Netto verkauft jetzt eBook-Reader und eBooks – und noch dazu einen der schlechteren eBook-Reader. Was an sich niemanden allzu sehr stören würde, da es sich nicht einmal um den Netto Marken-Discount, sondern eine regionale Discounter-Kette handelt. Allerdings ist die MVB, die Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, das Unternehmen, das den Deal eingefädelt hat. Also eine Wirtschaftstochter vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der laut Wikipedia
die Interessen aller drei Handelsstufen (Verlag als Hersteller, Zwischenbuchhandel als Großhandel, verbreitender Buchhandel als Sortimentsbuchhandel) vertritt.
Welche Interessen werden vertreten?
Mit dieser Kooperation werden die Interessen der Verlage dadurch vertreten, dass deren eBooks verkauft werden. Die des Zwischenbuchhandels sehe ich nicht und die des Sortimentsbuchhandels auch nicht – im Gegenteil. Es wird eine Konkurrenz zu den bestehenden Shops der Buchhändler etabliert, worüber diese verständlicherweise erzürnt sind, Stichwort offener Brief von eBuch. Damit ist das Interesse einer von drei Sparten vertreten. Das wäre dann in Ordnung, wenn die anderen beiden Sparten ohne Bezug zu diesem Thema wären oder keine Nachteile erleiden würden – genau das wird aber befürchtet.
MVB als Konkurrenz
Ist es realistisch, eBooks bei Netto als Konkurrenz für eBooks in Buchhandlungen anzusehen? An sich gibt es viele Konkurrenzunternehmen zu den Shops der Buchhandlungen, angeführt vom schier allmächtigen Amazon. Bei diesem Sachverhalt ist es auch relativ egal, ob man von Büchern oder eBooks spricht – es gibt genauso Ladengeschäfte zwei Straßen weiter wie es zwei Klicks weiter den nächsten Online-Shop gibt, der auch eBooks verkauft. Und solange es für eBooks die Preisbindung gilt, sind die entscheidenden Faktoren, um eBook-Verkäufe zu generieren, Bekanntheit und Nutzerfreundlichkeit. Der einzige, aber auch entscheidende Unterschied besteht darin, dass Amazon und die (Online-)Filiale der Nachbarbuchhandlung per definitionem Konkurrenten sind – die MVB ist das nicht.
Verhalten eines Branchenverbands
Deshalb sehe ich die grundsätzliche Herangehensweise der MVB auch kritisch. Als Tochter des Börsenvereins war sie nach meiner Ansicht nach für die Abwicklung von Geschäften und Projekten zuständig, die Unterstützung für die Börsenvereinsmitglieder bereitstellen, zum Beispiel das Verzeichnis lieferbarer Bücher, das Adressbuch oder das Börsenblatt. Erste Auseinandersetzungen, wie weit sich das Unternehmen wirtschaftlich positionieren darf, gab es seinerzeit bereits beim Projekt libreka!. Die Fortführung genau der gleichen Diskussion bei der Kooperation mit Netto zeigt, dass die MVB aus dem damaligen Zerwürfnis eigentlich nichts gelernt hat oder nichts lernen wollte. Was ich bedenklich finde, da ein Branchenverband im Sinne seiner Mitglieder agieren sollte – und wenn er nicht im Sinne aller agiert, sollte er wenigstens nicht gegen einen Teil von ihnen agieren. Dadurch leidet die Glaubwürdigkeit massiv, und es ist irgendwo verständlich, wenn sich Mitglieder aus einer Sparte immer weniger in der Verbandspolitik engagieren. Außerdem ist das Verhalten absolut kontraproduktiv, wenn es darum geht, auf lange Frist wirklich alle drei Sparten repräsentieren zu wollen.