Keine E-Books, wohin man schaut

Ich stehe unter Schock. Etwa seit ich diese Infografik des Börsenvereins gesehen habe, wonach 68 % der Buchhandlungen E-Books anbieten, aber nur 53 % der Verlage überhaupt E-Books produzieren. Da wird seit einiger Zeit Buchhandlungs-Bashing ohne Ende betrieben – die eine Hälfte sagt, dass die Buchhandlungen endlich auf den E-Book-Zug aufspringen müssen, und die andere Hälfte sagt, dass die Buchhandlungen sowieso keine Überlebenschance mehr haben – und dann stellt sich heraus, dass sich relativ gesehen viel weniger Verlage als Buchhandlungen um E-Books bemühen.

Verzerrte Wahrnehmung

Es ist mir unklar, wie genau das passieren konnte – dass branchenfremde Beobachter zu diesem verzerrten Bild kommen, okay. Aber auch innerhalb der Branche und in den einschlägigen Medien ist in letzter Zeit fast nur noch von den Buchhandlungen und deren Aufholbedarf die Rede. Haben es die vielen kleinen Verlage geschafft, einfach „durchzurutschen“, nachdem die großen Verlage der Reihe nach öffentlichkeitsgewaltig auf den E-Book-Zug aufgesprungen sind? Oder ist auf Verlagsseite das Geschäftsmodell weniger bedroht, so dass man hier weniger Raum für grundlegende Diskussionen hat?

Liebe Verlage …

Foto eines E-Book-Readers auf einem Tisch
photo credit: Wiertz Sébastien via photopin cc

… bitte macht E-Books! Der Gerechtigkeit halber. Ja, das ist ein zusätzlicher Aufwand in der Herstellung und in den Prozessen, aber das E-Book-Geschäft wächst seit ein paar Jahren wirklich. Und wahrscheinlich habt ihr noch ein paar Jahre Übergangsfrist, aber wenn ihr danach keine E-Books anbietet, werdet ihr als ultra-out wahrgenommen und vergrault eure Leser – ist ähnlich wie mit der Rechtschreibreform, die auch alle doof fanden, nach der aber mittlerweile kein Hahn mehr danach kräht. Jetzt habt ihr noch Zeit, euch in Ruhe umzustellen – nutzt sie bitte! Ich möchte in Gesprächen mit branchenfremden Freunden nicht immer die nette, aber doch etwas wirklichkeitsfremde Branche verteidigen müssen, die haptische Bücher so toll findet, dass sie darüber jegliches Geschäftsmodell vergisst …

9 Gedanken zu „Keine E-Books, wohin man schaut“

  1. Kurzer Versuch einer Erklärung:

    1. Die großen & bekannten Verlage haben überwiegend E-Books im Angebot, die ganz kleinen eher noch weniger, das wird aber in der Infografik nicht berücksichtigt und die kompletten Daten gibt es wohl erst im August mit dem neuen BuBiZ. (Ich glaube im alten waren die Daten nach Verlagsgröße aufgeschlüsselt, ich kann aber momentan nicht nachsehen.)

    2. Für manche Bücher gibt es noch kaum überzeugende digitale Versionen, z.B. Bildbände. Verlage mit solchen Produkten steigen deswegen noch nicht um.

    3. Was genau ist in der Befragung als „E-Book“ definiert? Vielleicht verkaufen manche Verlage ihre Produkte digital (z.B. als Datenbank, Webangebot mit beschränktem Zugriff, Software etc.), allerdings nicht im engeren Sinn als E-Book.

    Nur spontane Ideen als Versuch diese Daten zu erklären 🙂

  2. Erstmal kurze Erklärung für die Unwissenden: Mit „BuBiZ“ ist „Buch und Buchhandel in Zahlen“ gemeint, ein Zahlenwerk, das der Börsenverein jährlich herausgibt und das aktuelle Zahlen zur Buchbranche enthält.

