Oh Gott, jetzt gibt’s Schrott! [Adventskalender]

Foto von Robert MaroschikSehr geehrte Zivilisation, werte Literaturliebhaber, liebe Intellektuelle. Wir stehen vor der kulturellen Katastrophe, die wir so dringend über Jahrhunderte hinweg gesucht haben, zu vermeiden. Es gilt, sich nun einen festen Stand zu sichern, Haltung zu bewahren und durchzustehen, vor allem aber dem entgegen zu stehen, was nun auf uns zukommt. Schuld daran ist niemand geringerer als der Verursacher nahezu jeglichen unsagbaren intellektuellen Bauchwehs der vergangenen zwei Jahrzehnte. Ja, ihr ahnt es schon, es ist das Teufelsding, die Geißel des Ernsthaften, der Moloch des Jedermanns, die Tyrannei der Katzen(-videos): Das Internet. Und – hier sei dies bitte als bewusste Bemerkung notiert – ich bin mir freilich auch der Ironie bewusst, diese Worte gerade im Internet kundzutun.

Doch zum Kern der Sache. Über die Jahre hinweg beherrschten die Buchverlage als Leuchtfeuer des Pfads in die Welt der Intelligenz, was gut war, was schlecht war, was als massentauglich zu gelten hatte und was, salopp, aber treffend formuliert, Schund, nein, besser: schlichtweg Schrott war. Freilich gab es auch hier und da mal die etwas weniger gelungene Publikation, manche davon besorgte man sich sogar lieber klammheimlich am Bahnhofskiosk und schlug sie in einen namenlosen Einband ein, bevor noch irgendjemand die geradezu grotesk bebilderten Buchdeckel mit starken Männerarmen und sanften, hilflosen Damenhänden und wehenden Haaren erspähen konnte; wahlweise auch dasjenige knallpinke mit Pflaster drauf (Kenner wissen, was gemeint ist).

Doch diese Institution ist nun gefallen. Denn das Internet hat es möglich gemacht, nein es uns gerade aufgezwungen, dass jeder Depp zu seinem Ruhm kommt. Und zwar mit einer noch so depperten Geschichte, die er im Eigenverlag als E-Book, kostenlos (der Nachsicht, für den Quatsch nicht irgendjemand noch sein hart verdientes Geld abnehmen zu wollen, gebührt hier durchaus Beifall) oder nicht, jedenfalls aber jedermann zugänglich macht. Geschichten, die in ihrer Abstrusität und Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten sind und bei denen man sich unweigerlich fragen muss, ob die Autorin / der Autor sich nicht doch noch einmal auf ein Eins-zu-eins-Gespräch mit einem netten Psychologen ihrer / seiner Wahl verabreden sollte; oder fantasieren Sie etwa klammheimlich, von einem Tyrannosaurus Rex vergewaltigt zu werden? Kein Scherz, diese Bücher über Dino-Sex steigen in der Gunst der E-Book-Leser(innen!)! Vom Phänomen der gefühlten zwölfmilliardenachthundertzweinundsechzig Geschichten über heroisch-dominante Vampir-Jünglinge, die der Twilight-Scheiß, oh pardon, „-Hype“, verursacht hat, ganz zu schweigen.

Die „Werke“ dieser „Künstler“ sind meist kurz, doch kommen sie in immer schneller aufeinanderfolgenden Sequenzen heraus und rauben jedem mündigen Hirnnutzer das letzte Quäntchen Glauben an eine intellektuelle Welt.

Ja, ich weiß. Die ersten von Ihnen wetzen bereits ihre Mistgabel, zünden schon ihre Fackeln an und wollen nur noch schnell das nächste Kapitel von Shades of Grey fertiglesen, bevor Sie mich ausfindig machen und am Baum ihrer hirnlosen Banalstories aufknüpfen wollen. „Kunst liege doch im Auge des Betrachters“, „Kunst kann alles sein“, ja ich weiß: blablabla. Freilich ist sie das, die liebe Kunst. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich Lieschen Müllers heimlichen, überaus beunruhigenden Fantasiewust als eben solche betrachten müsse. Denn nur, wer einen Pinsel halten kann – auch im übertragenen Sinne -, ist eben noch kein Künstler. Übrigens – das mit dem Pinsel kann sogar mittlerweile ein indischer Elefant. Sie glauben’s nicht? Schauen Sie nach. Im Internet finden Sie jeden Schrott.

Amen.

Robert Maroschik, Baujahr 1985, ehemals Gründer und Fahrzeugführer des Metal-Radiosenders „Hurricane Rock“, tankt gerade noch unverbleit Jura, während er am Gaspedal seiner eigenen Texteragentur für SEO-Texte und Marketing (www.juicymind.de) in München sitzt.