotografin und fotografiere im Rahmen dieses Hobbies auch jede Menge Schrott. Aber ich lade diese Fotos nicht ins Internet und schicke jedem in meinem Bekanntenkreis den Link dazu. Jegliche Vorauswahl hat abgenommen – und ist damit das Gegenteil der oben beschriebenen, überkorrigierenden Auswahl, das aber um keinen Deut besser ist, wie man in einem Telepolis-Artikel sehen kann. Die Verbrechen, die in diesem Artikel beschrieben werden, stehen hier außer Frage. Mich interessiert das Phänomen, dass derartige Taten mit der Digicam festgehalten werden – das scheint leider ein ganz typisches Verhalten unserer Zeit widerzuspiegeln.

Ohne Bilder?

Dass es auch anders gehen kann und das nicht zwangsläufig ein Schaden ist, zeigt die Pilotstudie einiger größerer Unternehmen, von der Spiegel Online berichtet. Dort wurde einige Zeit mit anonymisierten Bewerbungen, also auch ohne Foto, gearbeitet. Schlechte Erfahrungen gab es keine. Trotzdem wollen nicht alle Unternehmen dieses Vorgehen in Zukunft umsetzen – zu groß ist wohl auch die Gewohnheit, sich von den Bewerbern per Foto ein Bild zu machen.

„Über-Bedeutung“ von Bildern

Mir scheint es, dass Bildern zu viel Bedeutung zugemessen wird. So wichtig der aufklärerische Aspekt von ihnen ist, so bedenklich sind die Auswüchse, wenn quasi jedes Bild wichtig ist und der Fotograf durch die Reaktionen enorme Bestätigung erhält. Im Gegensatz zu vielen anderen Themen wird diese Bilderflut momentan noch nicht einmal hinterfragt, dabei ist das ein Thema, das wirklich jeden von uns betrifft. Distanzierteres Verhalten der Betrachter und sensibleres ebenso wie ehrlicheres Vorgehen der Ersteller von Fotos wären ein wichtige Schritte zum Ziel, unser Verhältnis zu Bildern wieder etwas ins Gleichgewicht zu rücken.

 

Freiheit durch Eigenverantwortung

Auf Zeit Online gibt’s gleich zwei Artikel zum Thema Internetfreiheit. Neben meiner persönlichen Sympathie dafür werden dort einige interessante Aspekte angesprochen. Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, plädiert in einem Interview u.a. für die Eigenverantwortung der Internetnutzer:

Wenn ich gerne ein Disney-kompatibles Familien-Internet haben möchte, kann ich mir einen Filter installieren, der dafür sorgt, dass ich den Rest nicht sehen muss. So, wie ich kein RTL 2 gucken will, gehe ich halt auch nicht auf bestimmte Websites. Die Möglichkeit, für sich persönlich zu entscheiden, was man tun oder sehen möchte, wird unterschätzt.

Dieser Vorgang der persönlichen Entscheidung wird auch in einem Leserbrief angesprochen:

Ich möchte im Internet bloß die Freiheiten, die im Alltagsleben selbstverständlich sind: als ich selbst und ohne Namensschild oder Barcode auf der Stirn agieren, kommunizieren und konsumieren. Meine Identität gehört mir und wie im Alltag möchte ich sie nur dann offenlegen, wenn ich es mag oder wenn es aus einem wichtigen Grund sinnvoll ist. Aber auch dann sollte die Entscheidung bei mir liegen und mir nicht aufgezwungen werden.

Problematische Regulierung

Jula Böge geht von einer sehr persönlichen Sicht aus, während Frank Rieger das Problem auf eine höhere Ebene hebt. Er spricht an, welche unüberwindbaren Schwierigkeiten eine stärkere Regulierung des Internets mit sich bringen würde:

Wir können nicht mehr sagen, das Internet ist unzensierbar. Es ist durchaus zensierbar. Wir müssen uns bewusst entscheiden, es nicht zu tun. […] Wenn wir in der Lage sind, den gesamten Internetverkehr in unserem Land anzugucken und nach bestimmten Merkmalen auszufiltern, wem wollen wir diese Macht anvertrauen? Soll es der Staat tun? Können wir uns darauf verlassen, dass in Deutschland die Strukturen demokratisch bleiben? Sind wir in der Lage, für alle Ewigkeit vorherzusagen, dass solche Werkzeuge nicht in die falschen Hände geraten?

Aufgrund dieses Dilemmas, dass Zensur und Regulierung zwangsläufig zu einem potenziellen Missbrauch befähigen, bleibt für Frank Rieger nur die Eigenverantwortung als gangbarer Weg. Ein Punkt, den ich sehr ähnlich sehe. Abgesehen vom persönlichen Wohlbefinden beim anonymen Surfen geht es hier um eine demokratische Grundsatzentscheidung. Das Recht auf Freiheit sollte nicht vom vermeintlichen Schutz des Bürgers abgelöst werden.