    Und es ist in der Tat so, dass man diese Zahlen keinesfalls als der Weisheit letzter Schluss, sondern eher als Tendenz sehen und behandeln sollte. An der Tendenz würde sich wohl auch mit anderen Zahlen nichts ändern, wobei es unter Umständen nicht mehr ganz so „zukunftsschwarz“ aussähe :-).

  3. Liebe Hanna Hartberger,

    welcher Verlag von Rang und Namen, der Bücher herstellt, welche als eBook umgesetzt werden können, hat denn heute keine eBooks im Programm? Ich verstehe nicht recht, worauf der Artikel hinauswill.

  4. Lieber Jakob,

    wir sind uns einig, dass die großen Verlage heutzutage alle E-Books herstellen, das schreibe ich auch im Artikel. (Wobei man das oft auf die Neuerscheinungen beschränken muss, bei der Backlist fehlen noch vielfach große Teile. Das fand aber keinen Eingang in die Statistik.) Mir geht es im Artikel hauptsächlich um „alle anderen“ Verlage – die zugegebenermaßen oft nicht groß sind, aber alle ihre Leserschaft haben. Um Leser vom Prinzip E-Book zu überzeugen, ist es m.E. unerlässlich, (fast) alle Titel als E-Book anzubieten, nicht nur die der großen Verlage. Einfach weil ich als Leser keine Lust habe, erst mal recherchieren zu müssen, welches Buch ich mir als E-Book kaufen kann und welches ich im Laden bestellen muss.

    Sinn des Artikels war darauf hinzuweisen, dass es, wie oft in der Branchenpresse suggeriert, nicht nur bei den Buchhandlungen, sondern auch bei den Verlagen E-Book-Nachholbedarf gibt.

  5. Lieber Jakob,

    m.E. stellt der Artikel nur in Frage, warum es im Verhältnis mehr stationären Sortimentern gelingt E-Books zu verkaufen, als es Verlagen gelingt sie herzustellen. Zumindest sagt das, die Inofgrafik des Börsenvereins aus.

    Es wäre natürlich gut zu wissen, wer die 47% der Verlage sind, die keine E-Book herstellen. Warum lohnt es sich für sie noch nicht?

    Sahras Anmerkung, dass es auch andere digitale Wege für Inhalte gibt finde ich ziemlich gut, da das tatsächlich nicht berücksichtigt wird.

  6. Liebe Hanna, bitte nenne mir einen Verlag, der im Buchhandel stattfindet und keine eBooks anbietet – ausgenommen Wissenschaftsverlage oder andere Häuser, deren Inhalte nicht mit dem momentanen Stand der Technik abgebildet werden können. Und dann nenne mir eine unabhängige stationäre Buchhandlung, die tatsächlich ein eigenes, lukratives eBookgeschäft betreibt.

    Diese beiden Zahlen zu vergleichen ist meiner Meinung nach wirklich müßig, wenn man sich nicht vor Augen führt, um was für Unternehmen es sich im Einzelnen handelt. Es ist wirklich etwas kurz gedacht, anhand dieser Erhebung zu schließen, dass die Verlage in Sachen eBook den Buchhandlungen hintenanstünden. Der größte Nachholbedarf herrscht indes bei den Geräteherstellern, den Plattformen und – oha – bei den Kunden, von denen es einfach noch zu wenige gibt, um den ganzen Aufwand wirtschaftlich zu betreiben.

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass der unabhängige stationäre Buchhandel nur dann eine Chance hat, zu überleben, wenn er die Finger vom Digitalgeschäft lässt, und sich auf seine Kernkompetenz besinnt: Menschen, denen Papierbücher eine Herzensangelegenheit sind ebenjene zu verkaufen.

  7. Lieber Jakob,

    warum legst du so großen Wert auf die bekannten Verlage? Im Auge eines Lesers sind die Verlage wichtig, die das Buch anbieten, das er lesen möchte – unabhängig vom Bekanntheitsgrad. Und natürlich kann man über Zahlen immer streiten, genauso wie über die Ursachen, aber mir ging es darum, den Fokus zur Abwechslung mal auf die Verlage zu legen statt auf die Buchhandlungen, weil Letzteres momentan gefühlt öfter passiert.

