Der Börsenverein und sein Organ, das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, ist pro ACTA. Und sogar Mitglied der „Deutschen Content Allianz„, die über keine Website verfügt, weshalb ich hier auf Stefan Niggemeier verlinke. (In diesem Verband der Verwerter-Industrie sind übrigens auch die angeblich unabhängigen öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF organisiert.) Diese „Content Allianz“, was irgendwie unfreiwillig nach dem schrecklichen Kampfbegriff „Content-Mafia“ klingt, genießt keinen besonderen Ruf der Unabhängigkeit – und ist freilich pro ACTA.
Das kann man rein wirtschaftlich verstehen, auch wenn zu Recht immer wieder darauf hingewiesen wird, dass eine Reform des Urheberrechts und besonders der Geschäftsmodelle auch ökonomisch sinnvoller wären als die juristische Verfolgung.
Was ich nicht ganz verstehen kann, ist, wieso ein derart kritiklos-verschwörungstheoretischer Rant wie der von Stefan Herbig im Börsenblatt veröffentlicht wird. Die Apokalypse des Abendlandes und seiner Kultur durch ein Video von Anonymous und dessen Wirkung:
Das ACTA-Video schuf in den letzten Tagen somit ein gefährliches Präzedenz: Ein clever gemachtes, mit bedrohlicher Musik unterlegtes Propagandavideo von Internetaktivisten, das mit einer simplifizierenden Zeichensprache arbeitet, überlagert sowohl den Politik- als auch nahezu den gesamten Medienbetrieb mit Falschinformationen.
Darum geht es Herwig: Das Anti-ACTA-Video habe die Massen propagandistisch aufgeheizt, sodass diese den größten Blödsinn unterstützen. Und es geht nach ACTA weiter in den Abgrund:
Insofern dürfte das ACTA-Abkommen hier nur der Kanarienvogel im Bergwerkstollen sein, denn eine hysterische, politikverdrossene und selbstreferentielle Netzgemeinschaft hat hier trotz nachweislich falscher Informationslage vorerst ihr Unrecht erstritten.
Wie Herwig genau von Massenprotesten auf Politikverdrossenheit, von medialer Wirksamkeit auf Selbstreferenz kommt, leuchtet mir nicht ein. Viel eher, dass auch er ein Feindbild aufbaut: die „hysterische Netzgemeinschaft“, deren Existenz sowieso umstritten ist. Aber laut Herwig ist sie eine reale Gefahr:
Der Wutbürger, der ACTA-Protestant sind lediglich Vorboten einer gesellschaftlichen Entwicklung, die wir nicht ernst genug nehmen können.
Der Artikel mag ein paar Gemütchen in der Verwerterindustrie kühlen, im Sinne der Stammtischparole: Das musste ja mal gesagt sein! Dem Diskurs ist er sicherlich nicht dienlich. Er könnte aber die Einsicht vermitteln, dass man über Inhalte am besten zwischen Künstlern und Konsumenten verhandelt und die Verwerter ausklammert.