Eigenverantwortung als Lösung

Voraussetzung dafür ist jedoch auch, dass sich mehr Bürger ihrer Eigenverantwortung bewusst werden und entsprechend danach handeln. Konkret beinhaltet das für mich ein Bewusstsein für Datensensibilität, also wenn es zum Beispiel um persönliche Daten geht. Außerdem mehr Interesse für Anonymisierung bzw. allgemein für technisches Know-how, um zu wissen, was man denn da im Internet macht. Ich meine nicht, dass jeder zum Nerd werden sollte, aber für viele Möglichkeiten braucht man kein technisches Verständnis, sondern lediglich gesunden Menschenverstand und ein wenig Zeit.

Vermittlung bestimmter Grundlagen

Nicht zuletzt wäre auch zu überlegen, wie man bereits in Schule und anderen Bildungsstätten Voraussetzungen für die Entwicklung einer gewissen Eigenverantwortung schaffen könnte – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Internetnutzung meist schon im Kindesalter anfängt. Wichtiger ist aber wohl der Umgang im jeweiligen Elternhaus, da der Großteil des Internetkonsums in privatem Rahmen stattfindet. Eine kindgerechte Auswahl an Seiten oder auch die Filterung nicht kindgerechter Inhalte – ähnlich wie beim Fernsehen – ist eigentlich unerlässlich. Statt einer kompletten Vermeidung der modernen Technik ist es meines Erachtens gerade hier wichtig, dass Eltern ihren Nachwuchs betreuen und begleiten, damit dieser langsam herangeführt wird.

Von Mäusen und Clouds

Interessanterweise ist das Thema einiger Kommentare der letzten Tage der (richtige) Umgang mit Sprache im Hinblick auf IT-Themen. Meines Erachtens ein spannendes Phänomen, weil die „richtige“ Sprache der entscheidende Faktor ist, dass Botschafen bei Lesern ankommen.

Nebulöse Begrifflichkeiten

Was mich vielmehr wundert, ist die Tatsache, dass unter dem Titel „Cloud Computing“ überhaupt etwas verkauft wird. Warum? Weil der Begriff genauso nebelig und diffus ist wie die Wolke, für die er steht. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in jedem Beitrag über „Cloud Computing“ immer erst einmal der Begriff geklärt wird?

Damian Sicking setzt sich in einem Kommentar auf Heise Online mit dem Begriff des Cloud Computing auseinander – und trifft dabei zielsicher die wunden Punkte.

Angsterzeugende Phrasen

Der durchschnittliche Büromensch betätigt seine Maus grob geschätzt 5.000 Mal – pro Tag. Wie oft er dabei wohl denkt: „Wahnsinn, was so ein Mausklick bewirkt“?

Eine Satire auf Zeit Online über die Angstrhetorik des Mausklicks – gute Unterhaltung für zwischendurch.

ACTA ein Innovationsmotor?

Informationslinks von Dennis Schmolk

Ein allgegenwärtiger Anblick

Auch ich war gegen ACTA bei Minusgraden auf der Straße, wie laut Angaben der Piratenpartei 100.000 andere Menschen.

ACTA ist nicht einfach irgend ein Abkommen gegen Produktpiraterie, auch wenn es sich als solches tarnt. ACTA ist ein legislativer Alptraum, eine Gefahr für Online-Kreativität und für die Freiheit unserer Gesellschaft. Und keineswegs, wie die Verwerterindustrie incl. Börsenverein kolportiert, ein Innovationsschutz.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) soll internationale Standards bei der Bekämpfung von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen etablieren. Deutschland will das Handelsabkommen vorerst nicht unterzeichnen – was der Bundesverband der Deutschen Industrie am Samstag mit deutlichen Worten kritisiert hat.

Information über ACTA ist notwendig, auch wenn die Bundesregierung ihre Unterschrift vorerst nicht darunter setzt: Das könnte auch ein Manöver sein, die öffentliche Meinung erst einmal abkühlen zu lassen, um das Abkommen dann zu unterzeichnen, wenn der Bürger wieder den Mund hält. Daher einige Links zum Thema:

  • Bei Stopp-ACTA gibt es eine Faktensammlung incl. einer breiten Auflistung, welchen Handelsbereichen ACTA schadet und wie es Innovation unterdrückt
  • Unter dem Tag acta bei Netzpolitik.org finden sich aktuelle Informationen und Hintergrundartikel – bis ACTA ad acta gelegt wurde, bekommt man hier m.M.n. den produndesten Überblick zum Thema
  • Die Digitale Gesellschaft hat ebenfalls ein FAQ zusammen gestellt. Der Netzpolitik-Blogger und DG-Vorsitzende Markus Beckedahl meinte in einem Youtube-Video, das bestehende Urheberrecht solle nicht zementiert, sondern reformiert werden: