In der Zeit, die ich nun in der Buchbranche arbeite, war (und ist) ein Thema kaum zu übersehen. Ich bin nun kein Fan von Amazon, ich schwanke zwischen Unmut gegen eine große, unüberwindbare Marktmacht, die Preise diktieren kann und Arbeitsbedingungen schafft, in denen ich nicht arbeiten könnte. Wollte. Für die andere aber wohl dankbar sind. Auf der anderen Seite sind Bewunderung und Neugier durchaus auch dabei. Amazon ist ein Phänomen, gewachsen, ohne Gewinne, zielstrebig, kundenorientiert, innovativ. Amerikanisch. Ich bin ehrlich gespannt, was sich Amazon als nächstes ausdenkt.
Ich sehe die Schwierigkeit darin, einen so übermächtigen Gegner zu haben wie Amazon. Ich finde es aber schade, wenn so viel Zeit darauf verloren geht, sich mit diesem Gegner zu messen, zu vergleichen, zu jammern, manchmal ziemlich selbstgerecht, wie unfair doch alles ist, wie böse Amazon.
Wenn Dennis mich also fragt, was ich mir wünsche bezüglich der Buchbranche, wäre es Folgendes:
Ich wünsche mir, dass die Buchbranche einen Weg findet, an Gegnern wie Amazon zu wachsen, sich inspirieren zu lassen, zu agieren statt zu reagieren. Ich wünsche mir, dass die Buchbranche ihren großen Vorteil nutzt, nämlich dass sie, im Verhältnis gesehen, klein ist und sehr eng verbunden mit ihrem Produkt. Eine Branche, in der jeder jeden kennt, real oder virtuell, in der das fast keine Rolle spielt, weil man sich vernetzt, sich auf Branchenevents sieht oder sich im Nachhinein austauscht. Und eine Branche, in der so viele Ideen sprudeln. Projekte wie LOG.OS, sobooks, NextBookStop, flipintu – und das sind jetzt nur die, die mir auf Anhieb einfallen – und besondere Buchhandlungen wie die Münchner glatteis Krimibuchhandlung, Isarflimmern oder ocelot in Berlin, das ich nur aus dem Web kenne, aber zu dem ich unbedingt mal hin will. Das Buch hat Zukunft, ob gedruckt oder digital oder Enhanced oder als App, E-Book oder im Browser, ich bin fest davon überzeugt.
Ich wünsche mir aber auch, dass in dieser Branche Raum ist für großartige Mitarbeiter, die kommen und leider manchmal schon wieder gegangen sind, mit einer Bücherleidenschaft und mit Ideen, mit einem Gefühl für Digitales, Soziales, Mobiles. Ich wollte zuerst „Nachwuchs“ schreiben, weil ich mich noch dazu zähle und er mir wichtig ist, besonders, weil es in der Buchbranche nicht gerade leicht ist, Fuß zu fassen. Im Grunde meine ich aber nicht unbedingt jungen Nachwuchs, sondern alle, die in dieser Branche arbeiten wollen. Ich wünsche mir, dass Raum da ist, sich entfalten zu können und kreativ zu sein, denn ich bin überzeugt, dass das der beste Nährboden ist, um Ideen wie die obigen zu generieren.
Ob das naiv ist? Vielleicht. Wahrscheinlich. Wie so viele Wünsche. Trotzdem bin ich im Herzen eine Optimistin, und das gerne.
Sarah Söhlemann vermarktet Seminare zu Digitalthemen und begeistert sich privat wie beruflich für alles, was mit (E-)Publishing und Social Media zu tun hat. Bücher liest sie geliehen und gekauft, print und digital, Magazine und Zeitschriften dagegen lieber digital und gerne als App statt im Browser. Twitter, Xing