"Unsicherheitskompetenz", Fanbeziehungen und die künftige Rolle der Verlage

Stephan Porombka beim Buchreport (wo sich übrigens kein Link auf seine einzige Webpräsenz findet) im Interview:

[M]an wird wohl entwickeln müssen, was der Soziologe Dirk Baecker Unsicherheitskompetenz nennt. Denn das Entscheidende an den kommenden Veränderungen wird sein: Sie stellen keine Stabilität mehr her.

Das dürfte sich schwer gestalten, denn

[das größte Problem der Verlage] wird sein, sich möglichst flexibel auf die ständig wechselnden Bedingungen einzustellen. Das ist natürlich wahnsinnig schwer. Vor allem, weil im gesamten Literaturbetrieb die Strukturen alt und die Rollenmodelle extrem festgeschrieben sind.

Tradition und Angst sind und bleiben vorerst wohl die bestimmenden Faktoren in der Branche. Das ist nicht zu ändern, höchstens daran zu rütteln. Sie verhindern Kreativität, Flexibilität und die eingangs erwähnte „Unsicherheitskompetenz“, also die Fähigkeit, mit Unsicherheit zu planen und umzugehen. Sie verhindern Experimente, die nötig sind, um neue Formen und Formate zu finden (und natürlich neue Inhalte), sei es in Sachen Produktentwicklung, Marketing, Werbung.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Feststellungen zur Suhrkamp-Blog-Aktion zu Clemens Setz:

Da wird behauptet, hier gebe es bis zur Buchmesse täglich reichlich Zusatzmaterial zum Buch. Aber was passiert auf der Seite? Es tröpfelt nur. Aber keine Literatur, sondern Marketingaktionen: Hey, macht bei unserem Gewinnspiel mit! Kommt zu den Lesungen! Lest einen Auszug aus dem Roman und kauft es dann!

Das ist ein gutes Beispiel für falsche Ansprache der Zielgruppe. Andererseits muss man sich fragen, ob die Zielgruppe tatsächlich über den Kanal eines Blogs erreicht wird. Und wiederum andererseits wird sie das nie sein, wenn man nicht eines Tages damit anfängt. Dann organisiert sich die „Fan-Gemeinde“ woanders im Netz – was nicht das Ziel sein kann, wenn man als Verlag in die Fan-Autor-Beziehung eintreten will.

Autoren-Casting für crossmediale Inhalte

Bei Leander Wattig findet sich ein spannendes Interview mit dem Bastei-Entertainment-Cheflektor Jan F. Wielpütz  alias Stefan Bonner, in dem dieser über das Autorencasting für eine Fantasy-Reihe erzählt. Bei „Apocalypsis“ handelt es sich um einen digitalen Serienroman, der als App, Hörbuch, eBook und Mischprodukt erlebbar ist. Nicht nur das Produktdesign ist interessant, auch der Weg von der Idee zum Autor: Bei Bastei reifte zuerst das Romanthema, dann wurde ein Autor gesucht, der verschiedene mediale Kanäle berücksichtigt (Film, Spiel, Schrift, Ton, …). Leander stellt zurecht fest:

Für diesen wurde mit dem Autoren-Casting ein Ansatz der Autorengewinnung gewählt, den ich persönlich sehr interessant finde, weil ich glaube, dass er stark an Bedeutung gewinnen wird für Buchverlage, da sie auf diesem Wege gezielt Content-Marken aufbauen können, die dann auch ihnen gehören.

In den Kommentaren wurde u.a. schon kritisch angemerkt, dass dieser Ansatz gerade für Autoren nicht nur positive Seiten hat. Denn mit dem Aufbau einer verlagseigenen Content-Marke geht natürlich einher, dass viele Rechte des Autors an diesem Kosmos abgetreten werden müssen.

Gastbeitrag im Blog des Branchennachwuchses


Hanna hat mit ihrem Artikel „Das Schlachten verstehen und gestalten“ eine Replik auf Steffen Meiers Rant „Das Schlachten beginnt – das ängstliche Blöken der Verlage ist die Antwort“ geliefert, auf die ich hier gerne hinweise.

Bildquelle: Huhu Uet via Wikimedia CommonsCreative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk bzw. Inhalt steht unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 US-amerikanisch (nicht portiert) Lizenz.