Das gedruckte Buch bleibt nach wie vor das Leitmedium, lässt sich Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, zitieren. Alle einmal aufatmen, alles ist gut. Das Buch ist das Leitmedium. Aber was soll denn ein Leitmedium sein? Eines, das Vorrang vor den anderen hat, weil es kulturell wichtiger ist als die anderen? Eines, das die anderen Medien dorthin leitet, wohin sie sich entwickeln sollen? Der Begriff tritt in meinem Gefühl in eine ähnliche Kerbe wie der des KulturguIm ts Buch, bloß dass letzterer nicht so gar so aufdringlich und oktroyierend daherkommt.
Begriffsklärung
Wikipedia hilft mal wieder weiter:
[…] ein spezifisches dominierendes Einzelmedium in einer bestimmten historischen Phase der Medienentwicklung, welchem „eine Hauptfunktion in der Konstitution gesellschaftlicher Kommunikation und von Öffentlichkeit zukommt“
Nachfolgend kommen dann auch Beispiele für Leitmedium und unter anderem ab dem 16. Jahrhundert das Buch. Aber dann kommen andere und seit der Jahrtausendwende sind das Fernsehen und das Internet als Leitmedien genannt – was meinem Gefühl nach die Sachlage schon eher trifft. (Die Zahl der Nicht-Internetnutzer und Nicht-Leser ist mit jeweils etwa 25% übrigens gleich groß, so dass sich diese beiden zumindest schon mal nichts schenken [siehe die Lesen-in-Deutschland-Studie und die ARD-ZDF-Onlinestudie]. Fürs Fernsehen finde ich im Moment leider keine direkt vergleichbaren Zahlen.)
Alle wollen Leitmedium sein
Amüsante Erkenntnis im Lauf weiterer Recherchen: Es gibt noch mehr Branchen, die sich Gedanken darüber machen, dass sie ihren Status als Branche des Leitmediums verlieren. Auch das Fernsehen hat das Internet als neuen Feind seiner Leitmedialität entdeckt.
Die Veränderung der Nutzungsgewohnheiten werde stark getrieben durch neue Geräte wie Tablets und Smartphones. Der Fernseher entwickle sich dabei immer mehr vom Leitmedium zu einem Medium unter vielen.
Vorteile des Leitmediums?
Noch mal vorn: Leitmedium ist ein Wert, den gern jeder, der mit einem Medium zu tun hat, für sich beanspruchen würde. Warum? Da keine mir ersichtlichen Vorteile daraus entstehen, scheint es sich um einen Akt der Aufwertung und Legitimierung des eigenen Tuns zu handeln. Warum ist oder erscheint das nötig? Weil man seinen Platz gefährdet sieht durch andere Medien. Ich denke, diejenigen, die das Wort Leitmedium ernsthaft verwenden, sollten sich darüber klar werden, dass sie auf kulturelle Entwicklungen überhaupt keinen Einfluss haben. Und dadurch, dass sie vom Leitmedium reden, gehen sie bereits in eine Defensiv-Position, indem sie ihre Position als besonders wertig definieren. Aber dadurch zeigen sie sich gleichzeitig auch als statisch, und genau das ist der Punkt, der angreifbar macht. Solange eine Branche um-welches-Medium-auch-immer flexibel bleibt und sich dem Wandel um sie herum anpasst, hat sie es nicht nötig, ihren Status Quo bis ins Letzte zu definieren und braucht infolgedessen Begriffe wie Leitmedium auch überhaupt nicht.