    Ich habe in diesem Artikel die Strategie der Buchhandlungen nicht bewertet! Das möchte ich deshalb festhalten, weil wir uns dem Thema in einer der nächsten Umfragen und einem ausführlichen Artikel widmen werden.

  8. Mein Fokus richtet sich nicht auf bekannte Verlage, sondern auf Verlage, die im Buchhandel überhaupt stattfinden. Und das weil hier Verlage und Buchhandlungen miteinander verglichen werden – warum sollte man aber Verlage und Buchhandlungen vergleichen, die nicht im selben Markt stattfinden? Die 47 % der Verlage, die sich bisher nicht an das Thema eBook herangewagt haben sind entweder Verlage, deren Inhalte nicht in den gängigen eBook-Formaten oder auf den Lesegeräten angezeigt werden können, oder eben Häuser, die zwar eine Verkehrsnummer und Mitgliedschaft im BöV haben, aber so gut wie keine Öffentlichkeit, geschweige denn Verkäufe, und erst recht keine über den Einzelhandel. Es handelt sich hierbei um die tausenden von Kleinstverlegern, die mit drei bis vier zumeist selbst verfassten Titeln versuchen, in den Markt zu kommen und idR grandios scheitern. Die Aussage „haben aber trotzdem Leser“ ist mir zu vage. Wieviele denn? Sind die überhaupt relevant, was das öffentliche Bild der Branche angeht? Wenn wir die nun tatsächlich in die Überlegungen aufnehmen wollen, ob Verlage oder Buchhandlungen in Sachen Digitalisierung die Nase vorn haben, können wir auch gleich die Millionen von Selfpublishern anführen, jeder ein Verlag für sich, den jeder SP legt für sich selber vor – nur dass die eben in der Statistik des BöV nicht auftauchen, weil es für sie keinen Beweggrund gibt (für die meisten Selbstverleger mit physischen Ausgaben ist der Beweggrund die VKNr.), Mitglied im BöV zu werden. Ich finde es gut, wenn du den Fokus zur Abwechslung mal auf die Verlage richtest, aber dein Fazit teile ich einfach nicht. Die Verlage, die für die Buchhandlungen von Bedeutung sind, haben sich in Sachen eBook längst aufgestellt. Die Buchhandlungen, die für die Verlage wichtig sind, nicht. Und das hat – deswegen der letzte Absatz im vorangegangenen Kommentar – nichts mit individuellem Versagen zu tun, sondern damit, dass es für eine unabhängige Kleinbuchhandlung eben einfach eine unlösbare Aufgabe ist, den technischen Background für einen ebenso unabhängigen eBook-Verkauf zu stellen. Dies wäre eigentlich die Aufgabe von Libreka gewesen, aber nun ja … Tatsächlich war für die Verlage lange Zeit ein Blockadegrund für den digitalen Wandel, dass sie nicht wussten, wie der stationäre Handel eingebunden werden könnte und dessen Unmut nicht wecken wollten. Das war kurz nach der Diskussion, ob Verlage eigentlich einen eigenen Webshop betreiben dürfen, weil der Handel sich dadurch bedroht sah.

  9. Danke, dass du ein weiteres Mal kommentiert hast; im Gegensatz zu gestern ist mir jetzt wirklich klar, was du meinst. Ich finde es gut, dass du auf die Entwicklung der E-Book-Integration hinweist, weil das fürs Hintergrundverständnis ein wichtiger Aspekt ist.

    So ganz bin ich noch nicht davon überzeugt, dass die 47% nur aus Kleinstverlagen und Verlagen mit anderen Formaten bestehen, aber ohne eine genauere Aufschlüsselung der Studie kommen wir hier wohl nicht weiter. Ich bin übrigens auch wirklich gespannt, was sich an den anderen Schnittstellen, z.B. bei den Endkunden und Geräteherstellern, in nächster Zeit noch alles tun wird, weil das ja wiederum starke Rückwirkungen auf die Verlage haben wird.

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